Das Internet ermöglicht es, dass Konspirationsvorstellungen weltweit Verbreitung finden. Dies führt aber auch umgekehrt dazu, dass kritische Bücher zu Verschwörungsvorstellungen ebenfalls weltweit verbreitet werden. Ein Beispiel ist „Allt är en konspiration – en resa genom underlandet“, zu Deutsch: „Alles ist eine Konspiration – eine Reise durch das Unterland“…
Von Armin Pfahl-Traughber
Geschrieben hat das schwedischsprachige Buch Kent Werne, ein freier Journalist, der in seinem Heimatland durch seine Reportagen bekannt geworden ist. Dazu gehörte 2012 „Amerikansk höst – reportage fram ojämlikhetens land“, zu Deutsch: „Amerikanischer Herbst. Reportage von einem Land der Ungleichheiten“. Der Autor beschrieb anhand von Begegnungen und Erfahrungen die innere Zerrissenheit, die später mit Trumps letztlich doch nicht so überraschenden Wahlsieg erklärte. Dabei machte er die Beobachtung, dass immer mehr Menschen in den USA an Verschwörungsvorstellungen glauben. Diese Feststellung motivierte ihn wohl mit zu einem Fortsetzungsband zu eben derartigen Phänomenen.
Der erwähnte Hintergrund erklärt, warum insbesondere Beispiele aus den USA vorkommen. Deutlich wird aber durch das ganze Buch hindurch, dass Auffassungen von geheimen Konspirationen bereits vor Jahrhunderten propagiert wurden und sie heute in vielen Formen und Ländern inhaltlich Verbreitung finden. Werne steigt in sein Thema ein mit Protesten gegen ein Bilderberger-Treffen, wo eine verschwörerische Übereinkunft von Politik und Wirtschaft sowohl von links wie rechts unterstellt wird. Dann geht es in die USA mit einer Erinnerung an die Ermordung von John F. Kennedy, die Berge von Konspirationsliteratur nach sich zog. Der Autor blickt anschließend noch weiter zurück in die Vergangenheit, erinnert er doch an die Verschwörungsvorstellungen zur Französischen Revolution. Anhänger der Gesellschaftsordnung von Thron und Altar hatten bekanntlich „geheime Gesellschaften“ von den Freimaurern bis zu den Illuminaten für den Umsturz verantwortlich gemacht. Der Abbé Augustin Barruel erklärte, dass alles geplant und gesteuert gewesen sei.
Wohlmöglich wurde der Autor auch durch derartige Formulierungen zum Buchtitel angeregt. Weiter führt ihn dann seine Reise durch die Verschwörungswelt zu den „Protokollen der Weisen von Zion“, womit weltweit ab Ende der 1910er Jahre die Behauptung von einer „jüdischen Verschwörung“ verbunden war. Anschließend springt Werne in die Nachkriegszeit in den USA, wo der „Kommunistenjäger“ Joe McCarthy überall einschlägige Verschwörungen witterte. Überhaupt blühte ab den 1950er Jahren über den paranoiden Senator hinaus eine entsprechende Konspirationsliteratur auf. Antikommunistische Fanatiker gehörten ebenso dazu wie christliche Fundamentalisten, esoterische Phantasten ebenso wie rechte Terroristen. Ähnliches gab es aber auch in den skandinavischen Ländern, wofür die Fälle der Einzeltäter Anders Behring Breivik und Peter Mangs stehen. Bedenklich wird es dann noch zum Schluss, wo der Autor auf Konspirationsanhänger an der politischen Macht eingeht. Dabei nennt er Donald Trump in den USA ebenso wie Viktor Orbán in Ungarn.
Werne nimmt somit seine Leser mit auf eine Reise durch die Verschwörungswelt, sie geht in die Vergangenheit zurück und führt dann wieder in die Gegenwart, sie nimmt Europa und die USA, aber auch viele andere Gegenden auf der Welt ins Visier. Damit erhält man einen Einblick in die Vielfalt derartiger Vorstellungen. Gerade am Ende wird deutlich, dass derartiges Gedankengut mittlerweile auch wieder Politik prägen kann. Der Autor bleibt allerdings auf der Ebene des Erzählens stehen, geht er doch nur selten über die Beschreibung von Ereignissen hinaus. Lediglich in einem Kapitel wird kurz auf die Forschung zum Thema eingegangen. Ansonsten macht Werne gelegentlich analytische Aussagen, unterlässt sie aber in der Regel. So geraten auch die Ebenen durcheinander: Die Bilderberger existieren etwa, und ein nicht-transparentes Treffen der Elite aus Politik und Wirtschaft ist ein Problem, die „Weisen von Zion“ sind demgegenüber eine schlichte Erfindung. Hier bedarf es eines größeren Differenzierungsvermögens, um Fehleinordnungen zu vermeiden.
Kent Werne, Allt är en konspiration – en resa genom underlandet, Stockholm 2018 (Ordfront), 393 S.