Im Frühjahr 2018 veröffentlichte Prof. Harald Seewann, einer der drei Experten auf dem Gebiete der jüdischen Verbindungen weltweit als Ergänzungsband seiner letzten Arbeit „A.V. Kadimah. Fundstücke zur Chronik der ältesten jüdisch-nationalen Studentenverbindung (Wien 1882-1938), Graz 2017“ im Eigenverlag eine neue Dokumentation, die neben dem Schwerpunkt Kadimah mehr als 330 Zeitschriften– und Zeitungsberichte über die bewegte Zeit an den Wiener Hochschulen der 1920ger Jahre zum Inhalt hat…
Von Israel Schwierz
Nach dem Inhaltsverzeichnis macht er in seinem Vorwort darauf aufmerksam, dass die Berichte aus den Presseorganen ganz unterschiedlicher Richtungen (deutsch-national, christlich-sozial, liberal, jüdisch-national, sozialdemokratisch und unabhängig) mit voller Absicht nicht voneinander getrennt, sondern zusammen publiziert werden, um die Spannungen, die bei den weltanschaulichen Gegnern vorherrschten, besser zu veranschaulichen. Er stellt auch sehr eindrucksvoll einen der Hauptpunkte der unversöhnlichen Gegnerschaft zwischen Juden und Deutschnationalen auf akademischem Boden – die den Juden als größte Demütigung aberkannte Satisfaktionsfähigkeit , eine damals als absolute gesellschaftliche Ächtung gewertete Maßnahme – die durch den „Waidhofener Standpunkt“ bis 1938 aufrechterhalten wurde, dar.
Eine alphabethische Liste von 43 ausgewerteten Zeitungen und Zeitschriften schließt sich dann an. Danach kann der interessierte Leser und Betrachter auf 254 Seiten in 348 Berichten die verschiedensten Standpunkte und Meinungen über die teilweise doch sehr gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Kontrahenten der damaligen Jahre erfahren. Aus sehr vielen Aufsätzen geht ganz eindeutig hervor, dass die Frage der Genugtuung (Satisfaktion) gegenüber den Juden einen der Hauptpunkte der Feindschaft bildete: bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich doch die Mehrzahl der waffenstudentischen Korporationen in Wien zu dem Standpunkt bekannt, Juden und „Judenstämmlingen“ keine Genugtuung zu geben und von ihnen auch keine zu nehmen; Juden konnten zwar für das Vaterland als Soldaten ihr Leben hingeben, aber sie galten nach den im März 1896 seitens der Deutschnationalen gefassten „Waidhofener Beschlüsse“ trotzdem für ehrlos, eben weil sie Juden waren. Ein sehr übersichtliches Quellenverzeichnis, eine Liste von diversen Anmerkungen sowie Literaturhinweise runden dieses äußerst informative und sehr interessante Werk harmonisch ab.
Professor Harald Seewann hat mit dieser Dokumentation dem Kampf der nicht mehr bestehenden jüdischen Verbindungen um studentische Gleichstellung und damit den Verbindungen selbst ein bleibendes Andenken bewahrt – ein Verdienst, der eigentlich nicht genügend gewürdigt werden kann. Dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung aller, denen das Andenken an die jüdische Vergangenheit Europas ein Herzensanliegen ist, ganz besonders aber derer, denen aus ethnische, religiösen oder gar familiären Gründen die Beschäftigung mit den ausgelöschten jüdischen Verbindungen sehr viel bedeutet.
Die sehr informative und äußerst interessante Dokumentation ( Format DIN-A-4, 261 Seiten, 16 Abbildungen) kann beim Herausgeber gegen eine Gebühr von EUR 24.—(zzgl. Porto) unter der folgenden Adresse bestellt werden: Prof. Harald Seewann, A-8020 Graz, Resselgasse 26; Email: c.h.seewann@aon.at
HARALD SEEWANN (Hrsg.): BEWEGTE JAHRE“. Studentische Auseinandersetzungen an der Wiener Universität in der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1925 im Spiegel der zeitgenössischen Presse“, Graz 2018