Rechte(s) von A-Z

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Folge 6: F bis Fünften, Ferdinand aus der

Von Christian Niemeyer

Dieses Lexikon gibt Informationen in kompakter Form sowie weitergehende Literaturhinweise, basierend auf Forschungsliteratur sowie allgemein zugänglichen Nachschlagewerke, zumeist in Printversionen. Internetquellen, etwas das Belltower-Lexikon sowie Wikipedia, wurden konsultiert. Ersteres ist aber zu unspezifisch und im Übrigen schlecht aufgebaut und unvollständig. Letzteres ist zu spezifisch, mitunter unzuverlässig. Das Handbuch Rechtsradikalismus (2002) von Thomas Grumke & Bernd Wagner setzte in beiden Hinsichten neue Maßstäbe. Es hat nur einen Nachteil: es ist zu alt, im Vergleich zum im Folgenden dargebotenen Material (Redaktionsschluss: Juli 2021), das ab jetzt auf hagalil.com in mehreren Folgen erscheinen wird und dem Online-Anhang meines Schwarzbuch Neue / Alte Rechte (2021) entnommen wurde. Am Ende eines jedes Eintrags finden sich in eckigen Klammern in Fettdruck die Seitenzahlen, auf denen die jeweilige Person oder Sache in der Printversion erwähnt wird. Damit gewinnt dieses Lexikon den Charakter eines Sach- und Personenregisters im Blick auf jene Printversion. Literaturhinweise finden sich in jenem kostenlos auf der Homepage des Verlags Beltz Juventa (Weinheim) als Download verfügbaren Online-Material.

 

Fake News. Bewusst irreführende Meldungen, „zielen darauf ab, Menschen zu verwirren, zu manipulieren und zu desinformieren, ohne dass diese es merken.“ (Gensing 2019: 16) F. N.s wurden in der NS-Zeit unter dem Propagandachef Joseph Goebbels zum Mittel der Politik als Teil einer anderen vorgeworfenen, aber selbst praktizierten Lügenpresse erhoben, zunächst zur Rechtfertigung von Angriffskriegen (etwa gegen Polen, später gegen Russland), die mittels F. N.s als Präventivkriege gerechtfertigt werden konnten. Ähnlich funktionierte nach nine/eleven die vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush lancierte F. N. des Inhalts, es gäbe Fotobeweise für Kriegsvorbereitungen im Irak, die man durch einen Angriff einer ‚Koalition der Willigen‘ unterbinden müsse. Unter dem US-Präsidenten Donald Trump wurden F. N.s, die auch in totalitären politischen Systemen, etwa unter Wladimir Putin in Russland, gängig sind, zum extensiv genutzten Instrument einer zunehmend am Machiavellismus orientierten Politik (s. Prolog Nr. 13), was auch neu-rechten Trump-Anhängern aus Deutschland Auftrieb gab, F. N.s gezielt einzusetzen zwecks desinformierender, aber politische gewünschter Gerüchte etwa über Flüchtlinge und deren Protagonisten, wie exemplarisch vom Journalisten Udo Ulfkotte vorgemacht (s. Prolog Nr. 7) und begünstigt durch den Fall Relotius. (s. Prolog Nr. 8) Als wichtiges Instrument zur Entlarvung von F. N.s gilt der Faktenchek, wie ihn beispielsweise der Journalist Patrick Gensing seit 2017 in einem ARD-Projekt einsetzt. [39, 57 f., 63, 65 f., 70f., 81 f., 89, 95, 100, 121, 124, 126 f., 131 f., 153, 170, 172, 263, 412, 625. 674, 685, 722, 724, 775, 783]

Fallada, Hans (1893-1947), aus Greifswald. Eigentl. Rudolf Wilhelm Ditzen, früh Nietzscheverehrer, erfolgreicher Schriftsteller (s. Essay Nr. 2), aktuell wg. seiner Beziehung zur Neu-Rechts-Ikone Ernst von Salomon interessant für die Neue Rechte à la Erik Lehnert, mit wenig Rechtsgrund. (s. Essay Nr. 13.3.3) [187, 190-197, 292, 414, 417] 

Feil, Johann (von) (1896-1957), aus Leonfelden/Österreich-Ungarn. SS-Oberführer, Befehlsgeber für die Morde in der Pogromnacht am 9. November 1938 in Innsbruck. Als ein Opfer gilt Richard Berger, der Präs. der israelitischen Kulturgemeinde. Nach 1945 kam F., der niemals Reue zeigte, in englische Kriegsgefangenschaft, kam frei wg. Intervention der „Stillen Hilfe“, wurde mit der Hilfe von Alois Hudal nach Rom verbracht, entkam 1954 per Schiff nach Argentinien. 1956 an Lungenkrebs erkrankt, zurück n. Deutschland, betreut von Prinzessin Isenburg. (vgl. Steinacher 2008: 271; s. Essay Nr. 13.3.5) [453, 455]

Fenske, Hans (*1936), aus Geesthacht. Historiker. Emeritus in Freiburg i.Br., Geschichtsrevisionist mit Resonanz bei den Neuen Rechten und Beitrag zur Festschrift für Karlheinz Weißmann. (s. Essay Nr. 11) [143, 349, 352]

Fenske, Wolfgang (*1969), aus Berlin. Ev. Theologe, Leiter der Bibliothek des Konservativismus in Berlin. (vgl. Schudoma 2018: 135)

Fernau, Joachim (1909-1988), aus Bromberg. 1936 Olympiareporter, SS-Obersturmführer, ab 1942 Kriegsberichterstatter m. Durchhalteparolen. Nach 1945 Bestsellerautor, mit Deutschland, Deutschland über alles… (1952) neu-echtes Idol. (s. Essay Nr. 13.3.3) [398 f.] 

Finckh, Ludwig (1876-1964), aus Reutlingen. Studienfreund Hermann Hesses, Arzt, Lyriker und Sippenkundler, NS-Dichter, wichtiger Anhänger war Gotthold Wurster. (vgl. Harten/Neirich/Schwerendt 2006: 373)

Fischer, Franz (1901-1989), aus Bigge. Seit Nov. 1940 in Den Haag mit Judendeportationen beauftragt, galt als sadistischer Folterer, 1950 zum Tode verurteilt, 1951 lebenslänglich (Klee 2003: 152), einer der „Vier von Breda“, für deren Freilassung sich auch Alfred Dregger einsetzte. (s. Essay Nr. 13.3.5) [445]

Fischer, Fritz (1908-1999), aus Ludwigsstadt. Historiker, sein Buch Der Griff nach der Weltmacht (1961) betonte die Schuld des Kaiserreichs am Weltkrieg und steht seit Christopher Clark im Zentrum neu-rechter Debatten pro Clark, also pro Geschichtsrevisionismus. (s. Essay Nr. 11) [350-3551,2,3,4,5]

Fischer, Hermann (1896-1922), aus Florenz. Mörder Walther Rathenaus. (s. Essay Nr. 13.3) [411 f.]

Fischer, Karl (1881-1941), aus Berlin. Alt-rechter Begründer des Steglitzer Wandervogel. [360, 473, 568, 571, 617, 630]

Flex, Walter (1887-1917), aus Eisenach. Völkischer Schriftsteller u. Lyriker. NS-Ikone, nach dem viele Straßen benannt waren, nach 1945 oft rückgängig gemacht. [226 f., 504, 601]

Flitner, Wilhelm (1889-1990), aus Bad Berka. Führender geisteswissenschaftlicher Pädagoge, NSV, NS-Lehrerbund, 1933 Unterzeichner des Bekenntnisses dt. Professoren zu Hitler (Klee 2003: 156), mit großem Einfluss auf die Jugendbewegungshistoriographie, deren beschönigende Tendenzen er forcierte, etwa durch fragwürdige Editionen sowie durch die Unterstützung von Werner Kindt. (vgl. Niemeyer 2013: 108 ff.) [163, 170, 197, 229, 234, 288-291, 294, 306, 310, 364, 389, 642]

Flüchtlinge. Eine insbesondere durch die Kampagnen der AfD zugunsten des Lesart von F. als Invasoren inzwischen durchaus pejorative Vokabel („Die F. sind unser Unglück!“; s. Essay Nr. 3), mit Folgen, wie ein Facebook-Eintrag der AfD Solingen zeigt, in welchem F.e mit „Müll“ verglichen werden, „den man besser entsorge, statt darüber zu diskutieren, wie man den Gestank besser ertrage.“ (SZ 258. Jg., Nr. 189 v. 14. August 2020: 4) [199, 203, 280, 315, 511, 632, 683, 700]

Flügel, der. Gruppierung um die Erfurter Resolution 2015 innerhalb der AfD um Björn Höcke, die Ende April 2020 seitens der Partei, allerdings nur formell, aufgelöst wurde als Reaktion auf die BfV-Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“. [94, 539, 711, 771]

Förster, Bernhard (1843-1889), aus Delitzsch. Gymnasiallehrer, Wagnerianer, Ns. Schwager, berüchtigter Antisemit, der 1886 zusammen mit seiner Frau, Nietzsches Schwester, Deutschland verließ, um in Paraguay eine deutsch-völkische Kolonie zu gründen. [206, 272, 524, 571, 602, 663, 695, 743, 755]

Förster, Paul (1844-1925), aus Delitzsch. Bruder des Vorgenannten, Gymnasiallehrer in Berlin-Friedenau, sein Sohn Wilhelm wird 1902 im Scholarenbuch des Steglitzer Wandervogel als Nr. 30 verzeichnet. (vgl. Köhler 1987: 67) Der Vater war beim Alldeutschen Verband, wo er im Juni 1902 mit einer – in der Kindt-Edition nicht erwähnten – „Brandrede gegen die Juden“ hervortrat. (vgl. Gerber 1957: 83 f.; Mogge 2009: 101) 1904 ließ F. in Theodor Fritsch’ Hammer einen Aufruf zur Bildung eines ‚deutsch-völkischen Generalstabs‘ abdrucken. (vgl. Phelps 1961: 445) Bekannt wurde F. durch seine Streitschrift Deutsche Bildung, Deutscher Glaube, Deutsche Erziehung (1906), die fast alle Motive reformpädagogischer Schul- und Bildungskritik aufnahm sowie präfaschistisch instrumentalisierten Nietzsche-Versatzstücken einverleibte. (vgl. Mogge 2009: 101) [571, 743]

Förster-Nietzsche, Elisabeth (1846-1935), aus Röcken b. Leipzig. Nietzsches Schwester, mit dem berüchtigten Antisemiten Bernhard Förster verheiratet, spätestens ab Rathenau-Attentat 1922 rechtsradikal orientiert (s. Essay Nr. 13.3.3), verfälschte Briefe und Werkes ihres Bruders (vgl. Niemeyer 2009), auch im Blick auf seine auf Syphilis hinweisende Krankengeschichte (vgl. Nieemeyer 2021e) und trug damit entscheidend zu seiner Nazifizierung bei. (s. Essay Nr. 7) Ihr letztes Buch von 1935 dedizierte sie Hitler, der ihr ein Staatsbegräbnis spendierte, als Zeichen für die endgültige Nobilitierung Nietzsches als NS-Staatsphilosoph. (vgl. Niemeyer 2020: 113 ff.) [65, 84, 144, 165, 167, 170, 206-208, 218 f., 228 f., 249, 279, 284, 298, 304, 308, 353, 376, 379, 411-413, 522-524, 544, 548, 553, 556 f., 633, 642, 694, 730 f., 750, 752, 755, 773]

Frank, Anne (1929-1945) aus Frankfurt/M. Nur mit den Fällen Sophie Scholl und Edith Stein zu vergleichende Leidensgeschichte – kein Grund für Oliver Kirchner (AfD-Nr. 1 in Sachsen-Anhalt), sie nicht auf übelste Art („Frisch aus dem Ofen!“) zu verspotten. 1934 mit den Eltern vor NS-Judenverfolgung ausgew. in die Niederlande, lebte ab Juli 1942 mit ihrer Familie versteckt in Amsterdam, im August 1944 verraten, mit dem letzten Transport nach Auschwitz. Starb im März 1945, mutmaßlich an Fleckfieber. [445]

Frank, Hans (1900-1946), aus Karlsruhe. Jurist, Freikorps Epp, Thule-Gesellschaft, NSDAP 1923 (Wiedereintritt 1925, Austritt 1926, Wiedereintritt 1927, Hitler-Putsch 1923, MdR ab 1930, Reichsminister o. Geschäftsbereich ab 1934, Generalgouverneur Polens (ab 1939), als Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt. (vgl. Eberle/Uhl 2005: 549) Vom Sohn Niklas Frank unerbittlich kritisiert, zum Ärger von Michael Klonovsky (s. Prolog Nr. 11) [121, 123, 143, 152, 279, 436]

Frank, Niklas (*1939) aus München. Journalist. Mutmaßlich – er selbst zieht auch Carl Schmitt in Betracht – Sohn des Vorgenannten, der mit seinem Vater erbarmungslos abrechnet. Ein Thema nicht frei von Tragik. Kein Grund indes für Michael Klonovsky (AfD-MdB-Kandidat in Chemnitz), F. im Interesse Björn Höcke – dessen Rhetorik diesen an jene seines Vaters Hans Frank erinnert – auf übelste Art zu verspotten. (s. Prolog Nr. 11) [121, 123, 143]

Franz, Gerald. Lebensdaten unsicher, vermutlich Fake, hervorgetreten als neu-rechter Ideologe. (s. Essay Nr. 13.2.2) [316, 399-406, 430, 629]

Franz, Günther (1902-1992), aus Hamburg. F., Beiname „Bauern-Fr.“, Historiker mit Schwerpunkt Agrargeschichte, war im ‚Dritten Reich‘ Professor in Heidelberg (1935), Jena (1937) und Straßburg (1941-45), Mitglied von NSDAP und SA (1933) und ab 1937 SS-Rottenführer (später Untersturmführer) im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS. (vgl. Behringer 1999) Ab 1939 gehörte F. zum persönlichen Stab von Alfred Rosenberg (vgl. Klee 2005: 161). Nach dem Krieg stellte er jede Verstrickung in den Nationalsozialismus in Abrede und trug wesentlich bei zu einer beschönigenden Geschichtsschreibung der Jugendbewegung bei, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission für die Geschichte der Jugendbewegung, auch als Schriftleiter des Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung, nicht zuletzt als Mitherausgeber einschlägiger Schriftenreihen. Besonders ist F. anzulasten, dass er Werner Kindt weitgehend freie Hand ließ bei seiner den Zusammenhang von Nationalsozialismus und Jugendbewegung verharmlosenden, die Quellen verfälschenden Kindt-Edition. (vgl. Niemeyer 2013: 32 ff.; s. Essay Nr. 22.4) [151, 169, 172, 361, 473, 475, 495, 599, 611, 615, 618 f., 623 f., 628 f.]

Freiburg i. Br. Am 16. Oktober 2016 vergewaltigte und ermordete Hussein Khavari, ein Ende 2015 aus Afghanistan gekommener unbegleiteter Flüchtling, in F. die Studentin Maria Ladenburger. Der Täter, der gar nicht minderjährig war, wurde wg. Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung nach Erwachsenenstrafrecht zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Eltern Marias sahen sich wg. ihrer Bitte, aus dem schrecklichen Tod ihrer Tochter kein politisches Kapital zu schlagen, heftiger Kritiker aus AfD-nahen Kreisen ausgesetzt. Der Fall wurde insbesondere 2018 von AfD-Politikern und -Sympathisanten, darunter Maximilian Krah sowie Michael Klonovsky, zwecks Skandalisierung der Flüchtlingspolitik Merkels aufgegriffen. (s. Prolog Nr. 11) [101-103]

Frey, Gerhard (1933-2013), aus Cham in der Oberpfalz. Rechtsradikaler Politik und Verleger, ab 1959 Herausgeber der Deutschen National Zeitung. Begründer u. Bundesvorsitzender (1971 bis 2009) der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU), 1975 NPD (bis 1979), 1987 DVU auch als Partei, Einzug in einzelne Landesparlamente, 2004 Deutschlandpakt mit NPD, enge Verbindung mit CSU-Politikern wie Alfred Seidl und Theodor Maunz, 1975 Übernahme einer Geldstrafe für Karl-Heinz Hoffmann, nachfolgend Bagatellisierung derselben sowie seiner Wehrportgruppe (vgl. Fromm 1998: 120 f.), mit Vorbildwirkung offenbar auf Franz-Josef Strauß, 1978 gemeinsame Veranstaltung mit Wilfried von Owen, 1982 mit David Irving (vgl. Grumke / Wagner 2002: 257; s. Essay Nr. 13.3.5) [161, 452]

Friedrich, Jörg (*1944), aus Kitzbühel/A. Publizist, Sachbuchautor, mit sehr wichtigen Büchern zur Aufarbeitung der NS-Zeit (etwa Die kalte Amnestie [1984]), nachfolgende Rechtswende, zum Ausdruck gelangend in Der Brand (2002), für Christian Vollradt Ausdruck einen „neuen Unbefangenheit“ mit der darin zum Ausdruck kommenden Lesart der Bombenangriffe als „Kriegsverbrechen“ (zit. n. Kern 2003: 48), für Karlheinz Weißmann ein „Schlüsselwerk“ der Neuen Rechten aus der Feder eines Autoren, der als einer ihrer „Vordenker“ in Betracht kommt. [145, 445, 483, 540]

Fritsch, Theodor (1851-1933), aus Wiesenena. F., Pseud.: Thomas Frey, E. Roderich-Stoltheim, dt. Verleger (in Leipzig) und Schriftsteller, Mitbegründer und Reichstagsabgeordneter der Deutschvölkischen Freiheitspartei, war der „wichtigste deutsche Antisemit vor Hitler“ (Phelps 1961: 443), und, selbst nach neu-rechter Lesart, „wohl der wirksamste aller Völkischen.“ (Mohler 41994: 356; Mohler/Weißmann 62005: 411) F. erwarb sich diesen fragwürdigen Ruhm durch die von ihm herausgegebene und verlegte Antisemitische Korrespondenz, die Begründung der Hammer-Bewegung, die gleichnamige Zeitschrift sowie die Herausgabe des Antisemiten-Katechismus, der unter dem Titel Handbuch der Judenfrage vierzig Auflagen erleben sollte (vgl. Schüler 1971: 106). Hitlers Freund und Mentor Dietrich Eckart rühmte diesem Elaborat nach, es offeriere „eigentlich unser ganzes Rüstzeug.“ (zit. n. Maser 1981: 96), ähnlich äußerte sich Hitler 1930 in einem Brief an F., in dem davon die Rede ist, den Boden bereitet zu haben „für die nationalsozialistische antisemitische Bewegung“ (zit. n. Ferrari-Zumbini 2003: 321). Auch Goebbels feierte F., der sich unter Pseudonym auch an der Hetze gegen den 1924 einem Attentat zum Opfer gefallenen (jüdischen) Reichsaußenminister Walther Rathenau beteiligt hatte (vgl. Roderich-Stoltheim 1921), als „hochverdienten Vorkämpfer unserer völkischen Wiedergeburt“, mit dem Effekt, dass F. – etwa in Gestalt eines Denkmals in Berlin-Zehlendorf – „in den folgenden Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zunehmend zur antisemitischen Ikone stilisiert [wurde].“ (Puschner 2001: 57) Des Weiteren gewann F., der sich das (zweifelhafte) Verdienst zurechnete, den sich als Nietzscheverehrer missverstehenden ‚Rembrandtdeutschen‘ Julius Langbehn zum Antisemitismus bekehrt zu haben (vgl. Fritsch 1910: 78), erheblichen Einfluss auf die Jugendbewegung. So legte er in den 1890er Jahren in Anknüpfung an die von Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche sowie deren Mann Bernhard Förster initiierte Kolonie Nueva Germania in Paraguay (un-)geistige Grundlagen legte für die völkische Siedlungs- und Lebensreformbewegung der Vorkriegszeit (vgl. Puschner 2001: 196). Auch mit seinem Antisemitismus suchte F. schon im Vorfeld des Meißnerfestes 1913 Einfluss auf die Jugendbewegung zu nehmen, hielt die Zeit für gekommen, auf Paul Lagarde zu rekurrieren, und zwar ganz im Gegensatz zu Nietzsche, den er dem Publikum als „undeutsche Natur“ und „frechen Polen“ (F. 1911: 115) vorstellte, als Rache für dessen Weigerung von 1887, für F.s Antisemitische Correspondenz zu schreiben. Nietzsches Schwester hat diese Absage ihres Bruders über Jahrzehnte hinweg unterschlagen, mit fatalen Folgen für die Nietzsche-Rezeption in der NS-Zeit sowie darüber hinaus. So entstand beispielweise der Eindruck (vgl. Niemeyer 2019: 249 ff.), Nietzsche stünde F. mit Wohlwollen gegenüber. Das Gegenteil ist der Fall, was die durchaus vergleichbare Chuzpe des neu-rechten Ideologen Karlheinz Weißmann noch bedenklicher macht. Angesichts dieser Vita und der Prominenz des Antisemitismus im Ideenhaushalt der Neuen Rechten ist das verbreitete Schweigen über F. in diesem Lager durchaus auffällig. Man möchte offenbar nicht mit einem derart ‚bösen Buben‘ wie F. in Verbindung gebracht werden, was erklären könnte, dass Armin Mohler Zeit fand für seinen Tadel an F.s Hammer wg. „Aggressivität“ und „starr durchgehaltenen Verschwörungstheorien“ (M: 287) – ein Tadel, den Mohlers Nachfolger Weißmann beibehielt (vgl. M/W: 339), anders als Mohlers Bemerkung, F. „warte noch auf seinen Historiker“ (M 1994: 287) – eine Bemerkung, die Weißmann strich, allerdings zusammen mit jenen bei ihm bis ins Jahre 2004 (vgl. M/W: 411) reichenden Literaturnachträgen (etwa Niemeyer 2003), ohne deren Kenntnis jedenfalls keine kritische Historie F.s gelingen kann. [194 f., 233 f., 260 f., 267 f., 272, 280, 288, 291 f., 296, 308 f., 409, 524, 544, 547, 552 f., 557, 567, 602, 694 f., 696]

Fritzsche, Hans (1891-1942). Ringpfadfinder, vom daraufhin von Jugendbewegungsveteranen als „Brunnenvergifter“ beschimpften Jugendbewegungshistoriographen Arno Klönne verwechselt mit dem namensgleichen [61 f., 741 f.]:

Fritzsche, Hans (1900-1953), aus Bochum. Burschenschaftler, DNVP, 1933 NSDAP, und Goebbels’ Lautsprecher („Hier spricht Hans Fritzsche“), im Hauptkriegsverbrecherprozess nach Distanzierung freigesprochen, im Spruchkammerverfahren zu neun Jahren Arbeitslager verurteilt, 1950 entlassen. (vgl. Eberle/Uhl 2005: 552; Niemeyer 2013: 25; s. Glosse Nr. 20) [741 f.]

Frohnmaier, Markus (*1991), aus Craiova/Rum. Gründete 2014 die Jugendorganisation der AfD („Junge Alternative“) und trägt dort den Spitznamen „Frontmaier“, nicht zu Unrecht, wie 2016 seine Bildmontage mit Claudia Roth mit Anspielung auf einen Vergewaltigungswunsch ad Kölner Sylvesternacht („Ach wäre ich Neujahr nur nach Köln gefahren“) deutlich machte. F. ist Sprecher von Alice Weidel, seit 2017 AfD-MdB mit (zwischenzeitlich) rechtsextremistischem Mitarbeiter (Manuel Ochsenreiter),  Zustimmung zur Annexion der Krim, Bashing auch des „Homo-Aktivisten“ Volker Beck, dem F. „einen Urlaub in Moskau“ wünschte, Kontakte zu Alexander Dugin), Hinweise (etwa ein Tattoo sowie der Name Cornel Frohnmaier als Ansprechpartner) deuten auf Verbindungen zur „German Defense League“ hin, „einer rechtsextremen, islamfeindlichen Vereinigung.“ (Bensmann/Hauptmeier/Röttger 2017: 116) „Keine Glückwunsche für den globalistischen Wahlbetrüger Joe Biden“ (SP v. 10.11.2020, 10.19) meldete F., aus BfV-Perspektive wohl künftig einer der entscheidenden Sargnägel der AfD, nach den US-Wahlen, gegen Alexander Gauland und Alice Weidel, aber konform mit dem Donald-Trump-Fan Michael Klonovsky. [89, 128, 145]

Fuchs, Franz (1949-2000) aus Gralla/A. Rechtsterrorist, Suizidversuch 1976, nach Scheitern im Beruf und Kündigung nach elf Jahren Rückkehr ins Elternhaus, allmähliche Radikalisierung mit der Folge, dass F., wohl als Einzeltäter, zwischen 1993 und 1997 bei Bombenanschlägen auf Migranten, Sinti u. Roma vier Menschen tötete und 15 verletzte. Im März 1999 verurteilt zu einer Freiheitsstrafe auf Lebensdauer bei gleichzeitiger Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Am 26. Februar 2000 Suizid.  

Fünften, Ferdinand aus der (1909-1989), aus Mühlheim. Im Krieg in Amsterdam für Judendeportationen verantwortlich, 1950 zum Tode verurteilt, 1951 lebenslänglich (vgl. Klee 2003: 171), einer der „Vier von Breda“, für deren Freilassung sich auch Alfred Dregger einsetzte. (s. Essay Nr. 13) [445]

 

[Zum Autor: Christian Niemeyer, Prof. (i.R.) für Sozialpädagogik an der TU Dresden. Zum Text: Dieses Lexikon wurde, wie die noch ausstehenden Folgen, wurde dem Online-Material (S. 21-106) meines Schwarzbuch Neue / Alte Rechte. Glossen, Essays, Lexikon (= Bildung nach Auschwitz 1). Mit Online-Materialien. Weinheim Basel 2021 entnommen. Der Wiederabdruck erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Beltz Juventa.]

Bild: V.l. Ludwig Finckh, Walter Flex und Bernhard Förster