Der Herzschlag der Dichtung

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Zu Myanmar

 

Der Herzschlag der Dichtung

Von Miriam N. Reinhard

 

Der Dichter Khet Thi bemerkte
dass die Militärs in Myanmar
die in die Köpfe der Menschen schießen
nicht wissen
dass die Revolution
die sie treffen wollen
in den Herzen der Menschen wohnt  

Sie ermordeten ihn. Sie entnahmen ihm seine Organe. Sie brachten seiner Frau einen geplünderten Körper zurück.

Doch sie wissen auch jetzt nicht
wo dieses Herz sitzt
das sie so fürchten
Sie ahnen noch immer nicht
welche Beziehung
Dichtung und Revolution unterhalten  
denn sie verstehen kein Wort
das vor jedem Befehl
allen Befehlen entkam 

Es sind immer die Worte
die am Nebenschauplatz
den König bejubeln
wenn ein System längst zerfiel
das dem erhobenen Zeichen
die Bedeutung verleiht
Es sind immer die Worte
die den Ratresistenten raten
aus Effizienzgründen das Volk
neu zu wählen
weil es nirgends das Volk gibt
das Herrschaft selbstherrlich berechnet  
Es sind immer die Worte
die müssen vor Hoffnung ver-rückt sein
und sie bleiben
dort obdachlos wohnen
an grenzlosen Orten
an die sie sich listig versprechen

Sie können nicht hören
dass Khet This Worte
den Herzschlag der Revolution
schon immer bewahrten
Lange bevor er sie sprach
wohnten schon immer
in allen Archiven
die Dichter Myanmars
die sie heute ermorden

 

Foto: Demonstranten prangern den Militärputsch in Myanmar an, 9.2.2021