Anlässlich des Holocaust-Gedenktag, der an die Befreiung von Auschwitz vor 74 Jahren erinnert, sprach heute im Bundestag der Schoah-Überlebende und Historiker Saul Friedländer…
Friedländer verknüpfte in seiner eindrucksvollen Rede die Sicht des Historikers mit der Geschichte seines eigenen Überlebens. Friedländer wurde 1932 in Prag geboren. Er überlebte versteckt in einem katholischen Internat, seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Kurz nach der Staatsgründung 1948 wanderte Friedländer nach Israel aus. Er unterrichtete u.a. an der Hebräischen Universität, der University of California und in Tel Aviv und ist Verfasser grundlegender Werke zum Holocaust, wie „Das Dritte Reich und die Juden“. Friedländer legt in seiner Forschung stets besonderes Augenmerk auf die Opfer aus der Überzeugung heraus, dass sich die Politik der Nationalsozialisten ohne Kenntnis vom Leben und den Gefühlen der jüdischen Frauen, Männer und Kinder nicht vollständig beurteilen lasse. Die Stimmen der Verfolgten sei unverzichtbar, um zu einem Verständnis der Vergangenheit zu kommen. „Denn ihre Stimmen sind es, die das offenbaren, was man wusste und was man wissen konnte; ihre Stimmen waren die einzigen, die sowohl die Klarheit der Einsicht als auch die totale Blindheit von Menschen vermittelten, die mit einer völlig neuen und zutiefst entsetzlichen Realität konfrontiert waren.“
In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag nahm Friedländer auch Bezug auf aktuelle Tendenzen des Antisemitismus: „Der heutige Hass auf Juden ist ebenso irrational, wie er es immer schon war, und wie immer schon sind alte und neue Verschwörungstheorien in Umlauf, vor allem bei den Rechtsradikalen, während bei der antisemitischen Linken die politisch korrekte Art der Rechtfertigung ihres Hasses darin besteht, die israelische Politik obsessiv anzugreifen und dabei zugleich das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen.“
Antisemitismus sei nur eine der Geißeln, die nun eine Nation nach der anderen schleichend befallen werde. „Der Fremdenhass, die Verlockung autoritärer Herrschaftspraktiken und insbesondere ein sich immer weiter verschärfender Nationalismus sind überall auf der Welt in Besorgnis erregender Weise auf dem Vormarsch.“
An Deutschland und seine Vertreter im Bundestag gerichtet äußerte Saul Friedländer seine Hoffnung, „dass Sie die moralische Standfestigkeit besitzen, weiterhin für Toleranz und Inklusivität, Menschlichkeit und Freiheit, kurzum, für die wahre Demokratie zu kämpfen.“