Ein Denkmal in Wort und Bild

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Die Synagoge in Schopfloch (Mittelfranken) wurde in der Pogromnacht angezündet und später abgebrochen. Repro: nurinst-archiv

Nach knapp zwei Jahrzehnten ging kürzlich ein breit angelegtes Forschungsprojekt zu Ende. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: auf 4.100 Seiten, in fünf großformatigen Bänden, wird die Geschichte von über 200 ehemaligen jüdischen Gemeinden in Bayern detailliert dokumentiert.

Die Initialzündung dazu gab der 1926 in Nürnberg geborene Werner Schwarz. 1939 konnte sich der damals 13-Jährige nach Palästina retten – die Eltern und sein Bruder wurden Opfer der Shoa. Als er 1988 beruflich nach Deutschland reiste, besuchte er auch seine Geburtsstadt. „Mein erster Weg führte mich zum Platz unserer ehemaligen Synagoge“, schreibt Schwarz, der in Israel den Vornamen Meier angenommen hat. Doch nichts, kein Gedenkstein, nicht einmal eine Plakette erinnerte an das in der Pogromnacht zerstörte jüdische Gotteshaus der orthodoxen Gemeinde Adas Israel. „Nach dieser Erfahrung wusste ich, was meine Aufgabe für die nächsten Jahre sein würde: die vergessenen Synagogen zu suchen.“

Nachdem die evangelische Kirche und der Freistaat Bayern als Finanziers gewonnen werden konnten, startete das Projekt 2002. Es sollten alle Synagogen und ihre Gemeinden, die sich 1930 auf dem Gebiet des heutigen Bayern befunden haben, erfasst und dokumentiert werden. Ursprünglich war dafür ein Zeitraum von etwa drei Jahren geplant, um die Recherchen durchzuführen sowie anschließend die Ergebnisse zu veröffentlichen. Aufgrund der Fülle des Materials stellte sich jedoch bald heraus, dass dies weder zeitlich noch personell umzusetzen war.

Denn der 2007 publizierte erste Band für die Bezirke Schwaben, Oberfranken, Oberpfalz, Nieder- und Oberbayern umfasste schon 560 Seiten. Es folgten 2010 Mittelfranken mit 816 Seiten und der erste Teilband für Unterfranken mit 882 Seiten im Jahr 2015. Der kürzlich erschienene Abschlussband für Unterfranken musste aufgrund des Umfangs von 1784 Seiten in zwei Bücher aufgeteilt werden – da sich allein in diesem Bezirk 115 jüdische Gemeinden befanden.

Die Edition „Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern“ beschreibt umfassend die Gemeindestrukturen, dokumentiert die Synagogen, Ritualbäder, Schulen und Friedhöfe und erzählt von Rabbinern und Lehrern. Das Nachschlagewerk gibt Einblick in das religiöse Leben der jüdischen Gemeinschaften, die teilweise über Jahrhunderte in Bayern verwurzelt waren, berichtet von Verfolgung und Vernichtung sowie dem schwierigen jüdischen Neuanfang nach 1945.

Die für dieses Mammutprojekt vom Freistaat Bayern und der Evangelischen Kirche bereitgestellten 1,8 Millionen waren gut angelegt– eine sinnvolle und preiswerte Investition für knapp 20 Jahre intensive Forschungsarbeit. Die fünf reichbebilderten Bände sollten in keiner bayerischen Bibliothek, Schul- oder Stadtbücherei fehlen. Leider ist der erste Band bereits vergriffen, die restlichen vier sind jedoch als Gesamtpaket für 175,00 € über den Verlag zu beziehen. – (jgt)

Wolfgang Kraus u. a. (Hg.), Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Band 3.2.1/2.2, zwei Halbbände im Schuber, Lindenberg 2021, 1784 Seiten, 98,00 €, Bestellen?

Bild oben: Die Synagoge in Schopfloch (Mittelfranken) wurde in der Pogromnacht angezündet und später abgebrochen. Repro: nurinst-archiv