Kosmopolitin und Musiktalent aus Finnland – Marion Rung

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Hebräische oder jiddische Lieder, gesungen mit distinktiv finnischem Akzent hört man nicht alle Tage. Auch sonst spielte und spielt Finnland keine bedeutende Rolle in der Geschichte der europäischen Juden: keine größeren Pogrome, keine Katastrophen, keine denkwürdigen Ereignisse. Aber bemerkenswerte Persönlichkeiten, auch jüdische, hat das Land im Nordosten Europas durchaus hervorgebracht. Ein musikalisches Talent aus Finnland möchte ich meinen Lesern gerne vorstellen.

Von Robert Schlickewitz

Wer die 1970er Jahre in der BRD bewusst miterlebte, kam an der Hitparade des ZDF, jener Schlagersendung mit Interpreten aus dem In- bzw. Ausland und dem Schnellsprecher-Moderator Dieter Thomas Heck nicht vorbei. Bedauerlicherweise waren die meist jungen Sängerinnen und Sänger damals noch dazu verurteilt, ihre Lieder in deutscher Sprache abzusingen. Entsprechend schwachsinnig fielen in der Regel die Texte aus, die sie zum Besten gaben. Menschen mit Feingefühl schreckten sie jedenfalls ab.

Zu den zahlreichen Auftretenden in dieser treudeutschen „Musikshow“ gehörte dem Vernehmen nach auch eine hübsche Blondine mit exotisch klingender Aussprache, Marion Rung.

Wer war oder ist Marion Rung?

Die Künstlerin kam am 7. Dezember des Jahres des Kriegsendes, 1945, in der finnischen Hauptstadt Helsinki zur Welt. Bereits ihre Mutter, Rosa Rung, Künstlername Rosie Andrews, war professionelle Sängerin der Unterhaltungsmusik des Landes mit der langen gemeinsamen Grenze mit der Sowjetunion gewesen. Wie bei den meisten finnischen Juden, so auch bei Rungs, kamen die Vorfahren aus dem zaristischen Russland.

Allerdings war Marion Rungs Muttersprache nicht das Finnische, oder gar Russische, sondern das Schwedische, daher trat sie auch zunächst in Sendungen des schwedischen Rundfunks und Fernsehens auf, bzw. spielte sie ihre ersten Schallplatten in schwedischer Sprache ein. Mehrere prominente finnische Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Johan Ludvig Runeberg, Edith Södergran, Märta Tikkanen, Zacharias Topelius und Tove Jansson waren übrigens auch Finnlandschweden.

Marion Rungs Karriere begann 1961 und ihre erste Single war „Brigitte Bardot“ mit der Rückseite „Mexico“. Ein Jahr später vertrat sie ihr Land, ebenso wie 1973 ein weiteres Mal, beim Internationalen Schlager-Contest der Eurovision. Sie kam immerhin auf einen 7., respektive 6. Platz. Den Internationalen Lieder-Grand-Prix im polnischen Zopot 1974 entschied sie mit „Where is the love“ für sich, ebenso den Intervisions Contest von 1980.

Marion Rungs erfolgreichste Hits wurden „Tipi-tii“, „El Bimbo“ sowie „Eviva Espanja“; sie sind, ebenso wie fast alle ihre Lieder, auf YouTube oder Spotify herunterlad- bzw. hörbar.

In den Jahren 1975 bis 1979 hielt sich die Sängerin in Deutschland auf, um daran anschließend in ihre Heimat zurückzukehren. 1978 nahm Marion Rung eine Langspielplatte auf, die in englischer Sprache gesungene Lieder enthielt.

In den 1970er und 1980ern war Marion Rung häufiger Gast finnischer Fernsehshows, jedoch seltener in den Charts der Musikbranche vertreten. Danach stellte sich eine ruhigere Phase für die Sängerin ein, die erst im Jahr 2000 wieder an alte Erfolge anknüpfen konnte:  Gemeinsam mit den Künstlerkolleginnen Katri Helena, Paula Koivuniemi und Lea Laven ging sie auf eine „Leidit lavalla“ getaufte Konzerttour, die großen Anklang fand.

2005 konnte Marion Rung ihr 45. Bühnenjubiläum im Savoy-Theater in Helsinki feiern und im gleichen Jahr veröffentlichte sie ihr CD-Album „Shalom, rakkaimmat lauluni“ (Schalom – meine Lieblingslieder), außerdem noch ihre Biografie „Minä ja Marion“ (Marion und ich).

Auch in einem Musical trat Marion Rung auf, und zwar in der finnischen Fassung von „Annie get yout gun“.

Unter den von ihr interpretierten Liedern finden sich auch Eigenkompositionen. Marion Rung sang in schwedischer, finnischer, deutscher, englischer, französischer, hebräischer und jiddischer Sprache.

Insgesamt kamen in den Jahren 1961-2015 fast 100 Singles und 24 Alben der Sängerin zusammen.

In der Liste der sich am besten verkaufenden Musikschaffenden Finnlands nimmt Marion Rung Platz 69 von 100 ein; im Verzeichnis weiblicher Soloentertainer in Finnland erreicht sie immerhin Rang 13 von 50 und steht damit noch vor Tina Turner, Whitney Houston, Barbra Streisand und Lady Gaga.

Die finnische Post ehrte Marion Rung 2007 mit der Herausgabe einer Briefmarke, die ihr Porträt präsentiert.

Die Sängerin brachte 1982 ihre Tochter Nina zur Welt und nennt sich heute nach der Heirat mit Kalle Munck – Marion Evi Munck.

Quellen: „Marion Rung“ (en.wiki, de.wiki, pt.wiki, pl.wiki, fr.wiki)

Bild oben: Marion Rung beim ESC 1962, Foto: Harry Pot / Anefo – http://proxy.handle.net/10648/a9fe0c8e-d0b4-102d-bcf8-003048976d84 – CCO