Zurück in die Vergangenheit

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Über den Geist der Demos gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie

Von Alexander Schneidmesser

Die Demos von Impfgegnern und Corona-Leugnern gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid19-Pandemie enthüllen wie sehr der Geist der späten Weimarer Zeit und des Nationalsozialismus auch im heutigen Deutschland immer noch prägend ist.

Seit meiner Jugend beschäftige ich mich mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte in Deutschland, Russland und Israels. Deutschland rühmt sich gerne seiner Aufklärung über den Holocaust. Es sieht sich geradezu als Vorbild für die selbstkritisches Vergangenheitsbewältigung einer Gesellschaft. Doch in der Corona-Pandemie wird deutlich, dass auch in der heutigen Bundesrepublik viele Vorstellung, welche die späte Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus prägten immer noch nicht überwunden sind.

Man sieht es anhand der Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.

Ganze Familien spazieren mit Verschwörungsmythologen, Rechtsradikalen, linken Esoterikern und sogenannte Friedensdenker, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt sehen in Reih und Glied. Wie vor 100 Jahren, mit Fackeln vor den Häusern demokratisch gewählter Politiker und Politikerinnen. Auf Demonstrationen und in den Chatgruppen sozialer Medien bedrohen sie Minister und Ministerinnen und deren Familien mit dem Tod

Diese Querfront, „besorgter Bürger“ hat viel mit der nationalsozialistischen Bewegung in der Weimarer Republik gemeinsam. Die Nationalsozialisten sind 1933 nicht wie Außerirdische in Berlin gelandet und 1945 weggeflogen, sondern wurden zu weiten Teilen auch von der gesellschaftlichen Mitte unterstützt.

Eine bedeutende Parallele zwischen den Gegner der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und den Nationalsozialisten, ist die Selbstviktimisierung welche die Anhänger beider Bewegungen charakterisiert. Seit der Gründung der NSPDAP versuchten die Nazis sich als Opfer zu präsentieren: zunächst der Franzosen, der Amerikaner und schließlich einer imaginierten jüdischen Weltverschwörung, die man meinet hinter dem sogenannten „Jüdischen Großkapitals“ oder auch dem vorgeblich  „Jüdischen Bolschewismus“ zu erkennen meinte Dabei war es die SA und später die SS, die schon früh die Innenstädte in Deutschland terrorisierte und Gewalt verbreiteten.

Auch 1943, in der Hochphase des von Deutschland begonnen Krieges und des von Deutschland begangenen Völkermordes an den Juden, stilisierte Propagandaminister Joseph Goebbels, die Deutschen, unter anderem in seiner Sportpalastrede, weiterhin zu Opfern.

Es ist somit mehr als zynisch, wenn heute auf den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, Demonstranten, neben Reichkriegsfahnen, mit Gelben Sternen auftreten und sich als Opfer einer Diktatur stilisieren, während sie Schilder mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ hochhalten.

Die Nazis propagierten die Idee, dass nur der „gestählte Körper“ vor Viren und Krankheiten schütze. In antisemitischen Karikaturen portraitierte die nationalsozialistische Zeitung „der Stürmer“ Impfungen als „Jüdische Medizin“ und Gegenbild zur deutschen Heilkunde.

Auch die Nähe zur Anthroposophie haben NSDAP-Anhänger und heutige Impfgegner gemeinsam. In seiner Theorie hat Rudolf Steiner, der Gründer der anthroposophischen Bewegung, rassistische und antisemitische Elemente vereinigt. Im Konzentrationslager Dachau wurde ein atrophischer Weleda-Kräutergarten durch KZ-Insassen angelegt und gepflegt.

Einer der größten Unterstützer der Anthroposophie in der NSDAP war Rudolph Hess, der Stellvertreter Adolf Hitlers in der NSDAP. Natürlich sind nicht alle Anhänger der Anthroposophie Nazis, weder in Deutschland, noch in Österreich oder sonst wo in der Welt.

Doch für Verschwörungsmythen von einer Kontrolle und Vergiftung der Bevölkerung durch Impfungen, sind sie aufgrund ihrer Überzeugung leicht empfänglich.

Daher überrascht die Radikalisierung von Impfgegnern und Protestlern gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid 19-Pandemie kaum. Im September 2021 gipfelte sie im Mord von Idar-Oberstein, bei dem ein Tankstellenangestellter von einem Kunden erschossen wurde, weil er ihm zum Tragen einer Schutzmaske aufgefordert hatte. Für Sicherheitskräfte, Politiker und Politikerinnen in Deutschland und Österreich sollte dieses Ereignis ein Weckruf sein.

Bild oben: Screenshot Twitter RIAS