N. O. Body – In Erinnerung an Karl M. Baer

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Am 20. Mai 1885 als Martha Baer geboren, als engagierte Volkspflegerin setzte sie sich für die Rechte von Frauen ein, als überzeugte Zionistin plädierte sie für eine feministische Agenda und die Vermittlung eines stolzen jüdischen Erbes an die Jugend. Mit 21 Jahren unterzog sich Baer einer Geschlechtsumwandlung, der erste dokumentierte Fall überhaupt, nachdem er aufgrund von Pseudohermaphroditismus irrtümlich als Mädchen erzogen worden war. Ab 1906 nannte er sich Karl M. Baer…

Heute ist Baer in Vergessenheit geraten, sowohl als feministische Zionistin wie auch als Autor des unter dem Pseudonym „N. O. Body“ erschienen autobiographischen Werkes „Aus eines Mannes Mädchenjahren„.

Geboren in Arolson wuchs Martha als Mädchen in einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie auf, nachdem die Hebamme und ein Arzt das Geschlecht nach der Geburt festgelegt hatte. Ein fataler Irrtum, wie sich bereits in der Pubertät zeigte, als Bartwuchs und Stimmbruch einsetzten. Später setzte sich Baer für die Rechte von Frauen ein und wurde überzeugte Zionistin.

1905 schrieb Martha Baer in Lemberg über die Beteiligung der Frau am zionistischen Aufbauwerk unter dem Titel „An unsere Frauen“:

„Noch nie sah die jüdische Geschichte eine Epoche von gleicher Wichtigkeit wie die jetzige, nie war die Mitarbeit der Frau, verständnisvoll und intensiv, so notwendig wie jetzt. Überall gebraucht man sie. (…)
Aber vor allem gilt es, die arbeitenden Schwestern zu organisieren, ihnen im Lebenskampf zur Seite zu stehen. Überall wo Jüdinnen wohnen, sollen Heime entstehen, die die Mädchen aufnehmen, wo sie im Verkehr mit gebildeten Frauen aller Stände ihre Volkszugehörigkeit innewerden, wo ihnen Rat, Hilfe und geistige Anregung geboten wird. (…)
Organisiert Euch, schliesst Euch fest zusammen, eine an der anderen Halt und Stütze suchend, eine der anderen Halt und Stütze bietend. Schliesst Euch zusammen und Eure Kräfte werden zehnfach sein!“

Nach einem Unfall im Jahr 1906 kam Baer im Krankenhaus mit Magnus Hirschfeld in Kontakt, der den Fehler in der Geschlechtsbestimmung diagnostizierte. Noch im selben Jahr konnte Baer mit Hilfe von Hirschfeld und zwei weiteren Ärzten die Genehmigung zur Geschlechtsänderung sowohl formal in den Unterlagen wie auch operativ erhalten.

In Lemberg hatte Baer Beile Halpern kennengelernt. Eine scheinbar unmögliche Verbindung, auch weil Beile verheiratet war. Die beiden hatten offenbar ihren gemeinsamen Selbstmord geplant. Baers Unfall kam dazwischen und stellte die Weichen neu. Im Oktober 1907, nach Baers Geschlechtsumwandlung heirateten sie. Beile Halpern starb jedoch nur zwei Jahre darauf. Baer heiratete erneut und arbeitete in Berlin zunächst für eine Versicherung, dann für die Jüdische Gemeinde, 1920 wurde er Direktor der Berliner Sektion der B’nai Brith Loge. Dort wurde er 1937 von der Gestapo verhaftet.

Nach seiner Freilassung konnte er die Genehmigung zur Auswanderung erhalten und emigrierte mit seiner Frau nach Palästina. Er ließ sich in Bat Jam nieder, wo er als Buchhalter und Versicherungsagent arbeitete. Karl M. Baer starb 1956 und ist in Tel Aviv beerdigt.