Am Mittwoch, den 27. Februar war es soweit: Die jüdische Gemeinde Regensburg hat ihre neue Synagoge eingeweiht. Die Thorarollen wurden durch den Gemeinderabbiner Josef Chaim Bloch mit Unterstützung der Rabbiner Avichai Apel und Jaakov Ebert und musikalisch begleitet von der Roman Kuperschmidt Klezmer Band, in die proppenvolle neue Synagoge zur Bima getragen….
Von Gerhard K. Nagel
Gemeinderabbiner Josef Chaim Bloch betonte seine Freude darüber, dass die Einweihung der neue Synagoge gleichzeitig mit einem neuen Sefer Thora gefeiert werden kann. Rabbiner Bloch nutzte die Gelegenheit, um den Einsatz der Gemeindevorsitzenden Ilse Danziger für die neue Synagoge herauszustellen. Sie habe sich „mit all ihren natürlichen und übernatürlichen Kräften eingesetzt, um zu diesem heute sichtbaren Resultat zu kommen. Frau Danziger, möge der liebe G´tt ihnen zusammen mit ihrer ganzen Familie immer nur Gesundheit und Freude geben. Mögen sie noch viele Jahrzehnte, das von ihnen Aufgebaute in vollen Zügen genießen. Toda raba.“
Frau Danziger betonte in ihrem Grusswort die große Freude darüber, dass die Gemeinde Regensburg das neu erbauten G´tteshauses einweihen könne. Sie führte aus, ihr Vorgänger im damaligen Vorstand der Gemeinde, Rechtsanwalt David Heidecker eröffnete vor einhundertsieben Jahren die Feier zur Einweihung der Synagoge mit folgenden Worten: „Es geschieht hier an diesem Ort, wo vier Generationen später (GKN: Nach der Zerstörung der Synagoge im Jahr 1519) eine jüdische Gemeinde die Eröffnung ihres neuen G´tteshauses festlich feiert. In Gegenwart der Spitzen der Behörden, der Geistlichkeit, des ersten Bürgermeisters und der städtischen Kollegien, begehen wir feierlich die längst herbeigesehnte Stunde.“ Frau Danziger ging auf die Vertreibung der jüdischen Gemeinde aus der Stadt zu dieser Zeit, die spätere Rückkehr jüdischen Lebens in Regensburg und auf die erneute Verfolgung während der Herrschaft der Nationalsozialisten ein. Danach begrüßte sie die prominentesten Gäste der Einweihungsfeier namentlich: Unter anderen die Regionalbischöfe der beiden Kirchen, Zentralratspräsident Josef Schuster, Frau Charlotte Knobloch, den Antisemitismus-Beauftragten Ludwig Spaenle und den Vorsitzenden des Fördervereins „Neue Regensburger Synagoge e.V.“, Dieter Weber.
Der bayerische Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo überbrachte in Vertretung des Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder die Grüße der bayerischen Staatsregierung. Er betonte, die Eröffnung der neuen Synagoge sei ein Glück „für uns“ in Bayern. „Ich bin dankbar, dass hier in Regensburg und im ganzen Freistaat jüdisches Leben blüht und gedeiht,“ Die neuen, eindrucksvollen Synagogen im Freistaat, in München, Würzburg und jetzt Regensburg seien „ein Zeichen von Toleranz für ein friedliches Miteinander von Juden und Nichtjuden“. Es sei eine Bereicherung und ein Geschenk für uns alle. Dieses Geschenk sei aber auch Auftrag und Verpflichtung. „Jeder von uns muss dafür sorgen, dass der offene und verdeckte Antisemitismus bei uns in Bayern und in Deutschland keine Chance hat. Daher wurde Herr Ludwig Spaenle von Seiten der bayerischen Staatsregierung als Antisemitismus-Beauftragter eingesetzt und in allen Generalstaatsanwaltschaften Bayerns Antisemitismus-Beauftragte installiert, um noch besser und schneller gegen Delikte mit antisemitischem Hintergrund vorgehen zu können. Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens und des Handelns. Wir dürfen nicht zusehen, wenn unsere jüdischen Mitbürger angefeindet werden, weil sie auf der Straße Kippa tragen.“ Im Freistaat werde gegenwärtig eine Anlaufstelle eingerichtet, für alle, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft bedroht oder angegriffen wurden oder auch Zeugen antisemitischer Angriffe geworden sind. Achtzehn Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz leisten Tag für Tag eine großartige Präventionsarbeit. Seit diesem Schuljahr gehört der Kampf gegen Antisemitismus zum Kern unserer Tätigkeit bei der Beratung im Einzelfall unter der Begleitung der ganzen Schulfamilie, wenn es einen solchen Vorfall gegeben hat. Da es auf junge Menschen besonders ankommt, werden in Bayern in der großangelegten Initiative „Werte machen Schule“ junge Menschen zu Wertebotschaftern ausgebildet. Bei der Konzeption dieser Werteinitiative hat sich der Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden mit eingebracht.
„Vor einem Monat hat der bedeutende israelische Historiker Saul Friedländer im deutschen Bundestag eine vielbeachtete Gedenkrede gehalten, zur Erinnerung an die Ermordung der europäischen Juden. Dabei hatte er uns drei zentrale Gedanken, die für unseren Umgang mit Antisemitismus prägend sein sollten, mit auf den Weg gegeben. Erstens: Die Erinnerung an das unsägliche Verbrechen für das wir Deutsche Verantwortung tragen, verbunden mit dem Grundgedanken „nie wieder“ als konstitutives Element unserer staatlichen Verfassung in Deutschland und in Bayern. Zweitens aber auch die Würdigung dessen, was wir als freiheitliche Demokratie in den letzten Jahrzehnten erreicht haben. Und Drittens: Die Mahnung wachsam und unermüdlich für Toleranz, Menschlichkeit und Freiheit zu kämpfen. Die neue Regensburger Synagoge ist ein eindrucksvolles Zentrum religiösen Lebens und mit ihrer Geschichte Sinnbild genau dieser Trias. Sie ist Erinnerung, sie ist Würdigung und Mahnung zugleich und sie ist ein grandioses Zukunftsversprechen. Denn wir alle wissen: Wer baut, der bleibt.“
Es folgte eine kurze Ansprache der Regensburger Bürgermeisterin. Gertrud Maltz-Schwarzfischer führte aus, dass es wichtiger denn je sei, jüdisches Leben in der Mitte der Gesellschaft zu verankern, da wieder Zeiten angebrochen sind, in denen Pöbeleien, aber auch tätliche Angriffe gegen Juden, auch in Deutschland, häufiger vorkommen. Sie wünsche der neuen Synagoge und den Menschen, die in dieser Synagoge ein- und ausgehen eine gemeinsame, friedliche Zukunft.
Diözesanbischof Dr. Rudolf Vorderholzer sprach ein Grußwort. Er beglückwünschte die jüdische Gemeinde zum neuen G´tteshaus und bat um Vergebung „für das Leid, das ihnen von Menschen angetan wurde, die unter dem Anspruch des biblischen Liebesgebotes und der Bergpredigt gestanden hatten. Es schmerzt, dass sich die Vertreter der Kirche 1519 nicht nur nicht schützend vor die jüdischen Mitbürger gestellt, sondern dass einige sogar noch Profit aus ihrer Ausweisung gezogen haben und dass die Christen 1938 in der überwiegenden Mehrheit nicht den Mut aufbrachten, sich öffentlich mit den jüdischen Mitbürgern zu solidarisieren.“ Dr. Vorderholzer betonte die Zusammengehörigkeit, nicht nur in einer zivilen Solidarität als Mitbürgerinnen und Mitbürgern der Stadt, sondern vor allem durch die Wurzeln des Glaubens. „Deshalb soll und darf uns nichts trennen, gerade wenn geschichtsvergessene Kräfte und Bewegungen andeutend oder sogar offen antisemitische Klischees bedienen.“
Daran anschließend folgte ein Grußwort des Regionalbischofs Dr. Martin Weiss. Er betonte, dass es durch die Solidarität der Stadtgemeinschaft möglich wurde, die Lasten des Baues zu schultern. Die jüdische Gemeinschaft habe Solidarität nötig. Und Christen wollen darüber keinen Zweifel mehr aufkommen lassen.
Der Vorsitzende des Fördervereins, Dieter Weber, erinnerte, dass die Regensburger Gemeinde denkbar schlecht auf den Zuzug von Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion vorbereitet war. Der Gemeinde fehlte der nötige Platz. Mit Hilfe der Stadt, des Landes Bayern, des Bundes, des Bezirks und vieler anderer Unterstützer wurde es möglich, den Rahmen zur Integration der Zuziehenden zu schaffen. Einer der Unterstützer gründete sich vor sieben Jahren: Der Förderverein „Neue Regensburger Synagoge e.V.“. Es gab für dieses Projekt breite Unterstützung in der Stadt. In der Summe kamen auf diesem Weg 950.000 Euro zusammen. „Heute feiern wir den Neubeginn am alten Ort.“ Es gibt noch eine Finanzierungslücke von etwa 1,5 Millionen Euro, die durch zukünftige Aktivitäten geschlossen werden müsse.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, lobte die neue Synagoge als „architektonisches Meisterwerk.“ Die jüdische Gemeinde in Regensburg habe ihr Herzstück wieder. Die Einweihung einer neuen Synagoge sei eines der schönsten und auch wichtigsten Ereignisse für eine jüdische Gemeinde und für die jeweilige Stadt, denn in einem solchen Neubau zeigt sich der Wille der jüdischen Gemeinschaft, ihr Dasein zukunftsorientiert und lebensbejahend in diesem Land zu gestalten. Die Eröffnung der neuen Synagoge stehe sinnbildlich für die Aufbruchsstimmung, „die wir bei den jungen Mitgliedern unserer Gemeinden spüren.“ Gerade in diesen Zeiten, in denen sich die jüdische Gemeinschaft vielen Anforderungen gegenüber sehe, sei Optimismus besonders wichtig. „Denn wir erleben heute eben auch einen grassierenden Antisemitismus, der sich mit vielen Gesichtern zeigt. Wir erleben, wie Rechtspopulisten versuchen, rote Linien zu verschieben und dabei gegen die Mehrheiten kämpfen. Wir erleben, wie die Erinnerung an das unmöglich zu Vergessende bei Vielen bewusst in Vergessenheit gedrängt wird, wie die Vergangenheit und die Schoa relativiert werden sollen. Wir erleben auch einen neuen Antisemitismus, der sich im Gewand vermeintlich legitimer Kritik am Staate Israel ausdrückt. Einen Antisemitismus, der in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist und mit einer gefährlichen Gelassenheit von zu vielen Menschen akzeptiert wird.“
Schuster berichtete von dem neuen Meldesystem für antisemitische Vorfälle in Bayern, das ab Ende März seine Arbeit aufnehmen wird. Ebenso liege es ihm am Herzen, Möglichkeiten der Begegnung zwischen Juden und Nichtjuden zu schaffen, vor allem bei jungen Menschen. Der Zentralrat habe dazu das Projekt ‚Likrat – Jugend und Dialog‘ ins Leben gerufen, das auf Begegnung in den Schulen ausgerichtet wird. „So kommen die Schüler mit den jungen Juden ins Gespräch, zwanglos und auf Augenhöhe. Diese Begegnungen dienen sowohl der Prävention, als auch der Bekämpfung von Antisemitismus. Ich denke, dass es ganz wichtig ist für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, solche Brücken zu bauen.“
Nach dieser Ansprache las Adelé Neuhauser, Schauspielerin und Schirmherrin der neuen Synagoge, das Gedicht „Gemeinsam“ von Rose Ausländer. Der Künstler Tom Kristen hat eine goldfarbenen Metallspirale entworfen, die das Gedicht Rose Ausländers in ihrer Originalhandschrift im Eingangsbereich des neuen Gemeindezentrums visualisiert: „Vergesst nicht / es ist unsere / gemeinsame Welt / die ungeteilte / ach die geteilte / die uns aufblühen lässt / die uns vernichtet / diese zerrissene / ungeteilte Erde / auf der wir / gemeinsam reisen“.
Im Anschluss stellte der Architekt Volker Staab den Synagogen-Neubau vor und der Schlüssel wurde, stellvertretend für die Bauherrin, an Ilse Danziger übergeben.
Die Feier endete – nach einer musikalischen Einlage von Roman Kuperschmidt, Klezmer Musik Band – mit einem gemeinsamen koscheren Buffet und der damit verbundenen Möglichkeit des Austausches.
© Text und Bilder Gerhard K. Nagel