Blamage in Köln

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Die Rechtspopulisten Esther Seitz und Pro NRW blieben bei ihrem Aufmarsch am Samstag unter sich…

Von Susanne Müller

Nach der NPD und der Kölner AfD, deren angemeldete Kölner Kundgebungen zu Silvester 2016 von der Polizei verboten wurden, versuchte nun auch die aus Neumarkt bei Nürnberg stammende sehr rechte Daueranmelderin Esther Seitz, die erschreckenden Kölner Silvester-Übergriffe aus dem Jahr 2015 für Rechtsextremisten zu instrumentalisieren. Dies ging gründlich daneben. Unter dem geschichtsrevisionistischen, die Opfer der Shoah verhöhnendem Motto „Ein Jahr nach dem Kölner Sex-Pogrom: Kein Vergeben, kein Vergessen!“ meldete sie für den 7.1.17 eine Kundgebung durch die Kölner Innenstadt an. Einige Tage zuvor wurde bekannt, dass auch die Kleinstpartei Pro NRW ein Mitanmelder war. 400 Teilnehmer wurden angekündigt, die durch ein Großaufgebot von 1000 Polizisten – die Kosten sollen sich auf eine Millionen Euro belaufen – geschützt wurden. Es kamen jedoch nur 60. Es handelte sich durchgehend um äußerst rechte Demonstranten, auch aus Baden-Württemberg und aus Sachsen. Kölner waren offenkundig nicht dabei. Die mit Pro NRW verfeindete Minigruppierung Pro Köln hatte intern zum Boykott aufgerufen.

Damit wiederholte sich das Szenario vom 31.7.2016, als gleichfalls 60 Teilnehmer von 1000 Polizisten geschützt wurden. Diese Kundgebung hatte jedoch ein Nachspiel: Ende 2016 wurde ein bereits 2005 wegen Volksverhetzung verurteilter 46-Jähriger wegen gleich dreimaligem Zeigens des Hitlergrußes zu einer sechsmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. „Sie haben eine zu hohe Rückfallgeschwindigkeit“, befand der Richter.

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Die Kundgebung, die knapp vier Stunden durch die Kölner Innenstadt führte, fand weitestgehend ohne Öffentlichkeit statt. Sie startete in einer kleinen Straße, ohne Sicht auf den Dom. 500 – 600 Gegendemonstranten aus verschiedenen Kölner Bündnissen – darunter Köln gegen Rechts, Köln stellt sich quer sowie mehrere Parteien und Gewerkschaften – protestierten scharf, aber fantasievoll gegen den sehr rechten Demonstrationszug. In den Reden wurde die gezielte Störung des friedlichen Zusammenlebens in Köln scharf kritisiert. Es beteiligte sich auch eine linke Sambatruppe sowie einige Karnevalisten unter dem Motto „Bunte Funken gegen braune Halunken“.

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Während des knapp vierstündigen Demonstrationszuges wurden einige wenige Parolen immer wieder gebrüllt, wie „Antifa Hurensohn“, „Merkel muss weg“, „Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen“, „Hier marschiert der nationaler Widerstand“ und „Kriminelle Ausländer – raus“. Deutschlandfahnen und weitere nationalistische Fahnen dominierten; ein Banner mit einem Konterfei von Angela Merkel und der Überschrift „Rattenführerin aus Berlin“ schwadronierte im Stile Martin Hohmanns vom „Schuldkomplex und Gutmenschentum“. Auf dem Rücken eines Demonstranten war gut sichtbar und unbeanstandet ein großes Gewehr mit Zielscheibe abgebildet, überschrieben mit „Defense Germany“. Gleich zwei Redner bezogen sich sehr wohlwollend auf die jüngsten Äußerungen der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht.

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Der Marsch wurde mehrfach durch Blockadeversuche gestoppt. Der Pro-NRW-Funktionär und Essener Bezirksvertreter Holm Teichert lavierte in seiner Rede fortgesetzt, aber unbeanstandet am Rande der Strafbarkeit. Ausländer würden mehr rauben als Deutsche; die Regierung habe in Berlin „12 oder 19 Leute geopfert“, Merkel sei eine „Volksverräterin“: „In meinen Augen ist Frau Merkel hoch kriminell“, so Holm Teichert. Es gäbe kaum ein Gesetz, „gegen das sie nicht verstoßen“ habe.

Am Rande des Zugweges kam es zu zahlreichen Protesten und mehreren Blockadeversuchen. Bei einem Einsatz mit mehreren Polizeipferden wurde ein 15-jähriges Mädchen verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Nach Angaben von „Köln gegen Rechts“ trieb die Polizei insgesamt 200 Demonstranten in drei verschiedenen Kesseln zusammen und hielt sie dort über eine Stunde fest. Sie durften die Kessel erst nach Personalfeststellung verlassen. Die Maßnahme erinnert an die Polizeimaßnahmen in der Silvesternacht, die Kritik erfahren hat.

Der Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne), der die Proteste begleitet hatte, erkundigte sich „nach der Begründetheit der Festhalteaktion zur Feststellung der Personalien“, da mehrere Festgehaltenen berichtet hätten, dass es „keine Aufforderung zur Auflösung einer nicht genehmigten Versammlung gegeben habe.“

Bereits kommenden Samstag, 14.1., findet in Köln-Deutz und dem multikulturellen Köln-Kalk ein weiterer, von den Köln-Zollstocker Neonazi Jan Fartas und dem seit 20 Jahren in Köln aktiven Neonazi Paul Breuer angemeldeter Demonstrationszug statt. Sowohl Fartas als auch Breuer, ehemals Kameradschaft Köln und Angeklagter im Aktionsbüro-Mittelrhein-Prozess in Koblenz, saßen schon wegen Gewalttätigkeiten und rechtsextremen Delikten in Haft. Die Teilnehmerzahl dürfte eher höher ausfallen als bei Seitz, die Gegenproteste gleichfalls. Und am 22. und 23. April findet im zentral gelegenen Kölner Hotel Maritim der Bundesparteitag der AfD statt.

Die Kölner Zivilgesellschaft sollte sich ihres Selbstverständnisses als liberale, antirassistische und tolerante Großstadt erinnern.

Alle Fotos: (c) S. Müller
Der Artikel erschien in gekürzter Form zuvor auf Blick nach Rechts.