„Ich, die AfD und der Antisemitismus“

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Wolfgang Gedeon meint immer noch, die „Protokolle“ seien echt. Das AfD-Mitglied legt ein neues Buch mit Selbstgefälligkeit und Verschwörungsvorstellungen vor…

Von Armin Pfahl-Traughber

Der AfD-Bundesvorstand hat nach Presseberichten einstimmig einen Antrag auf Parteiausschluss gegen Wolfgang Gedeon beschlossen. Der AfD-Politiker war nach einem Antisemitismus-Skandal aus der Fraktion in Baden Württemberg ausgetreten, aber noch als Mitglied in der Partei geblieben, wo er sowohl als Mitglied im Bundesausschuss wie im Landesausschuss Außenpolitik wirkt. In seinem neuen Buch schreibt er über die Parteiführung: „Zionismushörige Politiker und Parteien haben wir in Deutschland mehr als genug. Da brauchen wir nicht auch noch den Gauland und die Weidel und eine zionistische AfD!“ (S. 223). So steht es jedenfalls am Ende von „Ich, die AfD und der Antisemitismus. Populismus oder Mut zur Wahrheit?“, einem Buch, das Gedeon im Eigenverlag „WMG-Verlag“ (Stuttgart 2018) veröffentlichte. Es besteht in Dialogform, die Interviewerin „Gerline Wolf“ existiert aber nicht, wie es im Vorwort offen heißt. Demnach setzt sich Gedeon in den Buch mit seinen Antworten auf selbst gestellte Fragen selbst in Szene.

Es besteht aus zwölf Kapiteln, wobei zwischen autobiographischen und politischen Themen hin und her gesprungen wird. Am Beginn steht die Flüchtlingsentwicklung, die Gedeon als die Folge großer Pläne deutet. Die Elite wolle damit die „bestehenden Rassen“ abschaffen und „eine Welteinheitsrasse“ (S. 22) züchten. Der „Große Austausch“-Diskurs, der durch die „Identitären“ forciert wurde, ist demnach auch bei Gedeon angekommen. Dabei taucht bereits das erste Mal die Distanz zu den Menschenrechten auf, welche herabwürdigend in Anführungszeichen stehen (S. 21). Später ist von der „Ideologie … der Menschenrechte“ (S. 63) die Rede, oder es heißt: „So kann man die Menschenrechtsideologe als individualistisch übersteigertes und in gewisser Weise entartetes Christentum verstehen“ (S. 99). Auf dieser Auffassung basiert aber die moderne Demokratie, was demnach bei näherer Betrachtung viel über Gedeons politischen Standpunkt aussagt. Dieser steht schwerlich im Einklang mit dem demokratischen und menschenrechtlichen Verfassungsstaates.

Danach geht es jeweils unterbrochen durch Rückblicke auf sein Leben und die Entwicklung der AfD um die EU, welche „ein Programm zur Abschaffung Deutschlands“ (S. 36) habe. Auch die behauptete „Islamisierung“ und die „Zivilreligion“ werden thematisiert. Besondere Sachkompetenz ist dem Verfasser indessen nicht eigen. Da nutzt er schon mal die falschen Begriffe: „Mohammedaner“ (S. 23) gibt es nicht, gemeint sind Muslime. Und auch die „Moslembrüder“ (S. 23) existieren nicht, die „Muslimbrüder“ schon. Besonders daneben greift Gedeon dann wieder bei den „Protokollen der Weisen von Zion“, eine antisemitische Fälschung. Da man gut sehen ja, wo seinerzeit die Betrüger von einem alten Text abgeschrieben haben, gibt es keinen Grund mehr, von einer Echtheit auszugehen. Gedeon meint indessen: „… die Verschwörungstheoretiker, zu denen ich gehöre, halten eine zionistische Loge für den mutmaßlichen Urheber der ‚Protokolle‘“ (S. 118). Belege kann er nicht anführen. Dafür zitiert er dann einen Forscher sinnentstellend.

Dass damit antisemitische Konspirationsvorstellungen propagiert werden, kann angesichts der folgenden Ausführungen nicht verwundern. Denn Gedeon spielt immer wieder auf „zionistische“ Kräfte hinter den Kulissen an. Auch hier kann er keine Beweise vorbringen, aber alles nur Mögliche wird in diesem Kontext als Waffe interpretiert. Dazu gehört auch das Antisemitismus-Verständnis. Es diene dazu, „um dem Volk eine Erinnerungskultur aufzuzwingen, die es zum ewigen Tätervolk stigmatisieren und zu ewiger Verantwortung gegenüber den Nachfahren von ‚Opfern‘ verpflichten soll“ (S. 170). Niemand spricht ernsthaft von den Deutschen als einem „Tätervolk“, ist doch Schuld immer individuell und nicht kollektiv. Damit baut er einen Popanz auf, um ihn dann einfacher zu verwerfen. Gedeon hat sich somit nicht durch die Realität belehren lassen. Neu ist allenfalls, dass er mittlerweile auch die AfD als irgendwie „zionistisch“ ansieht. Selbst Gaulands „Vogelschiss-Zitat“ sollte „innerhalb der Partei vom Kampfaufruf für Israel ablenken“ (S. 213).