Die neuen Fernsehtipps

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Vom 1. bis 15. Oktober 2020…

Do., 1. Okt · 20:15-22:00 · RBB
Hannah Arendt

Die jüdische Philosophin Hannah Arendt verfolgt 1961 den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem. Im Gerichtssaal trifft sie auf einen unscheinbaren Mann, der, wie er nicht müde wird zu betonen, „nur“ Befehle ausführte. In einer Artikelserie charakterisiert sie ihn, einen der Hauptverantwortlichen für die Shoa in Europa, als mediokren Schreibtischtäter und löst damit ungeahnte Proteststürme aus. Hannah Arendt (Barbara Sukowa) ist aus Nazideutschland geflohen und lebt mit ihrem Mann Heinrich (Axel Milberg) schon seit 20 Jahren im amerikanischen Exil. Ihre New Yorker Wohnung ist Treffpunkt immigrierter jüdischer Intellektueller, die sich um die Aufarbeitung der Shoa bemühen. Die überraschende Nachricht von der Ergreifung des NS-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann elektrisiert die Totalitarismusforscherin, die schon mehrfach über den deutschen Faschismus publiziert hat. Im Auftrag der Zeitung „The New Yorker“ reist sie nach Jerusalem, um über den Prozess zu berichten. Im Gerichtssaal erwartet sie, ein Monster anzutreffen, und ist zunächst irritiert. Die Mittelmäßigkeit des Bürokraten, der keine Reue zeigt, passt scheinbar gar nicht zur unvorstellbaren Grausamkeit seiner Taten. Sie sieht in dem Massenmörder einen Beamten, der die Ermordung der Juden mitleidslos wie eine ihm auferlegten Pflicht erfüllte. Im Februar 1963 erscheint ihre Artikelserie, deren provozierende These von der „Banalität des Bösen“ für weltweite Empörung sorgt. Trotz einer beispiellosen Hetzkampagne verteidigt die Denkerin ihre Interpretation, wonach ganz normale Menschen zu Gräueltaten unvorstellbaren Ausmaßes fähig sind. Der Vorwurf, sie würde einen der Hauptverantwortlichen für den Holocaust verteidigen, führt zum Bruch mit nahen Freunden wie Hans Jonas (Ulrich Noethen) und Kurt Blumenfeld (Michael Degen). Mit diesem Biopic setzt Margarethe von Trotta ihre Reihe großer Frauenporträts fort. Nach „Rosa Luxemburg“ und „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ widmet die Autorenfilmerin sich der provokanten Denkerin Hannah Arendt, die eine der heftigsten Kontroversen über den Holocaust ausgelöst hat. Durch die Integration originaler Filmmitschnitte vom Eichmann-Prozess in Jerusalem kann der Zuschauer die Grundthese der streitbaren Philosophin unmittelbar überprüfen. Der Film überzeugt durch die stimmungsvolle Darstellung des New Yorker Exils und spart auch das ambivalente Verhältnis zwischen Hannah Arendt und dem mit den Nazis sympathisierenden Philosophen Martin Heidegger (Klaus Pohl) nicht aus. Barbara Sukowas kongeniale Annäherung an die Denkerin macht eine abstrakte intellektuelle Debatte sinnlich nachvollziehbar. Mit Axel Milberg als Ehemann, Ulrich Noethen als Hans Jonas, Julia Jentsch als Sekretärin Lotte und Michael Degen als Kurt Blumenfeld sind Freunde und Weggefährten bestens besetzt.

Fr., 2. Okt · 09:45-11:20 · arte
„Die Wilden“ in den Menschenzoos

Zwischen 1810 und 1940 haben Menschen in ganz Europa, den USA und in Japan andere Menschen aus fernen Ländern als „primitive Wilde“ ausgestellt. Über ein Jahrhundert lang wurden in Welt- oder Kolonialausstellungen, Zoos, im Zirkus oder in nachgebauten Dörfern von Ureinwohnern knapp 35.000 Personen vor mehr als anderthalb Milliarden Besuchern präsentiert. Mit Hilfe von bisher unveröffentlichtem Archivmaterial zeigt der Dokumentarfilm, wie durch die Menschenzoos der Rassismus populär und alltäglich wurde. Die Besucher kamen, um immer exotischere, immer furchterregendere Wilde zu sehen, die entsprechend in Szene gesetzt wurden. Kinder, Frauen und Männer wurden zur Schau gestellt, um eine Hierarchie der „Rassen“ zu fördern und um die Kolonialisierung der Welt zu rechtfertigen. Zum ersten Mal ruft ein Dokumentarfilm jenes Stück vergessene Menschheitsgeschichte in Erinnerung und zeichnet das Schicksal von sechs solcher zur Schau gestellten Personen nach. Sie heißen Petite Capeline, Ureinwohnerin Feuerlands, Tambo, Aborigine aus Australien, Moliko, Kalina aus Französisch-Guayana, Ota Benga, Pygmäe aus dem Kongo, Jean Thiam, Wolof aus dem Senegal, und Marius Kaloie, Kanake aus Neukaledonien. Ihre Geschichte wurde dank der Arbeit von Historikern und mit Hilfe der Unterstützung ihrer Nachkommen rekonstruiert. Die Berichte über ihre Schicksale bilden das Phänomen der Völkerschauen in ihrem historischen Kontext ab: das Aufstreben und die Entwicklung der großen Kolonialmächte. Anhand von Analysen und Kommentaren sachkundiger Experten beleuchtet der Dokumentarfilm auch die Ursprünge des Rassismus am Übergang von einem angeblich wissenschaftlichen Rassismus (1850) zum Alltagsrassismus (1930).

So., 4. Okt · 09:30-10:24 · arte
Die vielen Leben des Sammy Davis Jr.

„I’ve gotta be me“ – „Ich muss ich selbst sein“ war einer der Erfolgstitel von Sammy Davis Jr. Doch wer war dieser „Schwarze, Jude und Puerto Ricaner“, wie er sich selbst bezeichnete? Der ein Millionenpublikum vor den Fernsehgeräten versammelte, sich in keine Schublade einsperren lassen wollte, rassistische und religiöse Vorurteile gerne mit Humor konterte – und dabei doch einen Kampf kämpfte, den die farbige Bevölkerung der USA bis heute nicht gewonnen hat. Der amerikanische Regisseur Sam Pollard erzählt in „Die vielen Leben des Sammy Davis Jr.“ von den vielen Talenten des einstigen Kinderstars, der von seinen Eltern als Stepptänzer früh gefördert wurde, so sehr, dass er selbst nie Kind sein durfte. Davis kämpfte derartig um Anerkennung als schwarzer Künstler im weißen amerikanischen Showbiz, dass er manchmal vergaß, dass die Zeit dafür noch nicht reif war. Nicht reif für einen Schwarzen, der als Erster eine Weiße auf der Bühne küsste und auch eine Weiße heiratete, und der sich andererseits im Prozess der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA des 20. Jahrhunderts nicht immer politisch korrekt verhielt. Die Karriere von Sammy Davis Jr. war legendär, doch sein Leben kompliziert und widersprüchlich. Bei einem Autounfall verlor er ein Auge. Mit der Hilfe von Frank Sinatra fand er wieder zurück auf die Bühne, er konvertierte zum Judentum und spaltete durch politische Aktionen seine Anhänger. Er war ein Veteran des Show Business. Aber er wollte nicht wahrhaben, dass es sich radikal veränderte, und er versuchte mit Macht und einigen Peinlichkeiten an seiner lange erfolgreichen Rolle festzuhalten. Jerry Lewis, Kim Novak, Whoopi Goldberg und viele andere, die mit Sammy Davis Jr. gearbeitet haben oder mit ihm befreundet waren, erzählen neben faszinierendem Archivmaterial und persönlichen Fotografien von den vielen Rollen, die er in seinem Leben gespielt hat und bei denen er doch sich selbst immer treu geblieben ist.

So., 4. Okt · 13:15-13:30 · Das Erste (ARD)
Flüchten oder standhalten – Sukkot in einer jüdischen Gemeinde

In der jüdischen Gemeinde in Oldenburg wird gehämmert, geschraubt, werden Balken geschleppt. Eine einfache Hütte aus Holz und Weidenzweigen wird vorübergehend im Hof der Gemeinde errichtet. Das Laubhüttenfest steht an. Es erinnert an die Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten, als sie auf ihrer Wanderung keine feste Unterkunft hatten, unterwegs in der Hoffnung auf ein glückliches Leben. Mit Gott auf Wanderschaft sein: eine besondere Haltung zum Leben. Seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle steht auch vor der jüdischen Gemeinde im beschaulichen Oldenburg ein Polizeiwagen. Sind Gemeindemitglieder beunruhigt, sitzen sie auf gepackten Koffern? Fühlen sie sich zunehmend bedroht, schwanken sie zwischen „Gehen oder Bleiben“? Viele kommen aus der ehemaligen Sowjetunion. Dort durften sie ihr Judentum nicht leben. Erst hier haben sie die jüdischen Traditionen wieder kennengelernt. Aber auch Gemeindemitglieder, die in Deutschland geboren sind, haben oft nur wenige Erinnerungen an solche Feste in der Kindheit. Religiöse Feiern gab es nicht. „Die Eltern wollten uns schützen“, sagen sie und in diesen Worten schwingt die ganze Angst eines jüdischen Lebens in Deutschland mit. Rabbinerin Alina Trejger schmerzt das. Sie ist offen, geht auf Menschen zu, sucht das Gespräch mit anderen Religionsgemeinschaften. Sukkot ist ein fröhliches Fest. In der Laubhütte im Garten der Gemeinde wird gesungen und getanzt. Es gibt Honigbrot zur Erinnerung an das Versprechen Gottes, die Israeliten in das Land zu führen, wo Milch und Honig fließen. Doch in die Freude mischt sich auch Skepsis. Er werde abwarten, sagt ein junger Mann. „Wenn ich irgendwann merke, es wird mir hier zu viel, was die Anschläge angeht, das Antijüdische, dann wäre ich bereit, den Koffer zu packen und zu gehen“. Wie also geht es weiter? Flüchten oder Standhalten? Für die meisten, die heute Sukkot feiern, ist klar: natürlich standhalten! Sie gehören ja hierher: Juden in Deutschland.
Bild oben: © NDR/Eva Vahldiek, Sukkot ist auch ein Erntedankfest: In der Synagoge schwingen die Gemeindemitglieder Bündel mit Palmzweigen und Früchten zum Dank für die Gaben Gottes.

So., 4. Okt · 16:45-17:15 · arte
Twist: Jüdisches Leben: Wie offen ist unsere Gesellschaft?

An Jom Kippur, dem Versöhnungstag und höchsten jüdischen Feiertag, erschoss ein junger Mann in Halle zwei Menschen und bedrohte dutzende jüdische Gemeindemitglieder in einer Synagoge. Diese stand am 9. Oktober 2019 nicht unter Polizeischutz, wohl auch, weil dieser jüdische Feiertag in der Behörde nicht bekannt war. Unmittelbar nach der Tat waren die Medienpräsenz und die Solidaritätsbekundungen groß, Frank-Walter Steinmeier und Horst Seehofer reisten nach Sachsen-Anhalt. Aber hat sich die Wahrnehmung des jüdischen Lebens seither verändert? Wie kommt das Thema in der Stadt an? Welche Konflikte gibt es? Welche Debatten werden geführt? Und wie haben Künstler und Kreative diese aufgegriffen? Bianca Hauda fährt nach Sachsen-Anhalt und spricht ein Jahr danach mit Juden, die den Anschlag erlebt haben und trifft diejenigen, die sich abschotten, weil sie sich durch zunehmende Gewalt bedroht fühlen. „TWIST“ zeichnet ein Stimmungsbild des jüdischen Lebens in Europa und taucht ein in den Alltag einer zerrissenen Stadt, in der sich antisemitische Tendenzen zeigen und die zugleich weltoffene und tolerante Kulturmetropole ist: Heimat der renommierten Kunsthochschule Burg Giebichenstein, der weltweit ältesten Wissenschaftsakademie Leopoldina, der Franckeschen Stiftungen zu Halle und nicht zuletzt Geburtsort von Georg Friedrich Händel.

Mo., 5. Okt · 00:35-01:08 · Das Erste (ARD)
Masel Tov Cocktail

Dima, 16, ist Sohn russischer Einwanderer, Schüler am Gymnasium und er ist Jude. Das wäre nicht der Rede wert, wenn nicht alle ständig darüber reden würden. So auch sein Klassenkamerad Tobi, der ihn eines Tages in der Toilette mit einem ziemlich schlechten Witz über das Schicksal der Juden in Deutschland provoziert. Dima könnte darüber hinweggehen, aber dazu hat er keine Lust – und so haut er Tobi eine rein. Dies hat einen Schulverweis zur Folge, verbunden mit der Auflage, sich bei Tobi zu entschuldigen. Sein Weg zu ihm wird zu einem rasanten Roadtrip durch die Stadt und durch eine Vielzahl von Begegnungen mit Menschen die alle eine Haltung zu Juden, zum Judentum, zu dem, was sie für erwähnenswert halten, haben. Vom naiven Philosemitismus, über Ignoranz, Zionismus bis zum Antisemitismus erlebt Dima wie im Zeitraffer, was in Deutschland zum Judentum gedacht und laut oder leise gesagt wird. Am Ende trifft er an unerwarteter Stelle wieder auf Tobi und erneut reden sie über Juden. Diesmal könnte alles gut werden.

Di., 6. Okt · 00:05-01:35 · ZDF
Becoming Black

Ein weißes Ehepaar in der DDR der 60er-Jahre erzählt seiner schwarzen Tochter, dass ihre Hautfarbe Zufall sei. Erst als Jugendliche entdeckt sie zufällig die Wahrheit. Viele Jahre zuvor kommt eine Gruppe Afrikaner zum Studium in die DDR. Sigrid aus Leipzig und Lucien aus Togo verlieben sich. Aber Sigrid ist verheiratet und hat einen Sohn. Als sie von Lucien schwanger wird, zerbricht die Familie zunächst. Doch später wagen sie einen Neustart. Die erstaunlichen Strategien, die das Ehepaar nach der Geburt des schwarzen Kindes im Ringen um „Normalität“ entwickelt, verfolgt der Film aus der Sicht des heute längst erwachsenen Kindes, der Regisseurin Ines Johnson-Spain. „Becoming Black“ ist das intime Porträt einer schwierigen Kindheit in einer Kultur des Schweigens und der Verleugnung. Der Film verdeutlicht, was passiert, wenn das Nichtpassende in einem normierten Umfeld plötzlich sichtbar wird. Auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater bricht die Regisseurin auch zu einer Reise nach Afrika auf, wo sie ihre große togolesische Familie kennenlernt. So entwickelt sich der Film zu einer Reflexion über Zugehörigkeit, soziale Normen, Familienkonzepte und systemischen Rassismus.

Di., 6. Okt · 20:15-21:44 · arte
Blackbox Syrien – Der schmutzige Krieg

Was Anfang 2011 mit Massendemonstrationen für politische Reformen in Syrien begann und zu einer Revolution des Arabischen Frühlings wurde, ist längst ein geopolitischer Konflikt, der von ausländischen Mächten dominiert wird: vom Iran und Russland auf Seiten des syrischen Diktators Baschar al-Assad und auf der Gegenseite die Türkei, die USA, die Golfstaaten und Israel, die in Syrien ihre eigenen Ziele verfolgen. Der Krieg hat unermessliches Leid vor allem über die Zivilbevölkerung gebracht. Über zwölf Millionen Syrer sind zu Flüchtlingen geworden, Hunderttausende haben ihr Leben verloren. Der Dokumentarfilm analysiert die Ursachen des Krieges: Sie liegen innersyrisch im System Assad, das bei seinem Überlebenskampf das Land in ein Schlachtfeld verwandelt hat, auf dem regionale und internationale Konflikte ausgetragen werden. Das Assad-Regime hat dabei mit dem Einsatz chemischer Kampfstoffe gegen die aufbegehrenden Syrer alle roten Linien überschritten und eine Spirale der entgrenzten Gewalt ausgelöst. Renommierte internationale Experten und Akteure wie der ehemalige US-Botschafter in Damaskus, Robert Ford, der türkische Regierungsberater Ibrahim Kalin, der Kommandeur der bewaffneten syrischen Opposition, Salim Idriss, oder der Assad-Biograf Sam Dagher schildern anschaulich die Stationen des Konflikts und machen die Motive hinter diesem Krieg deutlich. Dabei wird auch das bis heute ungelöste syrische Kernproblem deutlich: die totalitäre Diktatur des Assad-Familienclans.

Mi., 7. Okt · 20:45-21:15 · MDR
Das Leben danach – Das Attentat von Halle

Ein Jahr ist seit den Schüssen in Halle vergangen. Inzwischen muss sich der Attentäter vor Gericht für seine Taten verantworten. Er selbst ist medial sehr präsent – und die Bilder seiner Tat, die er live ins Internet gestreamt hatte, sind es ebenfalls. „Exakt – Die Story“ wechselt die Perspektive und lässt die Betroffenen zu Wort kommen. Wie haben diejenigen den Anschlag erlebt, die sich an Jom Kippur 2019 in der Synagoge in Halle aufgehalten haben? Am 9. Oktober 2019 versuchte Stephan B. dort schwer bewaffnet einzudringen, wollte Jüdinnen und Juden töten, angetrieben aus einer rechtsextremistischen, antisemitischen und rassistischen Weltsicht. „Wir haben gesehen, wie er Granaten und Molotow-Cocktails geworfen hat, wie er geschossen hat auf die Tür“, sagt Gemeindevorsteher Max Privorozki. „Dass das ein Anschlag auf unsere Synagoge war, habe ich nicht sofort verstanden.“ Die Tür zur Synagoge hielt den Schüssen stand. Das zersplitterte Holz wurde zum Symbol für den Tag des Anschlages. Ein Jahr später bereitet sich Max Privorozki darauf vor, dem Attentäter im Gerichtssaal gegenüberzutreten. „Ich will verstehen, wie er sich entwickelt hat – von einem Judenhasser zu einem Mörder“, sagt er. Er wolle verstehen, wie aus Gedanken Taten werden. Auf der Straße vor dem Gotteshaus hatte der Angeklagte die Passantin Jana L. erschossen, wenig später in einem Imbiss den Gast Kevin S. Die Mitarbeiter Rifat und Ismet Tekin erleben den Mord mit. Ismet Tekins Leben ist seit dem 9. Oktober ein anderes: „Die Tage werden Nacht, die Nacht wird Tag“, beschreibt er sein Trauma. Auch, um das Gesehene zu verarbeiten, verfolgt er den Prozess gegen Stephan B. im Gerichtssaal. Die Schießerei zwischen Attentäter und Polizei auf der Ludwig-Wucherer-Straße vor dem Kiez-Döner, mitten in Halle, war auch für weitere Zeugen ein einschneidendes Erlebnis. „Wir hörten Schreie, wir hörten Schüsse“, schildert Andreas Splett. Er bringt in seiner Wohnung einen Mann in Sicherheit, der aus dem Imbiss fliehen kann. In Wiedersdorf bei Landsberg verletzt der Attentäter zwei Menschen schwer. Mit vorgehaltener Waffe entwendet er einem Taxifahrer dessen Fahrzeug. Der Besitzer will ihn aber nicht einfach so davonkommen lassen. In einem zweiten Auto nimmt er die Verfolgung auf. „Exakt – Die Story“ fragt nach den Konsequenzen, welche die Sicherheitsbehörden aus dem Anschlagstag und dessen Aufarbeitung ziehen, fragt nach den Spätfolgen, die die Betroffenen aushalten müssen – und begleitet das Gerichtsverfahren, an dessen Schluss die strafrechtlichen Konsequenzen für Stephan B. stehen werden.

Sa., 10. Okt · 00:15-01:35 · MDR
Anderswo

Noa ist Anfang 30. Sie lebt seit acht Jahren in Berlin, beendet gerade ihr Studium und steckt plötzlich mitten in einer Krise. Wo gehört sie hin? Zu Jörg, ihrem deutschen Freund, bei dem sie gerade eingezogen ist, oder nach Israel zu ihrer Familie und ihren alten Freunden? Sie erkennt sich selbst nicht wieder. Als dann auch noch die Professorin ihre hochambitionierte Masterarbeit, ein Wörterbuch für unübersetzbare Wörter, für unzureichend erklärt, und Jörg mit seinem Orchester auf Konzertreise geht, nimmt sich Noa eine Auszeit. Spontan fliegt sie nach Israel. Ein paar Tage Heimaturlaub. Sonne, Familie, Essen, Muttersprache. Doch was als Kurztrip gedacht war, dehnt sich aus. Ihre geliebte Oma liegt im Sterben und alte Familienkonflikte kochen wieder hoch. Als völlig überraschend auch noch Jörg nach Israel kommt, um sie zurückzuholen, ist das emotionale Chaos perfekt. Jörg lernt nicht nur zum ersten Mal Noas Familie kennen, sondern auch ganz neue Seiten an seiner Freundin.

Sa., 10. Okt · 06:15-06:40 · MDR
Leahs jüdisches Leben in Dresden

Leah ist zehn Jahre alt, wohnt in Dresden und ist Teil einer jüdisch-italienisch-sächsischen Familie. Da ihre Mutter Jüdin ist, wurde auch Leah als Jüdin geboren. Obwohl die Familie nicht streng gläubig ist, ist Leah mit vielen jüdischen Traditionen vertraut. Ein wichtiges Ritual für ihre Familie ist der Schabbat am Freitag, wo alle Familienmitglieder gemeinsam essen und singen. An diesem Tag sind in der Familie bestimmte Lebensmittel nicht erlaubt, Milch- und Fleischprodukte werden getrennt zubereitet und gegessen. An den anderen Tagen in der Woche isst Leahs Familie ganz normal, vorwiegend italienisch, da Mama Italienerin ist und das allen am besten schmeckt. Seit kurzem lernt Leah hebräisch und liest in der Thora, die so etwas wie die Bibel bei den Christen ist. In ihrer Schule ist Leah das einzige jüdische Kind und beantwortet ihren Mitschülern regelmäßig Fragen zu ihrer Religion. Gerade wurde sie in den Kinderchor der Semperoper aufgenommen und kann dort nun ihre Liebe zur Musik richtig ausleben. Auch zu Hause singt sie viel und wird dabei oft von ihrem Vater am Klavier begleitet. Am Mischpoke-Tag der Jüdischen Woche in Dresden will Leah nun erstmals jüdische Lieder öffentlich singen. Ihre ganze Klasse ist eingeladen, die hebräischen Texte sitzen noch nicht richtig und auch bei der Melodie hakt es immer noch. Leah fiebert ihrem Auftritt mit gemischten Gefühlen entgegen – hoffentlich geht alles gut!

Sa., 10. Okt · 11:45-12:15 · MDR
Die Spur der Schätze – Der Schatz von Erfurt

Er überstand Krieg, Revolutionen und Stadtumbauten. Doch nach 649 Jahren öffnete sich sein Versteck in der Erde unter Erfurts Altstadt. 1998: Ein Bagger holt ein paar alte Becher, Schalen und Kannen ans Licht. Der erste Eindruck der Bauarbeiter: Geschirrteile, ganz hübsch bearbeitet, aber sonst? Doch die alten Teile alarmieren die Archäologen. Wieder graben sie im Areal, diesmal ganz gezielt, direkt am Fundort. Und sie finden einen Schatz: 3.141 französische Silbermünzen, 14 Silberbarren, mehr als 700 Goldschmiedearbeiten. Ein Schatz – fast 30 Kilogramm schwer. Er wird als „Erfurter Schatz“ weltweit bekannt und bewundert werden. Aber wem gehörten die Ringe und Trinkbecher? Warum versteckte der Besitzer Silberbarren und Münzen? Warum sind die gotischen Goldschmiedearbeiten nicht nur ein Schatz fürs Auge, sondern auch für die Wissenschaft und Stadtgeschichte? Ein Film übers eilige Verstecken und zufällige Finden, über einen Schatz, der ein Fenster öffnet in Erfurts jüdische Geschichte und gotische Handwerkskunst.

Sa., 10. Okt · 12:15-12:45 · MDR
Heimweh nach Themar – Jüdische Spuren an Rennsteig und Werra

1983 schreibt Manfred Rosengarten aus San Francisco einem einstigen Klassenkameraden in Themar von seinem Heimweh. Nach der Vertreibung durch die Nazis hatte er, der Jude aus dem Süden Thüringens, in den USA ein neues Zuhause gefunden. Ganz schnell entspinnt sich ein reger Briefwechsel zwischen Einwohnern von Themar und den jüdischen Schulkameraden oder Nachbarn von damals. 2011 besuchen erstmals Nachfahren der Themarer Juden die kleine Stadt an der Werra. Die Erinnerungen werden eine „heilende“ Wirkung haben. Denn bis 1933 lebten sie hier friedlich Tür an Tür, als Freunde, Nachbarn, Kameraden. Nach dem Ende der Nazi-Barbarei gab es keine Juden mehr in der Region. Erst in jüngeren Jahren suchen und erforschen engagierte Lokalhistoriker, interessierte Einwohner und Wissenschaftler die Geschichte der Juden in der Region, knüpfen sie Kontakte zu Nachfahren. Sie können weiße Flecken in Ortschroniken mit Worten und Bildern füllen, und oft schlägt die Spurensuche eine Brücke zwischen gestern und heute. Sie finden bewegende jüdische Lebenswege, allerorten. Wie ein Roadmovie erzählt die Dokumentation von Ulli Wendelmann von jahrhunderte währender Gemeinschaft. Denn Juden haben zwischen Rennsteig und Werra eine fast tausendjährige Geschichte. Sie waren Händler, Mechaniker, Lehrer, Kaufleute, Bankiers, Fabrikanten. In manchen Orten wie Berkach stellten sie ein Drittel der Einwohner. In Meiningen sorgte der jüdische Bankier Gustav Strupp für wirtschaftliche Impulse weit über seine Heimatregion hinaus. Ohne die jüdische Familiendynastie Simson gäbe es die „Waffen-und Fahrzeugstadt“ Suhl nicht. In Oberhof organisierte Dr. Alexander Lion bis 1936 die Betreuung bei Ski-Wettkämpfen, die Sanitätskolonnen des jüdischen Arztes wurden Vorläufer der allgemeinen Bergwacht. Doch die tausendjährige Geschichte ist ebenso voll von Pogromen, Vertreibungen und der Auslöschung der jüdischen Bevölkerung mit dem Holocaust..

Sa., 10. Okt · 12:45-13:15 · MDR
Jüdisches Leben in Mitteldeutschland – Unterwegs in Sachsen-Anhalt

Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges entwickelte sich in Halberstadt eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinden in Deutschland. Die tolerante Judenpolitik des Großen Kurfürsten hatte daran ihren Anteil, aber auch das Wirken des Kaufmanns Berend Lehmann, einer der bedeutendsten jüdischen Persönlichkeiten in Europa um 1700. Victoria Herrmann und Andreas Neugeboren haben sich unterhalb des Petershofs, des ehemaligen Bischofspalastes, auf Spurensuche begeben. Dort, wo einst das Judenviertel in Halberstadt war. Trotz Naziterror, Krieg und DDR-Verlusten haben sich erstaunliche Spuren jüdischen Lebens in Halberstadt erhalten. Was das alles mit dem „Fliegenden Holländer“ von Richard Wagner zu tun hat, erzählen sie bei „Unterwegs in Sachsen-Anhalt – Auf jüdischen Spuren“.

Sa., 10. Okt · 18:45-18:50 · MDR
Glaubwürdig: Lutz Balzer

Als er Mitte der 80er-Jahre per Anhalter durch die Ostblockstaaten reiste, fotografierte Lutz Balzer auch jüdische Friedhöfe und Synagogen – bzw. das, was davon übrig war. Die Relikte der in der DDR langsam aussterbenden Religion zogen ihn an und berührten ihn. Dass seine Familie jüdisch ist, war ihm als Kind bewusst, doch religiös aufgewachsen ist er nicht. Als Jugendlicher fand er dann über die Texte jiddischer Lieder einen Zugang zur jüdischen Kultur und Religion. Jahrzehnte später wurden Spuren jüdischen Lebens in Erfurt wieder „ausgegraben“ – wie die Mikwe und die Alte Synagoge – und Lutz Balzer ist mit dem Misrach-Quartett so etwas wie ein Botschafter jüdischer Kultur in seiner Stadt. Einmal im Monat gestaltet er die Rundfunksendung „Radio Schalom“ und er ist in der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen aktiv. Lutz Balzer ist es wichtig, dass es nicht nur Denkmäler in Erfurt gibt, sondern lebendiges jüdisches Leben.

So., 11. Okt · 07:30-08:00 · MDR
Nah dran – Das Magazin für Lebensfragen: Was heißt hier koscher? Jüdisch leben bei uns

Einen Juden oder eine Jüdin kennen zu lernen ist Glückssache. In Mitteldeutschland bekennen sich etwa 5.000 Menschen zum jüdischen Glauben und viele von ihnen gehen diskret mit ihrer Religionszugehörigkeit um. Wie junge Juden unter uns leben und wie man zum Judentum konvertieren kann, darüber berichtet nah_dran. Außerdem kompakt und kurzweilig: Was man über die jüdische Religion wissen sollte.

So., 11. Okt · 15:30-16:15 · MDR
Schocken – Das legendäre Kaufhaus in Chemnitz

Ach, Sie meinen das „Schocken“? Bis heute kennen die Chemnitzer unter diesem Namen das geschwungene Gebäude mit den langen Fensterreihen in der Brückenstraße. Ein Haus mit einer Geschichte von Erfolg, Niedergang und Neuanfang. Die Brüder Simon und Salman Schocken beauftragen 1927 den Star-Architekten Erich Mendelsohn mit dem Entwurf einer weiteren Filiale ihrer Warenhauskette in Chemnitz. Die Handschrift Mendelsohns: schnörkellos, klar und geradlinig. Das Bauwerk wird zu einer Sensation, gilt als Ikone der Moderne und bringt einen Hauch von Weltstadt nach Chemnitz. Im Mai 1930 öffnet das „Schocken“ seine Türen. Ein modernes Kaufhaus, in dem Waren angeboten werden, die sich jeder leisten kann. Eine deutsch-jüdische Erfolgsgeschichte! Doch mit der Machtergreifung der Nazis kommt der Niedergang. An den 9. November 1938 kann sich der 94jährige Chemnitzer Justin Sonder noch genau erinnern. Der damals 13-Jährige wohnt mit seinen Eltern genau gegenüber vom Kaufhaus Schocken. „Ich bin wach geworden vom Radau, ich hatte Angst, wusste nicht was da los war. Es hat geklirrt und gekracht. Habe aus dem Fenster geguckt und sah, wie SS und SA-Leute und viele Männer in Zivil mit Steinen bewaffnet die großen Schaufensterscheiben vom Schocken eingeschlagen haben.“ Auch Siegmund Rotstein, 94, erinnert sich an die Reichspogromnacht. „Das kann man einfach nicht vergessen!“ Bis 1945 firmiert das Kaufhaus als Merkur Verkaufsstätte, dann als HO und später als Centrum Warenhaus. Nach 1991 übernimmt Kaufhof das legendäre Haus. Zehn Jahre später wird es geschlossen. Doch ab 2014 kommt neues Leben in das alte „Schocken“. Nach umfangreicher Sanierung öffnet 2014 das SMAC, das Staatliche Museum für Archäologie, im „Schocken“ seine Pforten. „Der Osten – Entdecke wo du lebst“ über die wechselvolle Geschichte eines beeindruckenden Hauses, das von vielen Chemnitzern immer noch einfach „das Schocken“ genannt wird.

So., 11. Okt · 19:10-19:40 · 3sat
Kippa, Kirchen und Koran: Konfliktherd Jerusalem

Seit Jahrhunderten ringen Juden, Christen und Muslime um Jerusalem – die historisch so aufgeladene Geburtsstätte der drei abrahamitischen Religionen. Für alle drei ist Jerusalem ein Zentrum ihres Glaubens. Das macht das Zusammenleben in der Heiligen Stadt alles andere als einfach. Ein „NZZ Format“ über drei Religionen, drei Weltanschauungen und ihre anstrengende Geliebte. Die Altstadt Jerusalems ist gerade mal einen Quadratkilometer groß und in verschiedene Quartiere unterteilt, die sich nach den Religionen richten. Doch immer öfter besetzen jüdische Siedler leer stehende Häuser im muslimischen Quartier. Angeheizt werden die Spannungen vom politischen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Das gegenseitige Misstrauen ist groß, obwohl vor allem Juden und Muslime bei näherer Betrachtung überraschend viele Gemeinsamkeiten haben. Eine Gruppe von Köchen aller drei Religionen will diese Gräben überwinden. Die „Chefs4Peace“ kochen gemeinsam und hoffen, damit auch Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammenzubringen.

So., 11. Okt · 22:30-23:15 · Das Erste (ARD)
Herbst 1929 – Schatten über Babylon

Herbst 1929: Gerade noch hat die Weimarer Republik ausgelassen ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert, da ziehen Schatten über Berlin auf. Im Reichstag kommt es zu Lärmszenen, ausgelöst von Rechtsnationalen, die die Weltkriegsniederlage und ihre Folgen nicht verwunden haben. Ihr Anführer: Alfred Hugenberg, der ist unter anderem Chef der Universum-Film-AG (UFA) und mächtigster Verleger der Republik, der sich mit dem Geld aus der Schwer- und der Rüstungsindustrie ein Imperium zusammengekauft hat. Sein Hauptfeind: Außenminister Gustav Stresemann, der in großer Beharrlichkeit mit den Siegermächten um Kompromisse im „Young-Plan“ ringt – um eine friedliche Zukunft Deutschlands in einem vereinten Europa. Hugenberg trauert der Monarchie nach und bekämpft Stresemann. Dafür verbündet er sich auch mit den Nazis, paktiert mit Adolf Hitler und dem Berliner Gauleiter Joseph Goebbels. Ihr Ziel ist ein Volksbegehren gegen den „Young-Plan“. Im Oktober stirbt Stresemann an einem Schlaganfall. Die Demokraten trauern, Hugenberg und Goebbels reiben sich die Hände. Als die Weltwirtschaftskrise auch Deutschland erreicht und die Berliner in Schockstarre versetzt, sehen die Antidemokraten das Ende der Weimarer Republik gekommen. Unterdessen beginnen in Babelsberg bei der UFA die Dreharbeiten zu „Der blaue Engel“, der den weltweiten Siegeszug des deutschen Tonfilms einläuten soll, mit Hugenbergs Lieblingsschauspieler Emil Jannings – und einem Revuegirl mit Berliner Schnauze: Marlene Dietrich. Hugenberg, Goebbels, Stresemann, Dietrich – vier Persönlichkeiten, die das deutsche Schicksalsjahr prägen und im Mittelpunkt von „Herbst 1929 – Schatten über Babylon“ stehen. Die Dokumentation von Matthias Luthardt begleitet die Ausstrahlung der dritten Staffel von „Babylon Berlin“ im Ersten und verknüpft Archivmaterial mit Stimmen unterschiedlichster Zeitzeugen. Fünf Schauspielerinnen und Schauspieler aus der dritten Staffel von „Babylon Berlin“ erwecken die Zitate zum Leben: Benno Fürmann, Godehard Giese, Nina Gummich, Fritzi Haberlandt und Sebastian Urzendowsky. Mit ihnen geht der Film durch diese Umbruchzeit. Berlin im Herbst 1929 – so fern und doch so nah.

So., 11. Okt · 22:30-00:00 · MDR
Rabbi Wolff

Rabbi Wolff hatte Charme und Charisma. Ein Gentleman in Aussehen und Haltung. Seine Aussagen über Leben und Tod faszinierten sein Publikum. Am 8. Juli 2020 ist Landesrabbiner William Wolff mit 93 Jahren in London gestorben. Willy Wolff war ein kleiner Herr mit Hut – aber er sprühte. Er sprach witzig, klug und charmant über Tod, Trauer und die Vorstellungen vom Jenseits. Er verzauberte die Menschen. 1927 in einer jüdisch-orthodoxen Familie in Berlin als Wilhelm Wolff geboren, lebte er seit seinem zwölften Lebensjahr in England.. Bevor er mit über 50 Jahren Rabbiner wurde, war Willy Wolff Journalist. Als politischer Korrespondent verschiedener englischer Tageszeitungen begleitete er drei Jahrzehnte Weltpolitik aus nächster Nähe. So reiste er mit dem britischen Außenminister nach China und in die Sowjetunion oder traf sich mit den Regierungschefs aus ganz Europa. Dieses Leben gab er auf für seinen Traum: Rabbiner zu werden. Als Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern betreute Willy Wolff die jüdischen Gemeinden in Schwerin und Rostock, aber er wohnte in einem kleinen Haus bei London. Mitte der Woche flog er meist nach Hamburg, stieg in den Zug und pendelte zu seinen Einsatzorten im Nordosten Deutschlands. In der Regel trat er samstags die Rückreise nach England an. Höhepunkte im Jahr waren für ihn das königliche Pferderennen von Ascot, das Weihnachtssingen in der Schlosskirche von Windsor und das Neujahrsfasten in Bad Pyrmont. Willy Wolff führte ein Jetset-Leben, das er sich eigentlich nicht leisten konnte. Der Umgang mit Geld zählte nicht zu seinen Stärken, das führte gelegentlich zu ziemlich weltlichen Konflikten. Der Dokumentarfilm „Rabbi Wolff“ von Britta Wauer öffnet Türen. Mit Witz und Charme gibt er Einblick in die Welt des Judentums. Er ist nicht nur das Porträt einer bezaubernden Persönlichkeit, er ist auch eine Reise zu uns selbst, inspirierend und sehr unterhaltsam. Er erzählt am Beispiel dieses besonderen Menschen, was alles möglich ist im Leben und dass es nie zu spät ist, neu anzufangen. Am 8. Juli 2020 ist Landesrabbiner William Wolff mit 93 Jahren in London gestorben.

Mo., 12. Okt · 00:00-01:00 · MDR
Café Nagler

Seit Kindertagen faszinieren Mor Kaplansky die Geschichten ihrer jüdischen Großmutter über das legendäre „Café Nagler“, das im Berlin der 20er-Jahre ihrer Familie gehörte. Auf Spurensuche in Berlin stellt sich aber bald heraus, dass das „Nagler“ nicht halb so glamourös war, wie die Großmutter glaubt. Um der alten Dame nicht das Herz zu brechen, erfindet Kaplansky kurzerhand das Café neu. In ihrer fiktiven Dokumentation wird der Mythos lebendig – Die Geschichte des prachtvollen und unvergesslichen „Café Nagler“!

Mo., 12. Okt · 01:45-03:15 · arte
Junction 48

Kareem ist ein junger palästinensischer Musiker, der in Lod lebt, einer Vorstadt von Tel Aviv. Wie seine Freunde hat auch er einen israelischen Pass, als Angehörige der arabischen Minderheit gehören Schikanen von Behörden und der jüdischen Bevölkerung jedoch zu ihrem Alltag. Mit seinen Freunden vertreibt er sich die Zeit auf der Straße, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und träumt von einer Karriere als Rap-Musiker. Nachdem sein Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, bei dem auch seine Mutter schwer verletzt wurde, findet Kareem bei seiner Freundin, der Sängerin Manar, Halt. Mit ihr teilt Kareem nicht nur die Leidenschaft und Faszination für die Welt des Hip-Hop, sie treten auch gemeinsam auf. Als es bei einem ihrer Konzerte zu einem Angriff durch jüdische Rapper kommt, beschließen Kareem und Manar, mit ihrer Musik ein Zeichen gegen die permanente Diskriminierung zu setzen. Damit geraten sie jedoch zwischen die Fronten – nicht nur zwischen den palästinensischen und jüdischen Gesellschaften, sondern auch zwischen ihren Träumen von Unabhängigkeit und den konservativen Positionen ihrer „Community“ … In „Junction 48“ verwandelt Regisseur Udi Aloni gemeinsam mit der Sängerin Samar Qupty und Tamer Nafar – dem Frontmann von DAM, der ersten palästinensischen Rap-Gruppe – deren persönliche Lebensereignisse in ein neues, energiegeladenes Plädoyer einer jungen arabischen Generation für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in Israel. Der Dokumentarfilm feierte mit großem Erfolg auf der Berlinale 2016 seine Premiere und gewann den Publikumspreis in der Panorama-Sektion.

Mo., 12. Okt · 22:15-22:45 · WDR
Rassismus – was hat das mit mir zu tun? – Unterwegs im Westen

„Du kannst nicht verstehen, was ich erlebt habe. Du hattest eine ganz andere Kindheit als ich, weil du ja nicht die Hautfarbe hast, die ich habe!“ So beschreibt es der Schaffner Darun Jegathan. Er ist in Dortmund aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus Sri Lanka. Wegen seiner Hautfarbe wird er seit seiner Kindheit immer wieder beleidigt oder abwertend angeschaut. „Als ich noch ein Kind war, gab es ein Wort für unsere ethnische Abstammung. Das wurde in der Schule oft zu mir gesagt. Oder ich habe Spitznamen bekommen, mit denen ich beleidigt wurde.“ Grundlos von der Polizei kontrolliert werden, seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, seltener eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen – von solchen und anderen rassistischen Erfahrungen berichten viele Menschen in Deutschland. Darun Jegathan sagt, Rassismus werde es immer geben. Aber lässt sich gegen rassistische Strukturen in unserer Gesellschaft wirklich nichts unternehmen? Und wie schwer ist es für weiße Menschen, Rassismus-Erfahrungen nachzuvollziehen? Reporter Fritz Sprengart versucht es. Bei der Sozialpädagogin Emilene Wopana Mudimu aus Aachen besucht er einen Anti-Rassismus-Workshop. Er will herausfinden, ob er sich rassistisch verhält, ohne es zu beabsichtigen. Und wenn ja, wie kann er das ändern?

Mi., 14. Okt · 22:45-23:30 · BR
Was bleibt – Steine der Mahnung

Der Umgang mit dem „steinernen“ Erbe der Nationalsozialisten beschäftigt Nürnberg seit nunmehr 75 Jahren. Kulturell hat Nürnberg vieles bewegt und findet dafür international viel Anerkennung: einziges Menschenrechtsbüro einer deutschen Kommune, einzige Diskriminierungsstelle, Menschenrechtsbildung, Menschenrechtspreis, die Straße der Menschenrechte, das Menschenrechts-Filmfestival, Doku-Zentrum, das „Memorium Nürnberger Prozesse“ – Nürnberg stellt sich seit Jahren seiner Verantwortung. Die Ausmaße des ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgeländes waren gigantisch. Architektur im Dienst von Propaganda und Herrschaftsfantasien auf rund 16,5 Quadratkilometern. Es dauerte Jahrzehnte bis die Stadt Nürnberg nach Kriegsende einen Umgang mit ihrer braunen Vergangenheit gefunden hat. Anders als viele andere Städte in Deutschland widerstand Nürnberg der Versuchung, die Altlasten der Nazis vollständig zu sprengen. Heute ermöglichen die Ruinen der Kolossalbauten den Größenwahn der Nationalsozialisten nachzuspüren. Geblieben sind Steine der Mahnung.

Do., 15. Okt · 20:15-21:00 · PHOENIX
Amerikas neue Nazis

Gruppierungen weißer Nationalisten in den USA haben nach den Demos in Charlottesville im Juli 2017 an Stärke gewonnen: Sie unterwandern das US-Militär und planen terroristische Anschläge. Das Massaker in der Tree-of-Life-Synagoge im Oktober 2018 in Pittsburgh geschah im Dunstkreis der neuen rechten Bewegungen in den USA. Der Attentäter Robert Bowers wird in der Szene weißer Nationalisten als Held gefeiert. Die extremste Organisation der rechten Szene in den USA nennt sich „Atomwaffen Division“. Diese Gruppe hängt der Naziideologie an und predigt Hass auf Minderheiten, Schwule und Juden. Sie ru Gewalttaten von Einzelkämpfern auf – solche wie bei dem Attentat in Pittsburgh. Die Ideologie der „Atomwaffen Division“ basiert einem Insider zufolge auf Schriften des Neonazis James Mason. Der hat in den 1980er-Jahren einen Rundbrief mit dem Titel „Siege“, also „Belagerung“, veröffentlicht. Mason gilt als letzter in einer langen Reihe von Nazi-Anführern, die ihre Rolle vom Gründer der amerikanischen Nazipartei, George Lincoln Rockwell, übernommen haben. Der hatte sich an Adolf Hitler orientiert. George Lincoln Rockwell war Veteran des Zweiten Weltkrieges. Genauso wie Richard Butler, der Gründer der „Aryan Nations“. Die US-amerikanische Historikerin Kathleen Belew, die zur Bewegung der weißen Nationalisten in den USA forscht, sieht einen Zusammenhang: „In der amerikanischen Geschichte gibt es immer eine Beziehung zwischen den Folgen eines Krieges und aufständischer Gewalt weißer Nationalisten. Nationalistischer Eifer und populistische Bewegungen treten typischerweise nach einem Krieg auf.“ Auch der „Grand Dragon“ des Ku-Klux-Klans, Louis Beam, war Vietnamkriegsveteran, der Bombenleger von Oklahoma City, Timothy McVeigh, Golfkriegsveteran. „Veteranen und aktiv dienende Soldaten in diesen Bewegungen machen zwar nur einen kleinen, statistisch nicht relevanten, Anteil aller Veteranen aus“, sagt Belew. „Innerhalb der Bewegung spielen ehemalige Soldaten aber eine wichtige Rolle für die Schulung im Waffengebrauch und für die Ausprägung einer paramilitärischen Mentalität.“ Und so wie Veteranen maßgeblich an der Gründung rechter Gruppierungen beteiligt sind, wird in jüngster Zeit umgekehrt das Militär infiltriert mit Anhängern dieser Bewegungen. Der ehemalige Kongressabgeordnete und jetzige Generalstaatsanwalt von Minnesota, Keith Ellison, sagt: „Für die ist das wohl eine strategische Initiative, dass sie ihre Leute ins Militär schicken.“ Die Bedrohung durch Unterwanderung des US-Militärs scheint ernst zu sein: Erst im Februar 2019 macht ein rechtsradikaler Offizier der US-Küstenwache Schlagzeilen, der Anschläge auf Demokraten und Journalisten geplant haben soll. Ermittler entdeckten in seinem Haus ein riesiges Waffenarsenal.

Do., 15. Okt · 23:15-00:45 · SWR
Lea Tsemel, Anwältin

Israels Besatzung palästinensischer Gebiete führt seit Generationen zu blutigen Auseinandersetzungen. Auf palästinensischen Widerstand folgt israelische Expansion, eine friedliche Lösung des Konflikts ist in weite Ferne gerückt. Lea Tsemel ist jüdische Anwältin und verteidigt palästinensische Straftäter, die in ihrem Land keine Stimme haben. Für ihre politischen Gegner ist sie deshalb eine Verbündete des Teufels, eine Schande für das Land. Sie vertrete Freiheitskämpfer und opponiere, stelle sich damit gegen die israelische Siedlungspolitik, sagen ihre Befürworterinnen und Befürworter.