Das letzte Interview

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Ein Schriftsteller, er heißt Eshkol Nevo, leidet unter einer Schreibblockade. Das einzige, das er zustande bringt, ist die Beantwortung von Leserfragen. Nach und nach entfaltet sich die Krise, die den Schriftsteller in seine Schreibblockade getrieben hat. Und nein, es ist kein weiterer selbstmitleidiger Roman über eine Midlifecrisis. Eshkol Nevos neuer autofiktionaler Roman ist ein faszinierendes Spiel mit Realität und Fiktion…

© Bogenberger Autorenfotos

Das eigentlich perfekte Leben des Schriftstellers ist aus den Fugen geraten. Seine Frau, die er noch immer innig liebt, entfernt sich von ihm. Seine Tochter lebt lieber in einem Internat als mit der Familie. Sein bester Freund hat Krebs im Endstadium. Und der Schriftsteller kann nichts mehr schreiben. Um wenigstens etwas zu tun, seinen Alltag weiter aufrecht zu erhalten, macht er sich daran, einen ausführlichen Katalog von Leserfragen zu beantworten. Fragen, die dem echten Eshkol Nevo auf jeder Veranstaltung gestellt werden, Fragen, die er aber sicher nie so in Wirklichkeit beantwortet. Und Fragen, die ihn zu einer Geschichte über Liebe und Freundschaft, über das Leben mit dem Schreiben und der Fiktion, über sein Heimatland Israel, über Intimität und Geborgenheit inspirieren.

Viel erzählt Nevo, das man als wirkliche Erinnerungen erkennen kann, etwa über Haifa, wo er aufgewachsen ist, die Zeit bei der Armee, sein Psychologie-Studium, seinen Großvater, Levi Eshkol, der Israels dritter Premierminister war. Oder über seine Tante, die Tänzerin und Künstlerin Noa Eshkol, die gemeinsam mit einem Architekten die Eshkol-Wachman Bewegungsnotation erfand. Doch noch viel mehr erzählt Nevo, über Begegnungen, Erinnerungen, die uns fragen lassen, ob sie so passiert sind, oder ob sie reine Fiktion sind. Ob der Autor so ehrlich ist und diese Erinnerung, die ihn bis heute unangenehm berührt, mit uns teilt?

Am Ende ist es nicht wichtig, was real und was fiktiv ist, denn dieses letzte Interview, so der Originaltitel, fügt sich zu einer stimmigen Geschichte. Ein wunderbares Buch, das Eshkol Nevo vorgelegt hat. Nach all den Fragen, die nun beantwortet sind, bleibt nur die eine: Wie kann es von hier aus weitergehen? Welche Geschichte kann Nevo nach diesem Buch noch erzählen? Das bleibt gespannt abzuwarten. (al)

Eshkol Nevo, Die Wahrheit ist, Dtv 2020, 432 S., Euro 22,00, Bestellen?