Haverbeck-Fans demonstrieren

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In Bielefeld demonstrierten 400 Neonazis für die verurteilte Haverbeck. Dabei kamen einige der Redner der Holocaustleugnung selbst ziemlich nah…

Von Manfred Beiwicht

„Das System hat zugeschlagen.“ Unter diesem peinlichen Slogan warb der Haverbeck-Intimus Markus Walter von der Neonazipartei Die Rechte für die Bielefelder Neonazikundgebung. Anlass war die Inhaftierung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck in einer Bielefelder Haftanstalt. Wegen ihrer seit vielen Jahren getätigten Leugnungen der Shoah war sie nun endlich zu zwei Jahren Haft verurteilt worden (vgl. BTN).

Dass sie der Vorladung zum Haftantritt nicht nachkam, wirkte sich nicht vorteilhaft für die 89-Jährige aus: Sie wurde in die Haftanstalt in Bielefeld-Brachwede verlegt, weil dort ein geschlossener Vollzug praktiziert wird: „Die Überprüfungen im hiesigen Zugangsverfahren haben ergeben, dass ihre Eignung für den offenen Strafvollzug nicht gegeben ist“, teilte der Anstaltsleiter Höltkemeyer-Schwick mit. Eine Ausgangsregelung könne sie zur Flucht nutzen, wie dies der Holocaustleugner Horst Mahler im April 2017 gemacht hatte (vgl. Spiegel).

Etwa 400 Neonazis versammelten sich am Donnerstag in Bielefeld-Quelle, drei Tage nach Haverbecks Inhaftierung durch die Polizei. Die relativ hohe Zahl der Teilnehmer überrascht nicht: Seit Wochen waren Haverbecks penetranten Shoahleugnungen und ihre Verachtung des demokratischen Rechtsstaates im Netz verbreitet worden. Zahlreiche Werbevideos für Haverbeck sind allein in den letzten drei Tagen zusätzlich ins Netz gestellt worden, darunter auch eines vom Verschwörungstheoretiker Oliver Janich.

Etwa 800 – 1000 Gegendemonstranten aus einem bunten politischen Spektrum versammelten sich zum lautstarken Protest. Das Bielefelder Bündnis gegen Rechts forderte auf einem gelben Transparent: „Keine Solidarität mit Holocaustleugnerinnen“. Eine grössere Gruppe schwarzgekleideter Antifa-Demonstranten wurde eingekesselt und vermochte sich über einen langen Zeitraum nicht an den Protesten gegen die Nazis zu beteiligen.

Gemeinsam marschierten die unverbesserlichen Neonazis mit zentral verteilten Fahnen und unter massivem Polizeischutz zur Haftanstalt. Vertreten waren die klassischen kahlköpfigen Neonazis, völkisch-skurrile Faltenrockträger wie auch die obligatorische Neonazi- und Leugnerprominenz. Ein Großgewachsener mit Bart trug ein überdimensionales Kreuz; vermutlich wollte er an obligatorische christlich-antisemitische Welterklärungen anknüpfen. Ein Neonazi hatte sich sogar „Rassist“ auf seinen Backenknochen tätowieren lassen. Ihnen gemeinsam ist der antisemitische Wahn, dass die Straftäterin Haverbeck ein unschuldiges „Opfer des Systems“ sei. Der Dortmunder Filmemacher Marcus Arndt hat eine eindrückliche Film-Dokumentation der Kundgebung veröffentlicht:

Die 89-jährige Shoahleugnerin Haverbeck, die ihren zynisch-menschenverachtenden antisemitischen Wahn bereits seit über einem halben Jahrhundert aktiv demagogisch ausagiert, ist für ihr militantes antisemitisches Unterstützerumfeld geradezu die Idealbesetzung. Die Gießener Politikwissenschaftlerin und Rechtsextremismusexpertin Dr. Alexandra Kurth bemerkt hierzu auf Nachfrage gegenüber haGalil:

„Ursula Haverbeck ist für die rechtsextreme und hier insbesondere für die neonazistische Szene in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Ihre Inszenierung als freundliche, kokette und auch ein bisschen naive ältere Dame, verbunden mit der Autorität einer Zeitzeugin, macht sie zu einer geradezu idealen Märtyrerin, mit deren Hilfe demonstriert werden soll, wie „das System“ die vermeintliche historische Wahrheit unterdrückt. Denn jeder halbwegs intelligente Neonazi weiß, dass es für die Rechtfertigung und Verbreitung der eigenen Ideologie fundamental ist, die Shoa zu leugnen, weil die Anerkennung oder gar ein Bekenntnis zu diesem monströsen und einzigartigen Verbrechen für die gesellschaftliche Akzeptanz hinderlich wäre. Außerdem hat Ursula Haverbeck eine Vorbildfunktion, mit der insbesondere junge Neonazis animiert werden könnten und vielleicht sogar sollen, für die eigene Überzeugung Straftaten zu begehen.“

Der Neonazi Markus Walter

Unverkennbar war der Einfluss von „Die Rechte“ aus Dortmund und Kerpen, hatten sie doch Haverbeck aus taktischen Gründen zu ihrer „Spitzenkandidatin“ für die Europawahl aufgestellt; auch der Lautsprecherwagen trug ein Dortmunder Kennzeichen. Dem bereits erwähnten Markus Walter kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, gilt er doch als der Betreiber der Website von Haverbeck und ist demgemäß gleichfalls von einer strafrechtlichen Verurteilung bedroht. Der 1991 geborene Neonazi verkehrt bereits seit seiner Jugend in rechtsextremen Kreisen: 2006, da war er 15, war Walter beim Aufbau der Internetpräsenz der „JN Cloppenburg“ beteiligt, 2007 gehörte er gemäß Angaben von Recherche Nord zu den Gründungsmitgliedern des „Nationalen Widerstands Lörrach“ (vgl. Recherche Nord). 2009 folgte eine Hausdurchsuchung. 2011 hatte Walter für die NPD in Verden (Niedersachsen) ein Mandat inne, musste dieses jedoch wegen seines Umzugs in den Rhein-Erft Kreis abgeben. Dort baute er ab Herbst 2012 die bis heute relativ aktive Ortsgruppe von Die Rechte auf, Haverbeck trat dort mehrfach als Redner auf.

Am 20.1.2015 wurde Markus Walter nach Angaben des vom Weser-Aller-Bündnis gestalteten Internetmagazins Wabe-info vom Jugendschöffengericht Lörrach für seinen Anschlag auf eine Moschee (22.5.2010) verurteilt. Er kam noch glimpflich davon: Er musste wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten und 1000 Euro zahlen (vgl. Wabe-info).

„Vasallen der alliierten Kriegsverbrecher“

Es wurden in Bielefeld mehrere Reden von bekannten Neonazis gehalten, die durchgängig eine Mischung aus unterschwelligen Drohungen, Ansammlungen von subtilen bis hin zu offenen Verleugnungen des Holocaust, Verschwörungstheorien über „das System“ und pathetischem Opfermythos enthielten.

Der Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda, Angeklagter im Mittelrheinprozess (vgl. JW), ließ wie bereits bei der gut drei Wochen zurückliegenden Dortmunder Neonazikundgebung (vgl. BTN) erneut keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich als verbaler „Führer“ aller militanten Neonazis versteht. Die verurteilte Leugnerin Haverbeck habe sich „um Deutschland gesorgt“, brüllte er ins Mikrofon und fügte dann, durchaus im Stile des früheren militant-linken RAF-Unterstützerumfeldes, hinzu: „Ich traue der BRD alles zu“; auch, dass diese Haverbeck „im Gefängnis sterben lassen“ werde. Er sprach geschichtsleugnend von „der Republik, die uns vor 70 Jahren aufgezwungen wurde“ und schwadronierte von „Dissidenten“ wie dem im Gefängnis sitzenden Horst Mahler. Dann folgte eine an das Publikum gerichtete Drohung bzw. Handlungsaufforderung: „All die Mächtigen, die in Parlamenten sitzen“ müssten damit rechnen „in Handschellen abgeführt“ zu werden, und wenn es sein muss könnten sie hierzu „aus den Sterbebetten gerissen“ werden.

Der 50-jährige, bundesweit als militanter Neonaziredner auftretende Hildesheimer Dieter Riefling, ehemaliger Kader der 1995 verbotenen FAP, der dem Umfeld von „Blood and Honour“ sowie den „Freien Kräften“ zugerechnet wird, hielt eine Rede im Grenzbereich der Strafbarkeit. Der „gerichtsnotorische Hetzredner“ (Belltower, 29.9.2014) sprach gegenüber seinen „Volksgenossen“ vom „BRD Vasallenstaat“, den „Vasallen der Alliierten Kriegsverbrecher“, die es „gewagt“ hätten, Haverbeck „wegen ihrer Meinung“ in den Knast zu sperren. „Nationalisten“ seien heute „vogelfrei“.

Auch der soeben in Berlin als Lehrer fristlos gekündigte Nikolai Nerling ließ sich feiern und in seiner Rede keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass er sich als fester Teil der Neonazi- und Leugnerszene versteht. In grotesker Verkennung der Realität bezeichnet sich der 37-jährige Nerling bekanntlich als „Volkslehrer“ (vgl. BTN). Zuvor hatte er in einer Videorede zur Neonazikundgebung von Die Rechte mobilisierte. Im März 2018 hatte er bereits ein 15-minütiges Video mit Haverbeck ins Netz gestellt (wie auch, heute, ein Interview mit dem aus der NPD stammenden Leugner Hans Püschel), in dem sie erneut ihre Behauptung wiederholte, im Vernichtungslager Auschwitz wäre „niemand vergast“ worden (vgl. Hagalil.com).

Auch der 64-jährige Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub trat als Redner auf und verkündete, dass die Bundesrepublik „nicht souverän“ sei. 1993 war Schaub nach Bekanntwerden seines Verschwörungsbuches „Adler und Rose“ fristlos als Waldorflehrer entlassen worden (vgl. BTN). Er sprach auch drohend von „diesen Kollaborateuren und diejenigen, die ihnen die Befehle erteilen, die müssen weg.“ Schaub verwendete mehrfach nationalsozialistische Begriffe, beharrte etwa, dass man wieder an die Macht kommen müsse. Und: „Lasst uns das Feuer warm halten bis zum Endsieg.“ Eine Anzeige durch staatliche Behörden wäre eigentlich überfällig.

Auch Thomas „Steiner“ Wulff ließ sich die Chance nicht entgehen, sich sehen zu lassen. Er trug unbeanstandet ein T-Shirt mit der Aufschrift „Auschwitz – Ich hätte da mal eine Frage.“ In seiner Rede berichtete er von seiner Nazikarriere. Juristisch geschult leugnete er die Shoah nicht direkt, sein Publikum verstand seine Botschaft aber durchaus.

„Hoch die nationale Solidarität“

Der Marsch zum Bielefelder Gefängnis führte an Feldern vorbei, hierbei wurden einstudierte Parolen vom „nationaler Sozialismus“, „Haverbeck freilassen“ und „Hoch die nationale Solidarität“ gebrüllt. Selbst die Vögel auf den Feldern wirkten irritiert.

Um 16:30 Uhr war der braune Spuk vorbei. Zum Abschluss wurde der Versuch unternommen, gemeinsam „Die Gedanken sind frei“ zu grölen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Polizei angesichts dieser kollektiven Peinlichkeit wirklich einschreiten müssen.

Bild oben: Thomas „Steiner“ Wulff als Redner auf der Solidaritäts-Demo für Holocaustleugnerin Haverbeck. Er war stolz auf sein T-Shirt mit dem Aufdruck: „Auschwitz? Ich hätte da mal eine Frage“. Screenshot aus der Dokumentation der Demo von Marcus Arndt, 11.05.2018