Von Herschel Grynszpan bis Yury Kharchenko

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Das Jüdische Museum Westfalen zeigt aktuell die Ausstellung „Wege des Unsichtbaren“ des jungen und schon arrivierten Künstlers Yury Kharchenko…

Vor ca. 80 Jahren wechselte Yury Kharchenkos Grossvater den Namen Grünszpan auf Kharchenko, um die Verwandtschaft zu Herschel Grynszpan zu verbergen, der 1938 unwillentlich durch das Attentat auf den Botschaftsattaché Ernst von Rath die Pogromnacht auslöste. Während Herschel Grynszpan inhaftiert und ins KZ Sachsenhausen deportiert und dort zusammen mit Georg Elser sowie Jakov Stalin als politischer Gegner des NS-Regimes behandelt wurde, war Kharchenkos Grossvater in der Roten Armee der UdSSR.

Die sowjetische Zeit war vom Sozialismus geprägt. So wussten Kharchenkos Eltern kaum etwas vom kulturellen jüdischen Erbe. Nach dem Zerfall der UdSSR emigrierten sie mit Yury nach Deutschland, wo er nach Abschluss der Düsseldorfer Kunstakademie 2009 von Neonazis in der Düsseldorfer Altstadt verprügelt und mit Sprüchen, wie „Jude, gib Geld“ beschimpft wurde.

Dieser Vorfall war so intensiv, dass der junge Künstler sich seiner Herkunft als Jude stellte. Seit dem hat sich seine Kunst spürbar verändert. Er hatte verstanden, dass Kenntnisse über die jüdische Kulturgeschichte für Ihn von großer Bedeutung sind und Teil seines existenzialistischen Verständnisses, zu sehen in der aktuellen Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten.

Hier hallt die Todesfuge von Paul Celan „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Man taucht, wie mit einer Zeitmaschine, in eine Welt ein, in der moderne Kunst in einem Dialog steht mit Artefakten der jüdischen Geschichte und Kultur.

Zurzeit entsteht ein Dokumentarfilm vom Filmemacher Hans W. Geissendörfer über Yury Kharchenko, der sich auch auf diese Ausstellung bezieht.

Kharchenko sagt:

Die in den Zeiten der Globalisierung aktuellen Fragen nach Identifikation, Integration und Kulturzugehörigkeit werden von mir in dieser Ausstellung aufgegriffen, sowie durch eine Hommage an das berühmte Selbstbildnis des Künstlers Felix Nussbaum während der NS-Zeit. Zu sehen ist er mit dem gelben Judenstern an der Kleidung und seinem Pass mit eingedrucktem J in der Hand. Herschel Grynszpan war ein Held. Ich bin keiner – aber einer, der die kulturgeschichtlichen Folgen und Turbulenzen des 21. Jahrhunderts überwunden hat, hier in Deutschland, wo einst die Synagogen zur Reichspogromnacht brannten. Fast hätte ich es vergessen, woher ich komme.

Weitere Infos: Die Ausstellung ist bis zum 21.08.2016 in Dorsten zu besichtigen: www.jmw-dorsten.de
Porträt des Künstlers
Webseite von Yury Kharchenko

Bild oben: 8. Magic window 3, 50x40cm, Oel auf Leinwand, 2012