„Relief bleibt in Stein gemeißelter Antisemitismus“

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Im Streit um die „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die mittelalterliche Schmähplastik nicht entfernt werden muss.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, erklärt hierzu: „Ich hatte sehr auf eine andere Entscheidung gehofft. Denn wie auch der Vorsitzende Richter selbst bereits gesagt hat, ist dieses Relief ‚in Stein gemeißelter Antisemitismus‘ – und das bleibt es trotz der Distanzierung der Kirche durch eine erläuternde Bodenplatte und einen Aufsteller. Nun wird diese erniedrigende und verletzende Darstellung auch weiterhin offen zu sehen sein. Das ist in Zeiten, da wir jährlich den Anstieg eines bedrohlichen und zunehmend gewalttätigen Judenhasses erleben, mehr als bedenklich. Gegen das sich ausbreitende Gift des Antisemitismus, das unsere freiheitliche Demokratie von innen her auszuhöhlen droht, müssen wir als demokratische und geschichtsbewusste Gesellschaft ein Gegengift entwickeln. So hoffe ich, dass das Urteil nicht das Ende der Diskussion bedeutet und am Ende doch eine konsequente Distanzierung dergestalt stattfindet, dass dieses Relief und andere solche Darstellungen abgenommen und dorthin gebracht werden, wo sie heute am besten aufgehoben sind: ins Museum.“

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland hätte sich eine deutlichere Positionierung des Bundesgerichtshofs gewünscht.

Nach Auffassung des BGH hat sich die Kirchengemeinde deutlich von der Judenfeindlichkeit des Sandsteinreliefs distanziert. Die massiv diffamierende Plastik sei durch die späteren Inschriften auf einer Bodenplatte und Erläuterungen in ein Mahnmal zum Zweck des Gedenkens an die Diskriminierung und Verfolgung von Juden umgewandelt worden. Da dadurch der rechtsverletzende Zustand beseitigt worden sei, müsse die Schmähplastik nicht entfernt werden.

Dazu erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster: „Das Urteil des BGH, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss, ist nachvollziehbar. Allerdings vermag ich der Begründung des BGH insofern nicht zu folgen, als nach meiner Auffassung weder die Bodenplatte noch der erläuternde Schrägaufsteller eine unzweideutige Verurteilung des judenfeindlichen Bildwerks beinhalten. Die Kirche müsste sich jedoch klar zu ihrer Schuld bekennen und ihren jahrhundertelangen Antijudaismus verurteilen.
Nach der heutigen Entscheidung des BGH, es müsse der Kirchengemeinde überlassen bleiben, wie sie den ‚Störungszustand‘ beseitigt, sehe ich das Urteil als klaren Auftrag. Sowohl die Wittenberger Kirchengemeinde als auch die Kirchen insgesamt müssen eine klare und angemessene Lösung für den Umgang mit judenfeindlichen Plastiken finden. Die Diffamierung von Juden durch die Kirchen muss ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.“