Eine geschichtsträchtige Begegnung in New York

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KONRAD ADENAUER, FORMER CHANCELLOR OF W. GERMANY, WITH MR. & MRS. DAVID BEN GURION (L) IN LIBRARY OF THEIR HOME AT KIBBUTZ SDE BOKER.

Vor sechzig Jahren trafen sich David Ben Gurion und Konrad Adenauer…

Von Jim G. Tobias

„Knapp zwei Monate vor der Entführung Eichmanns kam es zu einem folgenreichen, für uns historischen Ereignis“, schreibt Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland in seinen Erinnerungen. Die Rede ist vom ersten Treffen von David Ben Gurion mit Konrad Adenauer.

Nur 15 Jahre nach der Shoa versuchten die beiden Staatsmänner eine Annäherung, um den tiefen Abgrund, der zwischen ihren Völker bestand, zu überwinden. Dass so eine Begegnung weder auf deutschem noch auf israelischem Boden stattfinden könnte, verstand sich von selbst. Ein erstes direktes Gespräch zwischen einem Repräsentanten der Opfer- und Täternation konnte nur auf neutralem Gebiet durchgeführt werden. Als Ort wurde das Hotel Waldorf Astoria in New York City gewählt. Am 14. März 1960, vor genau 60 Jahren, reichten sich die beiden Männer dort erstmals die Hand zur Versöhnung.

„Wir wohnten im selben Hotel“ erinnerte sich David Ben Gurion, „ich zwei Stockwerke höher als er. Ich ging zu ihm.“ Adenauer begrüßte seinen Gast freundlich und eröffnet das Gespräch mit einigen bewundernden Sätzen über den Staat Israel. Ben Gurion hingegen erinnerte an die Shoa und die großen Verluste des jüdischen Volkes, die Menschen, die nun nicht mehr am Aufbau Israel teilnehmen können. Dennoch waren sich beide Staatenlenker von vorneherein sympathisch. „Der Kontakt war spontan gefunden, beide strahlten Herzlichkeit aus“, beschreibt Anneliese Poppinga, Adenauers Sekretärin, die Begegnung. Das historische Gespräch dauerte knapp zwei Stunden.

Dabei hob Ben Gurion hervor, dass „die Anerkennung einer moralischen Verantwortung des deutschen Volkes für ihn wichtiger sei, als die rein materiellen Aspekte“. Gleichwohl bat Ben Gurion um ein umfangreiches Kreditprogramm, eine Bitte, die Adenauer ohne zu zögern positiv beantwortete: „Seien Sie sicher, wir werden Israel nicht im Stich lassen“, sagte der deutsche Kanzler und legte seine Hand auf Ben Gurions Arm. Schon in den sogenannten Wiedergutmachungsverhandlungen, die 1952 in das „Luxemburger Abkommen“ mündeten, hatte die Bundesrepublik Reparationszahlungen von rund drei Milliarden Mark zugesagt. In den Jahren danach intensivierte sich auch die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Seit Frühjahr 1953 existierte in Köln mit der „Israel-Mission“ sogar eine Vertretung des jüdischen Staates, die die vereinbarten Zahlungen und den Warentransport nach Israel abwickelte. Zu dieser Zeit waren diplomatische Beziehungen jedoch noch undenkbar. Um jeden Anschein zu vermeiden, dass Israel Westdeutschland zu dieser Zeit bereits völkerrechtlich anerkannt hätte, wurde das Büro auch nicht in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn angesiedelt. Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen erfolgte erst 1965, fünf Jahre später.

Das persönliche Verhältnis zwischen den beiden großen alten Männern, die jeweils in ihren Länder wichtige politische Weichen stellten, war wegweisend für eine nicht einfache und in jeglicher Hinsicht besondere Partnerschaft. Gleichwohl war Adenauer auf die Hilfe von Ben Gurion angewiesen, um Deutschlands Ruf wiederherzustellen und damit den Beitritt in die zivilisierte Völkergemeinschaft zu ermöglichen. In Israel war das Treffen zwischen Ben Gurion und Adenauer nicht unumstritten und wurde von Protesten begleitet. Als einen „schwarzen Tag unserer Geschichte“ oder „historische Schande“ kritisierten Abgeordnete der nationalrechten Opposition die Begegnung. Doch der Pragmatiker Ben Gurion war von seiner Mission überzeugt: „Es gibt Gründe zur Annahme, dass das Treffen mit Dr. Adenauer günstige Auswirkungen für Israel haben“ werde, erklärte er nach seiner Rückkehr und fügte hinzu: „Ja, ich schätzte Adenauer sehr“. Diese Wertschätzung beruhte auf Gegenseitigkeit. Sechs Jahre später reiste Konrad Adenauer nach Israel und besuchte Ben Gurion in seinem Alterssitz im Kibbuz Sde Boker in der Negev Wüste. Beide Politiker übten keine Ämter mehr aus. Ein Jahr später verstarb Adenauer im Alter von 91 Jahren; Ben Gurion erwies dem Gründungskanzler der BRD die letzte Ehre und betrat erstmals den Boden der Bundesrepublik Deutschland.

Bild oben: 1966 besuchte Konrad Adenauer (r.) David Ben Gurion im Kibbuz Sde Boker, verdeckt Paula Ben Gurion. Foto: Fritz Cohen / Government Press Office (D175-072)

Das deutsche Bundespresseamt verfügt über zahlreiche Fotos des Treffens von Ben Gurion und Adenauer im Hotel Waldorf Astoria in New York. Da für diese regierungsamtlichen Fotos jedoch horrende Gebühren anfallen – „einen Monat Nutzungsdauer 36,00 €, 3 Monate 47,00 €, 6 Monate 58,00 € usw.“ – haben wir uns entschlossen, den Text mit einem kostenfreien Foto des Treffens in Sde Boker aus dem israelischen „Government Press Office“ zu bebildern.