Antisemitismus bleibt in Berlin bedrohlich

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Weiterhin bleibt antisemitische Gewalt in Berlin gerade für Jüdinnen_Juden eine reale Gefahr, auch wenn sich die Gesamtzahl antisemitischer Vorfälle 2019 auf 881 verringerte. Dies geht aus dem Bericht „Antisemitische Vorfälle 2019“ hervor, den die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) heute veröffentlichte…

Mit 881 antisemitischen Vorfällen dokumentierte RIAS Berlin 2019 19 % weniger Vorfälle als im Vorjahr, als die Meldestelle 1.085 Vorfälle erfasste. Für Jüdinnen_Juden hat sich die Bedrohungssituation in Berlin dennoch nicht entspannt: Im vergangenen Jahr 2019 waren mit 213 fast genauso viele jüdische oder als jüdisch wahrgenommene Menschen von antisemitischen Vorfällen betroffen wie im Vorjahr (220). Die Anzahl der erfassten Angriffe auf Jüdinnen_Juden und als solche wahrgenommene Menschen erhöhte sich sogar von 19 auf 25. Auch die Zahl der registrierten antisemitischen Bedrohungen stieg deutlich um 28 % auf 59 Fälle, während im Internet 25 % Vorfälle weniger dokumentiert wurden. Der vollständige Bericht ist online unter tiny.cc/RIASBe2019 zu lesen.

Im Jahr des Terroranschlags auf die Synagoge in Halle (Saale) ging auch in Berlin eine große Gefahr für Jüdinnen_Juden durch den Rechtsextremismus aus: Mit 29 % können diesem Milieu erneut die meisten Vorfälle zugeordnet werden. Auch absolut stieg trotz insgesamt rückläufiger Tendenz die Anzahl rechtsextremer antisemitischer Vorfälle von 251 (2018) auf 258 an. Die am häufigsten erfasste Erscheinungsform des Antisemitismus war die Ablehnung der Erinnerung an die Schoa oder positive Bezugnahmen auf den Nationalsozialismus.

Täglich wurden in der Bundeshauptstadt über zwei antisemitische Vorfälle bekannt. Häufiger noch als 2018 feindeten die Täter_innen jüdische Personen in deren persönlichen Umfeld an: Beispielsweise wurde im Oktober ein 70-Jähriger beim Spazierengehen mit seinem Hund im Bezirk Pankow zuerst antisemitisch beschimpft und dann angegriffen. Auf ihrem Heimweg von der Synagoge wurde im Bezirk Mitte im Juni eine Gruppe von orthodoxen Synagogenbesucher_innen aus einem Auto heraus beschimpft. Ebenfalls in Mitte hielten im November drei Männer einen Israeli fest, der in der U-Bahn am Telefon Hebräisch sprach, beschimpften ihn und folgten ihm, als er sich losriss und ausstieg.

Hierzu erklärte RIAS Berlin-Projektleiter Benjamin Steinitz: „Weiterhin beobachten wir, dass Täter_innen auf die bloße Anwesenheit hebräischer Sprache, jüdischer Symbole oder religiös konnotierter Kleidung antisemitisch und potentiell gewalttätig reagieren. Der Rückgang von Online-Vorfällen scheint leider nur eine Momentaufnahme gewesen zu sein: Gerade in den letzten Wochen kam es zu einer Reihe gezielter Störungen von Online-Angeboten jüdischer Gruppen.“

Zu einem für das Sicherheitsempfinden von Jüdinnen_Juden besonders heiklem Vorfall kam es Anfang Oktober unmittelbar vor Jom Kippur an der Synagoge in der Oranienburger Straße: Ein mit einem Messer bewaffneter Mann stieg über die Absperrung vor der Synagoge und rief „Allahu akbar“, wobei die anwesende Polizei ihn am weiteren Vorgehen hinderte. Nicht zuletzt Vorfälle wie dieser zeigen die nach wie vor große Gefahr, die von antisemitischer Gewalt – auch aus nicht-rechtsextremen Spektren – ausgeht.

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Bild oben: Beschädigter Stolperstein, Foto: Meldung an RIAS Berlin