Wieder Nazi-Demo in Köln

0
108

Rund 110 Teilnehmer waren dem Aufruf von Kölner Neonazis gefolgt, um gegen „Silvester 2015“ zu demonstrieren – der angekündigte Marsch vor das Polizeipräsidium wurde untersagt…

Von Susanne Müller
Zuerst erschienen bei: blick nach rechts, 16.01.2017 

Nach dem schmalbrüstigen Auftritt von Rechtspopulisten in Köln am 7. Januar gab es eine Woche später eine offen nationalsozialistisch auftretende Kundgebung, diesmal in Köln-Deutz, um „Silvester 2015“ zu instrumentalisieren. Dazu aufgerufen hatte eine aus knapp zehn Personen bestehende, seit zumindest fünf Jahren in Köln-Zollstock aktive Neonazi-Gruppe um den vorbestraften und als gewalttätig geltenden 28-jährige Jan Fartas. „Keine Gewalt gegen Deutsche“ lautete das Motto.

Unterstützt wurden sie durch den Kölner Neonazi Paul Breuer. Der 45-jährige Breuer war bereits im –1999 wieder aufgelösten – „Kampfbund deutscher Sozialisten“ aktiv und war Mitglied der 1998 in Köln gegründeten und 2012 verbotenen „Kameradschaft Walter Spangenberg“. Seit 2012 ist Breuer vor dem Landgericht Koblenz wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung – „Aktionsbüro Mittelrhein“ – angeklagt. Breuer kokettiert auch bei Presseauftritte mit seinem Vorstrafenregister wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung.

„Ja, wir sind Nationalsozialisten“

Der Kölner Neonazi Jan Fartas (im Bild unten) wurde im Juli 2016 durch einen Fernsehauftritt bei Dunja Hayalis Donnerstags-Talk bekannt, wobei er sich gemeinsam mit einem halben Dutzend Kölner kahlköpfiger Aktivisten unter dem Banner „Köln für deutschen Sozialismus“ bei einer Bielefelder Neonazi-Kundgebung in Szene setzte. Gegenüber der ZDF-Journalistin präsentierte er seinen Unterarm: „Ja, wir sind Nationalsozialisten“ verkündete er voller Stolz in die Fernsehkamera. Dies habe er auch auf seinem Arm eingraviert. Am 16. Dezember zeigte sich Fartas gemeinsam mit Breuer auf einem im Kölner Polizeipräsidium gemachten Foto und schwärmte von der „freundlichen Atmosphäre“ beim Kooperationsgespräch.

Die Szene vor dem Köln-Deutzer Bahnhof war dementsprechend: 110 rechtsextreme Demonstranten vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen, die Mehrzahl in Nazi- und Skinhead-Outfit fanden sich gegen 14.00 Uhr ein. Sie wurden durch ein Polizeiaufgebot von 1500 Beamten geschützt. Etwa 20 Teilnehmer kamen aus der Neonazi-Hochburg Dortmund. Einer davon war der 63-jährige Siegfried Borchardt – bekannt als „SS-Siggi“ –, kurzzeitiger Dortmunder Ratsherr für „Die Rechte“. Die Neonazis mussten sich allesamt in einem von der Polizei aufgebauten blauen Zelt einer individuellen Leibesvisitation unterziehen. Dennoch flogen vier Stunden später bei ihrem Abgang im Deutzer Bahnhof Böller. Unter den teils kahlköpfigen Demonstranten und Rednern waren zahlreiche Vertreter der militanten Gruppierung „Die Rechte“ sowie weitere Autonome Nationalisten. Optisch dominierte eine proletarische, jüngere Szene, ergänzt durch einige ältere, „bürgerlich“ anmutende Kader aus der Altnazi-Szene.

„Nationale Demonstration keine Spaßveranstaltung“

Der Demonstrationszug zog sehr verspätet los, begleitet durch einen Lautsprecherwagen, in militärischer Form wurde zum Marschieren in Dreierreihen aufgerufen. Einzelne, geübte Einpeitscher initiierten Rufe wie „Antifa Hurensohn“, „Nationaler Sozialismus“, „Deutschland – Hooligans“, „Ob Ost, ob West – nieder mit der roten Pest“ sowie „Frei, sozial und national“. Das Repertoire war ansonsten äußerst begrenzt. Es wurde jedoch deutlich, dass sich extreme Rechte darum bemühen, sich auf ein kurzes, zu gewalttätigem Handeln aufforderndes sprachliches Repertoire zu einigen. Die Grenzen zu offenen verbalen Strafverstößen wurde permanent berührt, oft auch überschritten. Demgemäß dominierte auf dem Rückweg, da war es bereits dunkel, der auf Aktion drängende kollektive Schlachtruf „Straßenkampf! Straßenkampf!“. Die Anlehnung an die SS war mehr als gewollt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings die Hälfte der anfangs 110 Neonazis die Kundgebung bereits verlassen und wohl Kneipen aufgesucht, was von Fartas in seiner auf Facebook veröffentlichten Nachbetrachtung bitter als „disziplinloses Verhalten“ beklagt wurde, welches zukünftig unterbunden werden müsse. Eine „nationale Demonstration“ sei keine „Spaßveranstaltung“.

Als vorgezogener Redner präsentierte sich der glatzköpfige, sogar im Gesicht tätowierte 39-Jährige Göttinger Mario Messerschmidt von der Minipartei „Die Rechte“, der sich selbst als „bekennenden Nationalsozialisten“ bezeichnet. Im November 2008 war er wegen Gewaltandrohungen und Verstoßes gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Messerschmidt kündigte in seiner Rede eine Zeit an, in der man „das antideutsche Pack dorthin bringen“ werde, „wo es angesagt ist.“ An diesem Ort könnten sie dann „Tag für Tag Steine klopfen.“ Dies war als mehr als deutliche Anspielung auf die Konzentrationslager der Nazi-Zeit gemeint und wurde von seinen heftig applaudierenden Gesinnungsgenossen auch so verstanden.

Ehemaliger Dortmunder Feuerwehrchef als Redner

Nach nur 150 Metern war mit dem gleichförmigen Marschieren in Dreierreihe jedoch erst einmal Schluss: Nachdem mehrfach der Hitlergruß gezeigt wurde nahm die Polizei einen Demonstranten fest. Ein erst 14-Jähriger schlug mit seinem Fahnenstock auf die Kamera eines Journalisten ein und wurde von der Polizei von der weiteren Kundgebung ausgeschlossen. Der proklamierte „nationale Sozialismus“ glich inzwischen eher einem Kasperletheater. Die martialischen Schlachtrufe verstummten für 20 Minuten. Anschließend ging es 400 Meter weiter, bis zu einer von der Polizei scharf abgeriegelten Kreuzung an der Justinianstraße. Erst dort waren vereinzelt Protestrufe der Gegendemonstranten zu hören. Der angekündigte Weiterzug bis zum Polizeipräsidium wurde untersagt.

Als erster Redner der vorgezogenen Kundgebung trat der 61-jährige ehemalige Dortmunder Feuerwehrchef Klaus Jürgen Schäfer auf, der inzwischen ein fester Bestandteil des Rechtsextremismus mit offenem Übergang zum Nationalsozialismus ist. In Dortmund war der inzwischen Pensionierte einer der höchsten Beamten der Stadt. Im Dezember 2016 hatte sich Schäfer in Dortmund als teilnehmender Beobachter an der Besetzung eines Kirchtums durch Neonazis beteiligt und wurde von der Polizei festgenommen. Vor einer Woche propagierte er gegenüber einem WDR-Fernsehteam das bevorstehende Entstehen einer starken „nationalen parlamentarischen Opposition“, die sehr rasch das Abhalten von Wahlen überflüssig machen werde. Schäfers etwas unzusammenhängende Rede in Köln überforderte erkennbar das geistige Niveau der übrigen Teilnehmer. Lebhafter wurde es erst, als der langjährige hohe Beamte von „den Negern“ sprach, die man „zwar nicht ersaufen lassen“ wolle, die man danach jedoch unverzüglich an die türkische und an die afrikanische Küste „verbringen“ werde.

Ein weiterer Redner war der verurteilte Neonazi Johannes Welge, unter stürmischem Beifall als „Johannes“ angekündigt. Der ehemalige Hildesheimer Kreisvorsitzende der Partei „Die Rechte“ hat sich seinen Ruf als bekennender Nationalsozialist durch Reden erworben, in denen er die Waffen-SS als „Befreiungsarmee“ bezeichnete. Welge versuchte, die aggressive Grundstimmung zusätzlich anzuheizen und rief: „Verbrenn’ die Zeitung, hör nicht mehr auf die Lügenpresse.“ Er rief zum aktiven Widerstand auf der Straße auf.

„Aktiver Widerstand auf der Straße“

Jan Fartas trat nicht als Redner auf, was ihm wohl auch nicht sonderlich gelungen wäre. Die Hauptrede hielt der Kölner Paul Breuer, der sich bereits bei seiner Selbstvorstellung als bekennenden Nationalsozialisten bezeichnete. Spätestens an dieser Stelle hätte die Polizei eigentlich einschreiten müssen, was jedoch nicht geschah. Breuer beschimpfte – wie bereits bei den Demonstrationsaufrufen – insbesondere die Kölner Polizei als „die zweifelhafteste Gruppe“ und als Hauptverantwortliche für die Übergriffe in der Silvesternacht 2015. Wörtlich erklärte der Neonazi: „Wir Nationalsozialisten werden unsere braunen Finger stets in die eiternden Beulen stecken, die dieses System hervorbringt.“ Und er rief seine „nationalen Kameraden“ dazu auf: „Wir kommen wieder!“

Beim Einzug in den von der Polizei weitgehend geräumten Deutzer Bahnhof gegen 18.00 Uhr kam es noch einmal zu heftigeren Auseinandersetzungen und zum Einsatz von Pyrotechnik. Danach war der braune Spuk recht bald vorbei.

Alle Fotos: (c) S. Müller

[youtube]https://youtu.be/71oB72mlaPw[/youtube]