Bitte anfassen! Ein Museum ohne Berührungsängste

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Kind mit Eisbär auf der Arche. Foto: Yves Sucksdorff. Jüdisches Museum Berlin.

Am 27. Juni 2021 eröffnet ANOHA, die Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin. Das Kindermuseum lädt Kinder im Kita- und Grundschulalter zum Entdecken, Ausprobieren und Spielen ein. ANOHA ist innerhalb der ehemaligen Blumengroßmarkthalle gegenüber dem Hauptgebäude neu erbaut worden und umfasst 2.700 Quadratmeter.

ANOHA nimmt die Erzählung der Arche Noah aus der Tora als Ausgangspunkt für eine Reise in die Zukunft. Im Zentrum der Kinderwelt stehen eine riesige Arche aus Holz, 150 verschiedene Tierskulpturen – und die Kinder selbst. Sie sind eingeladen, an Bord zu gehen und mit ihrer Fantasie die Geschichte der Arche Noah neu lebendig werden zu lassen. Wie wollen wir gemeinsam auf dieser Erde leben? Wie kann ein respektvolles Miteinander von Mensch, Tier und Natur gelingen? ANOHA ermutigt Kinder, eigene Visionen zu entwickeln – inspiriert vom jüdischen Konzept „Tikkun Olam“, das jeden Einzelnen auffordert, die Welt ein Stück besser zu machen.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat das Kindermuseum aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. „In der Kinderwelt ANOHA erleben die jungen Gäste einen wahren Spielplatz des Miteinanders. Sie gehen dabei in eine Schule der Toleranz und der Verständigung. ANOHA steht beispielhaft für eine zeitgemäße Vermittlungsarbeit, die einen niedrigschwelligen Zugang zu historisch-kultureller Bildung ermöglicht. Dabei geht es nicht nur um reines Wissen, sondern vor allem auch um Herzensbildung“, sagte Staatsministerin Prof. Monika Grütters bei der Pressekonferenz.

Kinder als Hauptdarsteller

Das Jüdische Museum Berlin hat für ein kulturhistorisches Museum ein ungewöhnlich junges Publikum: Von fünf Besuchern ist einer unter 20 Jahre alt. Die Dauer- und Wechselausstellungen richten sich aber in erster Linie an Jugendliche und Erwachsene. Hetty Berg, die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, freut sich darüber, dass das Museum nun auch ausdrücklich Kindern und Familien ein Angebot macht: „Die Kinderwelt soll ein Ort der Begegnung von Generationen, Religionen und Kulturen sein, für Menschen aus Kreuzberg, Berlin und darüber hinaus. Mit der Eröffnung von ANOHA bieten wir nun auch für die Jüngsten einen neuen Spiel- und Lernort und vernetzen uns zugleich noch stärker in unserem Kiez. Hier kann man auf spielerische Art miteinander ins Gespräch kommen über Fragen, die alle angehen.“

Dr. Ane Kleine-Engel, die Leiterin der Kinderwelt ANOHA des Jüdischen Museums Berlin, hebt das innovative Vermittlungskonzept hervor: „ANOHA, das ist ein Haus für eine Geschichte – die Geschichte der Arche Noah. Wir laden Kinder ein, sie in ihre eigene Lebenswelt zu übersetzen und weiterzuentwickeln. Sie sind die Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller und gestalten aktiv mit.“

Auf eigene Faust erkunden, Fragen stellen – bei Bedarf mit pädagogischer Unterstützung

Die jungen Besucherinnen und Besucher erkunden die Ausstellung auf eigene Faust. Dabei stehen ihnen an verschiedenen Stationen pädagogisch geschulte Vermittlerinnen und Vermittler zur Seite. Sie erzählen die Geschichte der Arche Noah und überlegen mit den Kindern und ihren Familien gemeinsam, warum es so ist oder was anders hätte geschehen können. Sie stellen und beantworten Fragen über Gott und die Welt, über Natur- und Umweltschutz, sprechen mit den Besucherinnen und Besuchern über ein gutes Zusammenleben und laden sie ein, selbst aktiv zu werden: Wer will, kann ein eigenes Schiff bauen, es in einer Wasserstrecke – dem Sintflut-Simulator – fahren lassen und testen, ob es einer Flutwelle standhält. An anderer Stelle können die Tiere „gefüttert“ und an Bord der Arche gebracht werden. Und überall lassen sich Fragen stellen – je mehr desto besser: Was hat das Einhorn mit der Arche zu tun? Warum friert das Mammut nicht? Was macht der Eisbär, wenn das Eis schmilzt?

Die 150 großen und kleinen Tierskulpturen, zu denen auch vielleicht weniger vertraute wie Nacktmull oder Kakerlake zählen, machen neugierig, schon weil sie so ungewöhnlich aussehen: Sie bestehen aus Feuerwehrschläuchen, Stehlampen, Würfelbechern, Fußbällen und anderen recycelten Gebrauchsgegenständen und wurden alle von Künstlerinnen und Künstlern entworfen. Spielerisch vermitteln die Tiere unterschiedliche Themen. Zum Beispiel laden Fuchs, Spinne oder Eselin in die Sagen- und Fabelwelt ein, Eisbär und Orang-Utan machen auf bedrohte Arten aufmerksam und manche Tiere fordern dazu auf, die Welt aus ihrer Perspektive zu erleben.

Bitte anfassen! Ein Museum ohne Berührungsängste

An erster Stelle steht der Spaß: Kinder können durch die Anakonda kriechen, die größte Schlange der Welt, oder auf sie klettern, auf den Elefanten steigen und es sich mit dem Faultier gemütlich machen. Anders als ein Museum für Erwachsene hat ANOHA keine Vitrinen und Absperrungen – dafür Werkbänke, Rutsch- und Kletterbahnen. Alles kann nach dem Prinzip „Hands-On – Minds-On“ von ganz nah erkundet und greifbar werden. Herzstück der Kinderwelt, die vom amerikanischen Büro Olson Kundig Architecture and Design entworfen wurde, ist eine sieben Meter hohe Holzkonstruktion mit einem Durchmesser von 28 Metern. Der ringförmige Bau ist von der über 4.000 Jahre alten mesopotamischen Geschichte der Arche inspiriert und mutet gleichzeitig wie ein Raumschiff an. So verbindet er Vergangenes und Zukünftiges und regt dazu an, darüber nachzudenken, wie das Leben in der Zukunft aussehen könnte.

Ein Kinderbeirat für ANOHA

Am Entstehungsprozess des neuen Museums waren Kinder von Beginn an beteiligt: Ein Kinderbeirat, der sich jedes Schuljahr neu aus 20 Kindern von sechs Berliner Grundschulen im Alter von sechs bis zwölf Jahren zusammensetzt, tagte seit dem Schuljahr 2017/2018 regelmäßig im Jüdischen Museum Berlin. Die jungen Mitglieder sind Ko-Kuratorinnen und Kuratoren einzelner Ausstellungsbereiche und testen geplante Installationen. In ganztägigen Workshops hatten sie die Möglichkeit, ihre Wünsche und Ideen zu entwickeln und einzubringen. So wurden sie beispielsweise zum Namen der Kinderwelt befragt und haben über einzelne Elemente der Ausstellung abgestimmt.

ANOHA, die Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin, ist inspiriert von der wegweisenden Vision von Noah’s Ark at the Skirball Cultural Center in Los Angeles, die die Bedeutung von Diversität, Zusammenarbeit und einer zweiten Chance vermittelt. Entsprechend möchte ANOHA den jüngsten Museumsgästen das Gefühl geben, dass die Welt voller Möglichkeiten steckt.

Bild oben: Kind mit Eisbär auf der Arche. Foto: Yves Sucksdorff. Jüdisches Museum Berlin.

Die ANOHA Website mit weiteren Informationen zum Kindermuseum: https://www.jmberlin.de/ANOHA