Paraschat haSchawua: Ekew

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Der Gedanke, der in den zwei vorigen Beiträgen (Einführung in das 5. Buch Moses) entwickelt wurde, setzt sich in der jetzigen Parascha fort. Offensichtlich war Moses skeptisch bezüglich der Akzeptanz des monotheistischen Glaubens durch sein Volk. Schließlich hat das Volk seit Generationen in einer heidnischen Umgebung gelebt und war selbst heidnisch…

Wochenabschnitt Ekev; 5. Moses, Kap. 7, 12 – 11, 25, Schabbat, 8. August 2020

Vierzig Jahre Wanderung durch die Wüste konnten ja letzten Endes nicht für eine neue Lebenseistellung, für ein neues Glaubensbewusstsein reichen, deshalb wollte er die Einhaltung der Gesetze und den Glauben an Gott absichern, indem er die Methode von Lohn und Strafe zum Angelpunkt machte.

Und wenn ihr diese Gesetze hört und sie haltet und danach tut, so wird der HERR, dein Gott dich lieben und segnen und mehren, und er wird segnen die Frucht deines Leibes und den Ertrag deines Ackers, dein Getreide, Wein und Öl, und das Jungvieh deiner Kühe und deiner Schafe in dem Lande, das er dir geben wird. Gesegnet wirst du sein vor allen Völkern (5. M. 7, 12).

Die Forderung, den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele (5. M. 6, 5), weil er das Volk mit Großen Wundern aus der Knechtschaft befreite, würde nicht ausreichen. Moses meinte, wohl zu Recht, dass es besser sei direkt zu warnen: Siehe, ich lege euch heute vor den Segen und den Fluch (5. M. 12, 26). Die Flüche hat Moses an einer anderen Stelle ausführlich und wahrlich zum Fürchten detailliert aufgeführt.

Was uns aber hier vorliegt, ist noch kein Monotheismus. Wenn am so will, ist es eine abgewandelte Form eines heidnischen Glaubens. Es ist der Vorschlag zu einer Art von Abmachung zwischen einem Gott und einer Gruppe von Menschen, die auf Gegenseitigkeit beruht. Gott seinerseits verlangt, dass man ihm dient, die festgelegten Opfer darreicht, seine Gesetze und Anordnungen befolgt, und sofern man sich daran hält, verspricht er seinen Anhängern Schutz und Segen in jeder Beziehung. Sollten die Menschen, die diese Vereinbarung eingegangen sind, jedoch davon abweichen oder die ignorieren (z.B. sich noch anderen Göttern verpflichten), wird er sie mit den schlimmsten Strafen verfolgen.

Die Kehrseite ist, dass die Menschen ihrerseits von Gott die Einhaltung seiner Verpflichtung ebenfalls einfordern können. Haben sie ihm treu gedient, verlangen sie ihrerseits den versprochenen Schutz und Segen. Sollten sie diesen nicht bekommen, ist das ein Grund, sich von diesem Gott abzuwenden und sich einem stärkeren und verlässlicheren Gott zuzuwenden. Und das war genau die Einstellung der heidnischen
Völker zu ihren Göttern. Erlitt solch ein Volk eine Niederlage im Krieg, verlor er gar sein angestammtes Land, seine Heimat, hatte es kein Problem, sich dem Gott der Sieger zuzuwenden.

Dieses Problem erkannten die Talmudgelehrten sieben Jahrhunderte später. Der Glaube an den Gott Israels konnte doch nicht heidnische Grundlagen haben! Wie war dieser Widerspruch zu lösen? Mehrere Jahrhunderte wurde darüber debattiert, wobei hier nicht ausführlich darauf eingegangen werden kann. Eine zum Verständnis vereinfachte Erklärung lieferte der große Moses Maimonides:

Selbst wenn der Mensch sich zunächst an die Gesetze hält, weil er sich davon etwas verspricht, so wird er mit der Zeit sich daran gewöhnen und sich gottesfürchtig verhalten, auch ohne Lohn bzw. Strafe zu erwarten. So ähnlich wie bei einem lernunwilligen Kind, das zum Lesenlernen durch Süßigkeiten gelockt wird, jedoch später am Lesen Freude findet.

Möglicherweise hatte Moses einen ähnlichen Gedanken, er konnte jedoch nicht vorausahnen, dass selbst nach dreitausend Jahren sein Glaube nicht ganz frei von heidnischen Gedankengängen sein würde.

Schabbat Schalom

Dr. Gabriel Miller absolvierte umfangreiche rabbinische und juristischen Studien, war Leiter der Forschungsstelle für jüdisches Recht an der Universität zu Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft. Außerdem gibt er die bei den Lesern von haGalil längst gut bekannte Website juedisches-recht.de heraus.

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