Paraschat haSchawua: Pinchas

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Wörtliches Zitat aus dem 4. Moses, Kap. 27, Vers 12: Und der HERR sprach zu Mose: Steig auf dies Gebirge Avarim und sieh auf das Land, das ich den Israeliten geben werde. „Moment, Moment“, möchte man sofort aufrufen. Was soll das bedeuten?

Pinchas Numeri, K. 25, 10 – 29 Schabbat, 3. Juli 2021

Vierzig Jahre hat sich Moses mit dem störrischen Volk, den ungezogenen und undankbaren Israeliten herumgeärgert und geplagt, um sie in das verheißene Land zu bringen, und nun soll er es sich lediglich aus der Ferne ansehen? Es war nicht lediglich eine praktisch Aufgabe, das Volk so weit zu bringen, sondern auch sein Begehren. Und jetzt, vor den Toren angekommen, vor dem Einmarsch in das gelobte Land, soll er es nur erblicken und gleich sterben?

Vierzig Jahre durch die Wüste zu wandern und ein Volk zu führen, das wahrlich auch unter normalen Bedingungen nicht einfach zu leiten war, das ist doch Strafe genug, selbst wenn man nicht all die Schwierigkeiten aufzählt, die diese Masse von ehemaligen Sklaven fast täglich verursachte. Selbst Gott hatte ab und zu genug und wollte das Volk auslöschen. Nur die heftige Verteidigung durch Moses hat Gott davor bewahrt, zum äußersten Mittel zu greifen und das Volk fallen zu lassen.

Und welch eine dürftige Begründung für diese immense Strafe, mit der Moses bestraft wird! Es heißt: „Weil ihr meinem Wort ungehorsam gewesen seid in der Wüste Zin, als die Gemeinde haderte und ihr mich vor ihnen heiligen solltet durch das Wasser.“

Was war dieser Ungehorsam? Zweimal hat das ungeduldige Volk wegen Wassermangel aufbegehrt. Es hat Moses beschuldigt, es in die Wüste gebracht zu haben, um es dort verdursten zu lassen. Wäre es bloß in Ägypten bei den „Fleischtöpfen“ geblieben (so die Nörgler) und hätte nicht auf Moses gehört, um in ein unbekanntes Irgendwo geführt zu werden. Als Moses sich an Gott um Abhilfe wandte, wies ihn Gott an, mit seinem Stab auf einen Felsen zu schlagen, und der Felsen begann Wasser zu sprudeln. Gegen Ende der Wüstenwanderung kam es zu einer ähnlichen Situation. Diesmal sagte Gott Moses, er solle zum Felsen reden. Moses hat es durcheinandergebracht, und anstelle zum Felsen zu sprechen, hat er wieder (wie beim ersten Mal) mit seinem Stab dagegen geschlagen.

Damit soll Moses dem Volk angeblich gezeigt haben, dass nicht Gott für das Hervorbringen des Wassers verantwortlich war, sondern Moses soll es aus eigener Kraft hervorgezaubert haben. Man könnte es sogar noch extremer formulieren: Dadurch könnte das Volk angeblich vom Glauben an Gott Jahwe abkommen. Das soll die „große Sünde“ von Moses gewesen sein, die diese harte Strafe rechtfertigte. Wahrlich eine Tragödie, wie sie Shakespeare nicht besser hätte erdenken können, bloß dass anstelle des unabänderlichen Schicksals hier Gott für den tragischen Ausgang des Dramas verantwortlich ist. Wobei im Gegensatz zum Schicksal Gott hingegen seine Meinung bekanntlich ändern kann.

Gott kann man nicht kritisieren. Jedoch sein Missfallen kann man schon in einer verdeckten und scheinbar naiven Form zum Ausdruck bringen. Das tun die Gelehrten, wie wir wissen, mit Hilfe des Midrasch. In der Tora heißt es im Text weiter, dass Moses zu Gott sagt, „ER möge einen Mann setzen über die Gemeinde, der vor ihnen her aus und ein geht und sie aus und ein führt“. Diese Worte nutzt der Midrasch für ein Gleichnis: Ein König wollte eine Frau aus einem unteren Stand heiraten. Sie verweigerte sich jedoch. Da niemand sie überreden konnte, hat er sie abholen lassen und sie gegen ihren Willen geehelicht. Nach einigen Jahren wollte er eine andere Frau haben und hat sich von seiner gegenwärtigen scheiden lassen. Da sagte sie ihm: Ich wollte dich nicht heiraten, da Du aber jetzt eine andere nimmst, so tue ihr nicht das an, was Du mit mir gemacht hast.

Das wollte Moses auch zu Gott sagen: Ich wollte die Führung des Volkes nicht übernehmen, aber Du hast sie mir aufgezwungen. Nun, wenn Du einen anderen Menschen mit dieser Aufgabe betraust, mach mit ihm nicht das Gleiche, was Du mit mir gemacht hast. Er soll sie ausführen und auch einführen in das gelobte Land.

Schabbat Schalom

Dr. Gabriel Miller absolvierte umfangreiche rabbinische und juristischen Studien, war Leiter der Forschungsstelle für jüdisches Recht an der Universität zu Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft. Außerdem gibt er die bei den Lesern von haGalil längst gut bekannte Website juedisches-recht.de heraus.

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