Vom 1. bis 15. März 2021…
Mo., 1. Mär · 09:25-10:10 · HR
Tödlicher Hass – Der Mordfall Walter Lübcke
Der Schuss fiel aus nächster Nähe. Auf der Terrasse seines Wohnhauses wird der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke in der Nacht zum 2. Juni 2019 getötet. Vor Gericht wird demnächst die Tat verhandelt, aber es geht um mehr. Die Recherchen zu diesem Film zeigen, der Hauptverdächtige Stephan E. und sein mutmaßlicher Komplize Markus H. waren fest mit der rechtsextremen Szene verbunden. Die Dokumentation “ Tödlicher Hass – Der Mordfall Walter Lübcke“ leuchtet die Vorgeschichte der Tat und die Reaktionen darauf aus. Sie gibt Einblick in die Biografie des Hauptverdächtigen, stellt drängende Fragen: Warum war der mutmaßliche Täter vom Radar der Verfassungsschützer verschwunden, während er offensichtlich Teil der extrem radikalen Kasseler Neonaziszene war? Wie sehr steht der Mord am Politiker Walter Lübcke für eine Stimmung in der Gesellschaft, in der Hemmschwellen sinken und zunehmend rote Linien überschritten werden? Der Film spürt der Frage nach, wie der mutmaßliche Lübcke-Mörder, aber auch die Täter von Halle und Hanau sich ermutigt fühlen konnten von rechten Netzwerkern, die ihre Verschwörungstheorien von der Bedrohung der „weißen Rasse“ verbreiten und vor „Umvolkung“ warnen. Das Netz dient ihnen als Resonanzraum für Hass und Hetze. Den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke brandmarkten Neonazis und Rechtspopulisten dort als „Volksverräter“. „Die Bedrohung von rechts ist nicht neu, sie hat sich allerdings verändert“, so beschreibt BKA-Präsident Münch die Sicht der Ermittler auf die Eskalation rechter, rassistischer Gewalttaten. Die rechte Szene finde heute Akzeptanz und Anknüpfungspunkte bis in die Mitte der Gesellschaft. Der Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke wird vor Gericht verhandelt. Die ARD-Dokumentation richtet den Blick auch auf die Mitverantwortung jener, die nie vor Gericht stehen werden.
Mo., 1. Mär · 19:40-20:15 · arte
Re: Überleben im Holocaust – Geheimen Verstecken auf der Spur
Die Wissenschaftlerin Natalia Romik sucht in Polen nach Verstecken. Nach jüdischen Verstecken aus der Zeit des Holocaust. Die Zuschauer erleben, wie sie auf einem Friedhof in Warschau den Zugang zu einem Bunker freilegt, in dem bis zu 30 Menschen Zuflucht gefunden haben sollen. In den Karpaten untersucht sie die 650 Jahre alte Eiche „Jósef“, die die Rückseite der 100-Zloty-Note schmückte. Im Hohlraum der Eiche sollen zwei Brüder die schreckliche Zeit des Holocaust überlebt haben. Bei den Recherchen dazu ist sie auf einen anderen Aspekt der Verfolgung gestoßen: Die Verstecke sind quasi unsichtbare Monumente des Traumas, aber auch Zeichen des Überlebenswillens und eines von Not geprägten Einfallsreichtums. Natalia Romik betreibt aktiv Erinnerungskultur in einem Land, dessen PiS-Regierung von diesem Teil der Geschichte lieber nichts hören will.
Mo., 1. Mär · 22:00-22:45 · NDR
45 Min: Mein Nachbar ist Nazi – Was tun?
Wie umgehen mit den Rechten gleich nebenan? Ausgrenzen, tolerieren oder einbinden? 45 Min-Reporter Hans Jakob Rausch sucht nach Antworten in norddeutschen Dörfern, wie etwa im mecklenburgischen Groß Krams. Hier wohnt Wolfgang Gresens. Der pensionierte Schäfer sagt: „Die politische Einstellung meiner Dorfnachbarn stellt für mich kein Problem dar.“ So wie er denken viele der 185 Einwohnerinnen und Einwohner. Dabei sind die beiden Nachbarn, von denen Gresens spricht, Neonazis. • Bürgerinitiative gegen rechts wird eher kritisch beäugt Ragnar Böhm und Sebastian Richter haben beide eine einschlägige Vergangenheit: Böhm betrieb früher ein Bekleidungsgeschäft für Nazimarken, Richter war Bundesvorsitzender der NPD-Jugend. Sie ließen sich als „Unabhängige“ in die Gemeindevertretung wählen, einer ist in der Feuerwehr aktiv, und geben sich als heimattreue Kümmerer. Eine Bürgerinitiative im Dorf wehrt sich, wird von der „schweigenden Mehrheit“ jedoch eher kritisch beäugt. • Ländlicher Raum: Anfällig für Unterwanderung Kein Einzelfall, sagt Daniel Trepsdorf vom mobilen Beratungsteam gegen rechts des Regionalzentrums Westmecklenburg mit Sitz in Ludwigslust. Der ländliche Raum sei besonders anfällig für Unterwanderung: „Hier ist es schwieriger dagegen anzugehen, weil die soziale Nähe groß ist.“ Fruchtbarer Boden für sogenannte „völkische Siedler“ wie Neonazi Sebastian Richter. Der Rechtsextremist hat die neue Strategie auf Facebook selbst beschrieben: „Graswurzelarbeit ist wichtiger als Parlamentssitze.“ • Fallbeispiel Fußballverein Die Verantwortlichen des Fußballkreisligisten TuS Appen haben sich für Ausgrenzung entschieden, als sie erfuhren, dass ihr Neuzugang NPD-Vorsitzender in Hamburg ist. Vereinschef Diekert ist besorgt: „Stellen Sie sich vor, der wird hier Trainer und beeinflusst unsere Kinder!“ Ein mühsamer, jahrelanger Gerichtsprozess begann. Zweimal musste die Satzung des Vereins geändert werden, erst dann bekam der TuS Appen Recht und Lennart Schwarzbach wurde ausgeschlossen. Zumindest vorerst. Jetzt will Schwarzbach vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. • Die Feuerwehr – ein attraktives Ziel für Rechtsextreme? Seine Warnung vor einer Unterwanderung brachte ihn in Lebensgefahr: Hartmut Ziebs, ehemaliger Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes: „Die teilweise rechtsnationalen Tendenzen bei der AfD sind eine Gefahr für die Demokratie. Es wäre dramatisch, wenn die Feuerwehr da reinrutscht.“ Was darauf folgte, waren ein öffentlich ausgetragener Machtkampf in der Feuerwehr, persönliche Angriffe, Drohmails gegen Hartmut Ziebs und seine Familie und zuletzt ein toter Fuchs vor seiner Haustür. Am Ende trat er zurück. Aber er bleibt dabei, die Feuerwehr sei ein attraktives Ziel für Rechtsextreme. Seine Befürchtungen haben sich schnell bewahrheitet: Björn Höcke hielt beim Jahrestreffen des Landesfeuerwehrverbandes in Thüringen eine Rede. Und in der Feuerwehr Bremen flog im November 2020 eine rechtsextreme Chatgruppe auf. Die Doku von Hans Jakob Rausch beleuchtet die Unterwanderungsstrategien der extremen Rechten und die schwierige Balance zwischen Toleranz und dem Engagement gegen rechts.
Di., 2. Mär · 00:30-02:10 · ZDF
Kriegerin
Jung, weiblich, rechtsradikal. Marisa ist Teil einer Jugendclique der rechtsextremen Szene in einer ostdeutschen Kleinstadt. Auf ihrer Schulter hat sie „Skingirl“ tätowiert, vorne ein Hakenkreuz. Marisa schlägt zu, wenn ihr jemand dumm kommt. Sie hasst Ausländer, Politiker, den Kapitalismus und die Polizei. In Marisas Augen sind sie alle schuld. Schuld daran, dass ihr Freund im Knast sitzt und alles um sie herum den Bach runtergeht: ihr Leben, ihre Stadt, das Land und die ganze Welt. In diesem Sommer wird sich alles ändern. Erst bekommt Marisa Konkurrenz von der 15-jährigen Svenja, die neu in der Clique ist und Marisa gehörig auf die Nerven geht. Dann gerät sie mit zwei jungen Asylbewerbern aneinander, die in der Provinz gestrandet sind. Der Streit eskaliert, Marisa ist nicht zu bremsen. Damit löst sie eine Kette von Ereignissen aus, die alles auf den Kopf stellt. Während Svenja immer tiefer in die rechte Szene rutscht, gerät Marisas Weltbild ins Wanken. Sie beginnt sich zu verändern, doch der Weg heraus aus der Szene wird härter, als sie ahnt. Der Film ist eine schonungslose Milieustudie. Er zeigt die Gewalt, aber auch die Verführungskraft der rechten Jugendkultur.
Di., 2. Mär · 02:55-03:10 · MDR
Jüdisch sein – Eine Frage der Überzeugung
Jüdisch ist, wer eine jüdische Mutter hat. Das Judentum wirbt nicht aktiv um neue Mitglieder, schließt einen Übertritt aber auch nicht aus. Die Kriterien für die Aufnahme in die Religionsgemeinschaft sind streng und der Weg zum richtigen Juden ist lang. Ulf Nguyen hat sich vor sieben Jahren entschieden, diesen Weg zu gehen. In seiner Familiengeschichte entdeckte er Hinweise auf eine jüdische Vorfahrin, das weckt sein Interesse an der Religion. Nach und nach hat er sich immer mehr mit dem Judentum beschäftigt. Interesse und Faszination allein genügen aber nicht für einen Übertritt zum Judentum: Ulf Nguyen muss sich an die 613 Ge- und Verbote des Judentums halten. Um die Heilige Schrift, die Tora, studieren zu können, hat er hebräisch gelernt. Er ist beschnitten, ernährt sich koscher und betet drei Mal am Tag. Die Religionsgesetze strukturieren sein Leben. Als selbständiger Architekt kann er seine Arbeitszeiten nach dem jüdischen Kalender richten, doch für die Familie waren nicht alle Umstellungen einfach. Seine damalige Partnerin wollte nicht mit ihm konvertieren. Sie ist mit den beiden gemeinsamen Kindern in eine eigene Wohnung gezogen. In seiner Heimatstadt Pirna kennt Ulf Nguyen keine anderen jüdischen Gläubigen. Es gibt weder eine Gemeinde noch einen Gebetsraum. Mehrmals die Woche fährt er nach Dresden, besucht dort die Synagoge und begeht in der jüdischen Gemeinde den Schabbat, den siebten Wochentag – und Ruhetag. Die Gemeinde beschreibt er als Familie. In Rabbiner Akiva Weingarten hat er einen Lehrer und Mentor gefunden. Ein richtiger Jude ist Ulf Nguyen aber noch nicht. Seine Prüfung vor einem jüdischen Gericht aus drei Rabbinern steht noch aus.
Mi., 3. Mär · 13:55-15:25 · One
Schönes Schlamassel
In einer Feierlaune mit Anne, ihrer Freundin Laura und seinem besten Freund und jüdischen Arztkollegen Tobias gibt sich Daniel auch als Jude aus. So will er vor allem Anne imponieren. Sie hat sich mit ihrem Buchladen auf jüdische Literatur spezialisiert, ist ehrenamtliche Helferin in einem jüdischen Altenheim und unterstützt darüber hinaus auch den jüdischen Autor Schlomo Wisniewski. Aus Anne und Daniel wird ein Paar und aus dem kleinen Schwindel ein Gespinst aus Notlügen, aus dem Daniel nicht mehr herauskommt. Er kann nur darauf hoffen, dass Anne ihn am Ende auch so liebt, wie er ist.
Sa., 6. Mär · 02:30-03:30 · arte
Der Nansen-Pass
Anfang des 20. Jahrhunderts mussten mehr als zwei Millionen Menschen aufgrund der Russischen Revolution und des Massakers an den Armeniern ihre Heimat verlassen. Damit sie auf keinen Fall zurückkehren, erkannten ihnen ihre Regierungen im großen Stil kollektiv die Staatsangehörigkeit ab. Die „Staatenlosen“, wie diese entwurzelten und dauerhaft verbannten Personen fortan bezeichnet wurden, hatten nun keine andere Wahl, als anderswo neu anzufangen. Und so gingen sie in aller Herren Länder.Angesichts dieser dramatischen Lage setzte sich der norwegische Diplomat Fridtjof Nansen, erster Hochkommissar für Flüchtlinge des Völkerbundes, energisch für die Schaffung eines Passes für diese Personen ein. Am 5. Juli 1922 war es soweit – der nach seinem Erfinder bezeichnete „Nansen-Pass“ wurde eingeführt.Ein Dokument mit Symbolkraft, das als erstes Rechtsinstrument des internationalen Schutzes in die Geschichte einging. Dieses Ausweis- und Reisedokument ermöglichte die Einreise in alle Mitgliedstaaten des Völkerbundes und das zu einem Zeitpunkt, als in Europa viele Staaten aufgrund von Faschismus, Antisemitismus und Krieg ihre Grenzen schlossen und immer genauer darauf schauten, welchen Status Einwohner und Ausländer hatten. Anna Pavlova, Vladimir Nabokov, Marc Chagall, Igor Stravinsky, Robert Capa, Aristoteles Onassis sowie mehr als eine Million weiterer Staatenloser, überwiegend Flüchtlinge aus Russland und dem Osmanischen Reich, erhielten solch einen wertvollen Pass. Seit 1945 wurde die kollektive Aberkennung der Staatsangehörigkeit von den Staaten nicht mehr als Waffe eingesetzt, aber erst 2012 von der UN-Generalversammlung auch offiziell verboten.Wie war es damals, als der Nansen-Pass eingeführt wurde? ARTE zeigt den Kampf eines visionären Humanisten, der Tausenden Menschen die Möglichkeit geben wollte, sich ein würdevolles Leben im Exil aufzubauen.Der Film basiert auf Archivmaterial, Gesprächen mit den Historikern Catherine Gousseff (Direktorin des deutsch-französischen Forschungszentrums für Sozialwissenschaften des Marc Bloch Zentrums in Berlin) und Dzovinar Kévonian (Dozent für Geschichte an der Universität Paris-Nanterre) sowie Aussagen von Nansen-Flüchtlingen.
So., 7. Mär · 01:50-03:50 · arte
Atomic Falafel
Nofar und Sharareh – ein israelisches und ein iranisches Mädchen. Die eine lebt allein mit ihrer Mutter Mimi in einem Manövergebiet mitten in der israelischen Wüste, die andere in einem abgelegenen Dorf im Norden Irans, unter dessen örtlicher Mädchenschule Plutonium angereichert wird. Beide Mädchen sind in der Pubertät und mehr mit ihrem ersten Sex, ihrem Status auf Facebook oder ihrer Musikkarriere beschäftigt als mit Politik.Als sie sich im Internet kennenlernen und befreunden, verhindern sie durch den Austausch ihnen zufällig in die Hände geratener militärischer Geheimnisse fast nebenbei eine nukleare Katastrophe. Dabei hilft ihnen, eher gegen seinen Willen, Oliver Hahn, genannt Oli, Deutscher, Pazifist und Mitglied der internationalen Atom-Kontroll-Kommission. Während der vier Tage dauernden Kontrolle ist eine kriegerische Handlung nicht möglich. Dummerweise entwickelt Oli ein großes Verlangen nach Mimi und ist auch danach nicht zur Ausreise bereit – sehr zum Missfallen von General Haim, der auch für Mimis Falafel schwärmt und für den die Sicherheit Israels auf dem Spiel steht …
© Merav Maroody; General Haim (Shai Avivi) spricht im Namen des Staates Israel mit Mimi (Mali Levi Gershon).
So., 7. Mär · 09:30-10:00 · SWR
Menschen unter uns: Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen
Rachel Dror führte viele Jahre Gruppen durch die Stuttgarter Synagoge. Geboren 1921 in Königsberg als Tochter eines preußischen Offiziers jüdischen Glaubens, wandert sie im April 1939 nach Palästina aus. 1957 kehrt sie aufgrund einer Krankheit nach Deutschland zurück. „Ich habe in mir nie Hass gespürt“, meint Rachel Dror, „obwohl meine Eltern und die meisten meiner Verwandten in Auschwitz ermordet wurden. Mein Schaden aber ist, nicht mehr weinen zu können.“ So ergreift die Zuhörer*innen nicht allein die Geschichte, sondern auch die Person Rachel Dror, wenn sie sachlich und ohne Pathos über ihr Leben spricht. „Was war, ist vorbei. Aber das, was heute fehlt in Deutschland, ist die Kultur jüdischer Menschen. Das möchte ich, dass junge Leute das begreifen. Ich will nicht, dass junge Leute Juden immer nur im Lager sehen und den gehobenen Zeigefinger fühlen.“ Wichtig ist ihr dabei deren Verständnis für andersgläubige und andersdenkende Menschen. Ihr Motto, das sie von Theodor Herzl übernommen hat: „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“. Der Film erzählt die Geschichte der 1921 geborenen Rachel Dror, einer charismatischen Brückenbauerin. Das Team des SWR begleitet sie bei ihren Führungen für Jugendliche jeden Glaubens in der Synagoge, beobachtet sie beim Kurs über koscheres Kochen und ist in Berlin mit dabei, wenn sie das einzig verbliebene Grab eines Vorfahren entdeckt, eines berühmten Rabbiners.
So., 7. Mär · 11:35-12:35 · ARD-alpha
Eröffnungsfeier zur „Woche der Brüderlichkeit 2021“ mit Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille
Jedes Jahr im März wird mit einem Festakt die „Woche der Brüderlichkeit“ eröffnet. In zahlreichen Veranstaltungen in den folgenden Monaten geht es um die Verständigung zwischen Christen und Juden, um den Kampf gegen Antisemitismus und Diskriminierung sowie das friedliche Zusammenleben der Religionen. Schirmherr der „Woche der Brüderlichkeit“ ist der Bundespräsident. Teil der Eröffnungsfeier ist seit 1968 die Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille durch den Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Die Medaille wird in Erinnerung an die jüdischen Philosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig verliehen. Die Buber-Rosenzweig-Medaille 2021 erhält der Regisseur Christian Stückl. Der Preisträger hat sich als Spielleiter der Oberammergauer Passionsspiele seit 1990 mit dem Vorwurf des christlichen Antijudaismus auseinandergesetzt und die Passionsspiele reformiert. Stückl beschäftigte sich darüber hinaus in vielen seiner Inszenierungen mit dem Verhältnis der Religionen zueinander, er bezieht Stellung gegen Antisemitismus und Rassismus und steht ein für eine offene und plurale Gesellschaft. Mit Stückl wird ein Theatermacher ausgezeichnet, der in besonderer Weise auch das Jahresthema des Deutschen Koordinierungsrats für 2021 sowie das Leitthema der „Woche der Brüderlichkeit“ reflektiert. Es lautet: „… zu Eurem Gedächtnis: Visual History“ und soll die Bedeutung visueller Medien für die Erinnerung- und Gedenkkultur betonen. Die Laudatio auf den Preisträger hält Kardinal Reinhard Marx. In diesem Jahr wird Dr. Margaretha Hackermeier, Katholische Präsidentin des Deutschen Koordinierungsrats, am 7. März in der Stuttgarter Liederhalle die „Woche der Brüderlichkeit“ eröffnen. Es sprechen weiterhin der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann sowie der künftige Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper. Die Stuttgarter Philharmoniker gestalten den musikalischen Rahmen unter Leitung ihres Chefdirigenten Dan Ettinger. Evelin König moderiert die Veranstaltung, die in diesem Jahr ohne Publikum stattfindet. ARD-alpha überträgt die Eröffnungsfeier live.
So., 7. Mär · 23:35-00:05 · Das Erste (ARD)
„… zu Eurem Gedächtnis: Visual History“
Mit einem Festakt beginnt jedes Jahr im März die „Woche der Brüderlichkeit“. In zahlreichen Veranstaltungen der folgenden Monate geht es um die Verständigung zwischen Christen und Juden, um den Kampf gegen Antisemitismus und das friedliche Zusammenleben der Religionen. Teil der Eröffnungsfeier ist seit 1968 die Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille durch den Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR). Die Medaille wird in Erinnerung an die jüdischen Philosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig verliehen. Die Buber-Rosenzweig-Medaille 2021 erhält der Regisseur Christian Stückl. Mit Stückl wird ein Theatermacher ausgezeichnet, der in besonderer Weise auch das Jahresthema des Deutschen Koordinierungsrats für 2021 sowie das Leitthema der „Woche der Brüderlichkeit“ reflektiert. Es lautet: „… zu Eurem Gedächtnis: Visual History“ und soll die Bedeutung visueller Medien für die Erinnerung- und Gedenkkultur betonen. Die Laudatio auf den Preisträger hält Kardinal Reinhard Marx. Weitere Redner sind u.a. der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann. Die Stuttgarter Philharmoniker gestalten den musikalischen Rahmen. Evelyn König wird die Veranstaltung moderieren. Die Feier wird erstmals ohne Publikum stattfinden und live im Internet gestreamt.
Di., 9. Mär · 00:50-02:35 · MDR
Hannah Arendt
Hannah Arendts Denken veränderte die Welt. Ihre gesellschaftspolitischen Schriften über totalitäre Systeme und Demokratie prägen bis heute unsere Sichtweise auf das 20. Jahrhundert und sind aus unserem Verständnis für politische Zusammenhänge – auch der aktuellen – nicht mehr wegzudenken. Als die jüdische Philosophin Hannah Arendt 1961 in Jerusalem den Gerichtssaal betritt, um über den Prozess gegen den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann zu berichten, erwartet sie, auf ein Monster zu treffen. Stattdessen erlebt sie einen Niemand. Die geistlose Mittelmäßigkeit Eichmanns passt nicht zum abgrundtief Bösen seiner Taten. Hannah Arendt (Barbara Sukowa) ist aus Nazideutschland geflohen und lebt mit ihrem Mann Heinrich (Axel Milberg) schon seit 20 Jahren im amerikanischen Exil. Ihre New Yorker Wohnung ist Treffpunkt immigrierter jüdischer Intellektueller, die sich um die Aufarbeitung der Shoa bemühen. Die überraschende Nachricht von der Ergreifung des NS-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann elektrisiert die Totalitarismusforscherin, die schon mehrfach über den deutschen Faschismus publiziert hat. Im Auftrag der Zeitung „The New Yorker“ reist sie nach Jerusalem, um über den Prozess zu berichten. Als sie 1961 in Jerusalem den Gerichtssaal betritt, erwartet sie, auf ein Monster zu treffen, und ist zunächst irritiert. Die geistlose Mittelmäßigkeit des Bürokraten, der keine Reue zeigt, passt scheinbar gar nicht zur unvorstellbaren Grausamkeit seiner Taten. Sie sieht in dem Massenmörder einen Beamten, der die Ermordung der Juden mitleidslos wie eine ihm auferlegten Pflicht erfüllte. Dieser Widerspruch beschäftigt Hannah Arendt sehr. Zurück in New York liest sie hunderte Prozessakten, recherchiert, diskutiert mit ihrem Mann Heinrich Blücher und ihren Freunden. Im Februar 1963 erscheint ihre Artikelserie mit dem Titel „Eichmann in Jerusalem“, deren provozierende These von der „Banalität des Bösen“ für weltweite Empörung sorgt. Die Reaktionen sind verheerend und niederschmetternd. Hannah Arendt wird geächtet und angefeindet. Das Unverständnis einiger ihrer Freunde trifft sie hart. Trotz einer beispiellosen Hetzkampagne verteidigt die Denkerin ihre Interpretation, wonach ganz normale Menschen zu Gräueltaten unvorstellbaren Ausmaßes fähig sind. Sie bleibt konsequent bei ihrer Haltung, kämpft und scheut keine Auseinandersetzung, wenn es um für sie so wichtige Themen wie Totalitarismus und Macht geht. Denn sie will verstehen. Auch wenn das bedeutet, „dahin zu denken, wo es weh tut“. Der Vorwurf, sie würde einen der Hauptverantwortlichen für den Holocaust verteidigen, führt aber auch zum Bruch mit nahen Freunden wie Hans Jonas (Ulrich Noethen) und Kurt Blumenfeld (Michael Degen). Mit diesem Biopic setzt Margarethe von Trotta ihre Reihe großer Frauenporträts fort. Nach „Rosa Luxemburg“ und „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ widmet die Autorenfilmerin sich der provokanten Denkerin Hannah Arendt, die eine der heftigsten Kontroversen über den Holocaust ausgelöst hat. Durch die Integration originaler Filmmitschnitte vom Eichmann-Prozess in Jerusalem kann der Zuschauer die Grundthese der streitbaren Philosophin unmittelbar überprüfen.
Di., 9. Mär · 12:30-13:58 · MDR
Clara Immerwahr
Breslau, 1880er Jahre. Clara Immerwahr ist intelligent und wissbegierig und wird darin von ihrer weltoffenen jüdischen Familie unterstützt. Angeregt von ihrem Vater Philipp hat sie großes Interesse an chemischen Forschungen. Clara will unbedingt das Abitur machen, was im deutschen Reich für Mädchen nur auf mühseligen Umwegen möglich ist. Clara kann das nicht schrecken. Überglücklich ist sie, als es ihr gelingt, nach dem externen Abitur an der Universität Breslau als Hörerin der physikalischen Chemie aufgenommen zu werden. Kurz vor ihrem Studienbeginn lernt sie Fritz Haber kennen, der aus einer Breslauer Kaufmannsfamilie stammt. Fritz ist ebenfalls begeisterter Chemiker, studiert in Berlin und ist entschlossen, Karriere im Universitätsbetrieb zu machen. Aus der gemeinsamen Leidenschaft für die Forschung wird schnell eine Romanze. Der verliebte Fritz bittet Clara, ihn zu heiraten. Doch die junge Frau kann sich nicht dafür entscheiden. Sie will keinesfalls das Studium aufgeben und lehnt deshalb den enttäuschten Fritz ab. In der Universität muss sie zwar gegen das Misstrauen und die Ablehnung in der akademischen Männerwelt kämpfen. Aber sie wird auch gefördert. Vor allem Professor Richard Abegg erkennt die Fähigkeiten seiner Studentin und unterstützt sie. Zehn Jahre später taucht Fritz Haber wieder in Claras Leben auf. Sie hat es inzwischen zur Doktorin der Chemie gebracht und arbeitet als Abeggs Assistentin. Fritz seinerseits hat die ersten Stufen einer erfolgreichen Hochschulkarriere erklommen. Er hat Clara nicht vergessen, wirbt um sie nicht mehr mit kleinen Experimenten, sondern mit seinem großen Plan: Er will das Nährstoffproblem der Landwirtschaft lösen, indem er Ammoniak als Grundlage für künstlichen Dünger synthetisiert. Brot aus Luft – für dieses Ziel und die schöne Vorstellung, gemeinsam daran zu forschen, begeistert sich auch Clara. Sie sagt ja. Die beiden heiraten und Fritz nimmt Clara stolz mit nach Karlsruhe. Dort erfüllt er den Wunsch seiner Frau, sie an der Arbeit im Labor zu beteiligen. Das ist mehr als außergewöhnlich, und Rektor Engler, Leiter des Instituts, verhält sich entsprechend ablehnend Clara gegenüber. Die ist nicht so abgehärtet, wie es dieser frauenfeindlichen Umgebung notwendig wäre und leidet unter den Angriffen. Spätestens als sie schwanger wird und nach einer schweren Geburt den Sohn Herrmann zur Welt bringt, lässt auch Fritz‘ Enthusiasmus, seine Frau als Forscherin zu beteiligen, nach. Jetzt will er, dass Clara weniger auffällt und seinem mühsam erkämpften Aufstieg nicht im Wege steht. Ihre Ideen zu den Problemen bei der Ammoniaksynthese will er inzwischen gar nicht mehr hören. Die Situation spitzt sich zu, als der Rektor, während Fritz verreist ist, Clara sogar Hausverbot am Institut erteilt. Weil sie lautstark protestiert, wird sie vorübergehend in die Psychiatrie gesteckt. Eine Ehe wie die von Pierre und Marie Curie: das war Claras Traum. Der zerbröselt nun. Fritz hofft zwar, dass die Kluft zwischen ihnen wieder verschwindet, als ihm endlich den Durchbruch gelingt. Die Synthese von Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak gelingt. Doch trotz aller Freude fühlt Clara sich neben ihrem genialischen Mann unausgefüllt und unbeachtet. Die beiden streiten oder gehen einander aus dem Weg. Auch in Berlin, wo Fritz seinen Aufstieg fortsetzt. Während in Europa die Zeichen auf Krieg stehen, werden zwischen Clara und Fritz Haber die weltanschaulichen Unterschiede gravierender. Fritz arbeitet intensiv mit dem Militär zusammen, was die Pazifistin Clara ablehnt. Als sie zufällig mitbekommt, dass er dabei ist Giftgas zu entwickeln, ist sie entsetzt und versucht ihn mit allen Mitteln davon abzubringen. In ihren Augen ist das Perversion der Wissenschaft. Sie bleibt erfolglos. Fritz genießt die Anerkennung durch die Offiziere, auße rdem meint er, für den Sieg und damit für den baldigen Frieden zu arbeiten. Er macht weiter und ist stolz, als der Giftgasangriff in der Schlacht bei Ypern im April 1915 Erfolg hat. An der Siegesfeier, die Fritz danach ausrichtet, nimmt seine Frau demonstrativ nicht teil. In der Nacht danach greift Dr. Clara Immerwahr zur Dienstwaffe ihres Mannes und erschießt sich.
Mi., 10. Mär · 09:45-11:20 · arte
Die Nazis, die Arbeit und das Geld
Der Dokumentarfilm basiert auf neueren wissenschaftlichen Forschungen der Professoren Adam Tooze von der Columbia University, Richard Overy von der University of Exeter, Frank Bajohr vom Institut für Zeitgeschichte in München und der Privatdozentin Marie-Bénédicte Vincent von der Universität von Angers. Sie zeigen in ihren Forschungen zur NS-Zeit, welch treibende Rolle wirtschaftliche Aspekte für das Familienleben, die Arbeitswelt und die Kriegsführung im Deutschen Reich gespielt haben.Animationen im Stil der Collage-Kunst der 30er Jahre veranschaulichen die außerordentlichen Währungsmanipulationen der Nationalsozialisten. Damit wird der Blick auf einen bisher wenig beachteten Kriegsschauplatz gelenkt, nämlich auf die Fabriken des Deutschen Reichs, auf die Sparbücher der deutschen Familien, die Planungsbüros der Manager und kaum bekannte Protagonisten, die agierten: der Generalfeldmarschall und Staatssekretär in Görings Reichsluftfahrt-Ministerium Erhard Milch(1892-1972) etwa, der die gesamte Flugzeugbau-Industrie umstrukturierte und bereits 1954 aus der lebenslänglichen Haft entlassen wurde, der NSDAP-Gauleiter von Thüringen Fritz Sauckel(1894-1946), der in seiner Funktion als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz für die Zwangsarbeit von Millionen von Menschen verantwortlich war und in Nürnberg hingerichtet wurde, oder SS-General Herbert Backe(1896-1947), der als Reichsminister und Leiter des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die rigide kriegswirtschaftlich und rassenideologisch begründete Hungerpolitik in Osteuropa plante und organisierte und sich in Nürnberg durch Suizid der Verantwortung entzog.Der Dokumentarfilm zeigt, wie die Nationalsozialisten ihr rassistisches und antisemitisches Weltbild in allen Bereichen der Großindustrie, der Landwirtschaft und der Finanzwelt implementieren konnten. Sie schufen damit ein abscheuliches, auf Währungsmanipulation, Gewalt, Raub und Völkermord beruhendes Wirtschafts-„Modell“, das nur durch Krieg und Unterdrückung funktionierte und zur Zerstörung Europas führte.
Mi., 10. Mär · 17:20-17:50 · arte
Stätten des Glaubens: Ungarn, die Dohány-Synagoge
Im 19. Jahrhundert schlossen sich die drei unabhängigen Städte Buda, Óbuda und Pest zur Einheitsgemeinde Budapest zusammen. Im jüdischen Viertel errichtete man unter Anwendung umfangreicher technischer Kenntnisse die berühmteste Synagoge der ungarischen Hauptstadt: die Dohány-Synagoge, auch Große Synagoge genannt. In der zweitgrößten jüdischen Gottesstätte der Welt werden heilige Thora-Rollen aufbewahrt, auf denen alle jüdischen Riten und Zeremonien aufbauen. Zsuzsanna Toronyi vom Ungarischen Jüdischen Museum demonstriert die Einsegnung einer Thora-Rolle und erklärt, dass das Judentum eine „Nomadenreligion“ sei, da jederzeit spontan eine Synagoge gegründet werden könne; einzige Voraussetzung für einen Gottesdienst sei die Anwesenheit zehn jüdischer Männer. Dann öffnet Frau Toronyi die Tore zu den weitläufigen Archivsälen mit ihren beeindruckenden Sammlungen heiliger Objekte. Schließlich bekommt der Zuschauer einen Einblick in eine Konzertprobe von Iván Fischer. Der Dirigent und Pianist zählt zu den berühmtesten Vertretern der ungarischen jüdischen Kultur.
Do., 11. Mär · 17:20-17:50 · arte
Stätten des Glaubens: Die Synagogen des Ghettos von Venedig
Venedig ist vor allem als Stadt der Liebe und der Romantik bekannt. Nur wenige wissen, dass sich hier das älteste jüdische Ghetto der Welt befindet. Der Literaturprofessor Shaul Bassi erzählt die bewegte Geschichte seiner Vorfahren, die vor den Pogromen in Deutschland flohen und in der Lagunenstadt eine neue Gemeinschaft gründeten. Sie errichteten Synagogen und lebten nach strengen Regeln zusammen. Die Dokumentation gibt auch Einblicke in eine Bar-Mizwa-Feier in einer der fünf Synagogen des Ghettos. Die Zeremonie leitet Scialom Bahbout, der Oberrabbiner von Venedig: Er lebt und arbeitet im Ghetto und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die jüdische Kultur zu bewahren und an die nächsten Generationen weiterzugeben.
Do., 11. Mär · 23:00-23:45 · HR
Der „Schwulenparagraf“ – Geschichte einer Verfolgung
Man nannte sie „die 175er“. Verhaftet wurden diese Männer schon mal direkt beim Liebesspiel, nicht selten am Arbeitsplatz, oder die Polizei holte sie von zu Hause ab. Ein paar Stunden später saßen sie oft schon in Haft, die Kündigung vom Arbeitgeber ließ meist nicht lange auf sich warten. Ihr begangenes Verbrechen: einvernehmlicher Sex unter erwachsenen Männern. Damit verstießen sie gegen den Paragrafen 175. „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts“ begangen werde, sei mit Gefängnis zu bestrafen. So stand es zur Einführung des Paragrafen 1871 im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches. Die Nazis verschärften ihn, erhöhten die Strafen. Viele landeten im Konzentrationslager. Frei aber waren sie auch nach dem Krieg nicht. Die junge Bundesrepublik übernahm den Paragrafen 175 in seiner verschärften Form eins zu eins von den Nazis. Wer das KZ überlebt hatte, musste damit rechnen, erneut ins Gefängnis gesteckt zu werden, um die Reststrafe abzusitzen. Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigte 1957, dass der Paragraf 175 mit dem Grundgesetz im Einklang stehe: Männer, die mit Männern Sex hatten, wurden in der Bundesrepublik weiter verfolgt. Nach Schätzungen des Justizministeriums wurde gegen 100.000 Männer ermittelt, 64.000 hat man verurteilt. Der Paragraf hat Leben zerstört, Existenzen vernichtet. In diesem Film berichten Zeitzeugen davon – wie der 80-jährige Hermann Landschreiber aus Gelnhausen, den die Polizei 1966 vom Postamt abgeführt hat, weil die Mutter seines Ex-Freundes ihn angeschwärzt hatte. Oder Günter Werner, der im katholischen Franken mit einem amerikanischen Soldaten inflagranti erwischt wurde und deshalb im Jugendarrest landete. Sie alle sprechen über ihre Verhaftung, den Knast, ihre Angst, erwischt zu werden oder erpressbar zu sein, aber auch über ihren Wunsch, trotzdem ein selbstbewusstes schwules Lebens zu führen. Sie lassen verstehen, wie lang und beschwerlich der Weg war von der damals verbotenen Sexualität und Heimlichkeit bis hin zur Schwulenehe heute. Wie sieht jemand wie Klaus Beer diese Entwicklung? Sechs Männer hat er als Richter wegen Verstoßes gegen Paragraf 175 verurteilt. Er setzt sich offen mit seiner beruflichen Vergangenheit auseinander. Wie dachte er damals, wie denkt er heute über diese Urteile? Der Film führt auch in die ehemalige DDR, wo der Paragraf viel früher außer Kraft gesetzt und bereits 1988 abgeschafft wurde. Lebten Männer liebende Männer oder lesbische Frauen in der DDR wirklich angstfrei, weil ihr Sex nicht mehr strafbar war? Wann kamen sie trotzdem ins Visier der Staatsmacht? Wolfgang Schmidt war Leiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe in der Hauptabteilung XX des Ministeriums für Staatssicherheit. Er gibt offen Auskunft, warum man sich dort mit den Schwulen- und Lesbengruppen beschäftigte. Die lesbische Aktivistin Karin Dauenheimer wurde Anfang der 1980er Jahre observiert. Für den Film öffnet sie ihre Stasi-Akte. Frauen, die Frauen liebten, fielen nicht unter den Paragrafen 175, ihnen drohte also auch im Westen keine Strafverfolgung. Hatten sie deshalb ein sorgenfreieres Leben? Auch darauf findet der Film Antworten. Filmautor Marco Giacopuzzi geht mit großer Sensibilität auf seine Zeitzeugen zu. Sein Film zeigt eindrucksvoll, wie ein Menschen verachtender Paragraf und brutale Diskriminierung das Leben zahlreicher Männer und auch Frauen zerstörte und warum es so lange dauerte, bis der Paragraf 175 aus der bundesdeutschen Rechtsprechung endlich verschwand. Erst 2017 beschloss die Bundesrepublik ein Gesetz zur Rehabilitierung aller Opfer des Paragrafen. Doch nur wenige trauten sich, einen Antrag zu stellen, und die meisten waren ohnehin verstorben.
So., 14. Mär · 01:50-02:25 · 3sat
Mein Jerusalem
Jerusalem, wohl eine der geschichtsträchtigsten, faszinierendsten und umstrittensten Städte überhaupt, wird von Israelis und Palästinensern gleichermaßen als Hauptstadt beansprucht. „Stadt des Friedens“ heißt sie auf Hebräisch, „al Kuds – die Heilige“ auf Arabisch. Heilig ist die Stadt den drei großen Weltreligionen, ein Sehnsuchtsort für Juden, Muslime und Christen, die hier miteinander, nebeneinander und auch gegeneinander leben. Tim Cupal, seit 2019 ORF-Korrespondent in Israel, macht sich auf die Suche nach „seinem Jerusalem“, indem er Bewohner begleitet und sich von ihrer schwierigen, geteilten und vielfältigen Stadt erzählen lässt. Er trifft einen Muezzin, dessen Moschee vom Abriss bedroht ist, orthodoxe Juden, die der Zerstörung der Jerusalemer Tempel gedenken, und Musiker aus dem arabischen und dem israelischen Teil der Stadt. Immer wieder führt ihn sein Weg auch in das österreichische Hospiz, das älteste christliche Pilgerhaus Jerusalems, in dem Kaiser Franz Josef vor über 150 Jahren nächtigte. Tim Cupals Jerusalem-Porträt steht auch ganz im Zeichen von Corona: Es zeigt eine Stadt ohne Touristen, mit menschenleeren Straßen, hoher Arbeitslosigkeit, sozialen Problemen und Spannungen – und immer wieder aufflammenden heftigen Protesten gegen die Corona-Krisenpolitik der Regierung.
Mo., 15. Mär · 23:35-00:20 · Das Erste (ARD)
Als Botschafter bei Hitler
Innenansicht der nationalsozialistischen Diktatur: Nach der Machtübernahme Hitlers beobachtet das Diplomatische Korps in Berlin wie die neue Regierung den gesamten Staatsapparat unter ihre Kontrolle bringt. Die Botschafter berichten regelmäßig nach Hause. In ihren Berichten spiegelt sich Angst, Sorge und Abscheu wider, aber auch Faszination und Opportunismus. Manche Warnung stößt auf taube Ohren. Im Juli 1933, wenige Monate nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, kommt William E. Dodd mit seiner Familie nach Berlin. Seine Ernennung zum Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika durch Präsident Roosevelt sorgt für allgemeine Überraschung. Als Historiker und Universitätsprofessor hat er keinerlei Erfahrung mit der Diplomatie und kennt nicht ihre sprachlichen Codes. In der französischen Botschaft beobachtet unterdessen der erfahrene Diplomat André François-Poncet bereits seit zwei Jahren den Aufstieg der NSDAP, deren Propaganda es zunehmend gelingt, ein krisengeschütteltes Volk für sich zu begeistern. Innerhalb weniger Monate bringen die Nationalsozialisten zwar den gesamten Staatsapparat unter ihre Kontrolle, in den diplomatischen Kreisen jedoch fühlen sie sich nicht recht wohl – abgesehen von ein paar wenigen, darunter Hermann Göring oder der Gestapo-Chef Rudolf Diels, die bald zu gern gesehenen Gästen bei den mondänen Botschafts-Diners werden. Hitler selber erscheint nur selten. Die zahlreichen Empfänge werden immer mehr zum Tummelplatz für Spione, zum Schauplatz für Intrigen, Liebeleien, Informationen. William E. Dodds Tochter Martha beginnt gar Affären mit SS-Männern und Sowjet-Attachés. Bis zum Kriegsausbruch 1939 beobachten die Diplomaten den Aufstieg der NS-Diktatur mit einer Mischung aus Angst, Sorge und Abscheu, aber auch Faszination und Opportunismus, und berichten in ihre Hauptstädte. Manche Warnung, gerade auch vor der deutschen Aufrüstung, stößt dort auf taube Ohren …