Der Essayist und gelegentliche Kritiker der New York Times, Thomas Chatterton Williams, ist einer der führenden amerikanischen Intellektuellen. Sein letztes Buch „Selbstporträt in Schwarz und Weiss“ [Self-portrait in Black and White: Unlearning the Idea of Race] wurde soeben in Berlin publiziert…
Von Karl Pfeifer
Das 183 Seiten umfassende Buch ist nicht nur eine spannende Autobiographie, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der cancel culture, die sich auch in Europa ausbreitet. Diese geht einher mit den technologischen Veränderungen, die von sozialen Medien erzwungen werden. Wir führen unser Leben nun im Angesicht des Urteils der anderen, im Panoptikum der sozialen Medien. Unsere Neigungen zur Ausgrenzung, zum Sündenbock und zur öffentlichen Beschämung sind nicht wirklich neu, aber sie sind heute zweifelsohne überhöht und auf alle Facetten unseres Daseins ausgedehnt.
Zusammen mit Salman Rushdie, Gloria Steinem, Mark Lilla, Kamel Daoud und 150 führenden Schriftstellern und Journalisten steht Chatterton Williams hinter einem Aufruf zur Wachsamkeit in diesen Fragen. Die Reaktion auf den Brief hat offensichtlich weltweit einen Ton angeschlagen, den keiner der Unterzeichner vorhersehen konnte. Kritiker des Briefes haben gesagt, dass er über ein Problem spricht, das kein Problem ist, das nicht existiert. Es ist klar, dass Viele ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben, die sie zu der Annahme führen, dass es ein Klima der zunehmenden Zensur und Intoleranz gibt. Und all dies macht sie eindeutig ängstlich. Sie haben existentielle Ängste, sich kontroversiell zu äußern. Darauf reagieren die Befürworter einer gewissen Form der Zensur, indem sie das Argument von vornherein abtun. Es ist leicht zu erkennen, warum: aber ihre Seite gewinnt an Boden, sie hat immer mehr Macht und sie wollen nicht, dass es aufhört.
Chatterton Williams lehnt biologische Gewissheit ab, die, kurz gesagt, besagt, dass Schwarzsein notwendigerweise anders ist als andere Formen des Menschseins. Für ihn ist das eher eine Frage der kulturellen Tradition. Es ist ein Erbe. Es ist Liebe zu seinem schwarzem Vater und der Welt, die er verkörpert. Einige der größten künstlerischen Werke, die in den Vereinigten Staaten entstanden sind gehören zu dieser Welt. Er weist auch mit Recht darauf hin, dass viele Juden in seinem Umfeld argumentieren, dass ihre Identität nicht rassisch, sondern eher ethnisch und kulturell ist. Es ist eine Tradition.
Es sind spannende Memoiren eines universalistischen Aufklärers, die zum Mitdenken anregen.
Thomas Chatterton Williams: Selbstporträt in Schwarz und Weiss/Unlearning Race, Verlag Klaus Bittermann, 184 S., Euro 24,00, Bestellen?