Mit Kartoffeln gegen Amerika oder: wie weit ist es bis zur AfD

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Robert Farle, vor 1989 Stadtrat der DKP in deren Hochburg Gladbeck, wurde bei den Wahlen am 13. März als Direktkandidat für die AfD mit 30,1 % der Erststimmen im Wahlkreis Saalekreis in den Landtag von Magdeburg gewählt. Ein noch höheres Ergebnis als für die Landesliste der AfD, die im Saalekreis 27,4% der Zweitstimmen erhielt – immer noch über dem Landesdurchschnitt von 24,2 %. Der Stimmenanteil bei den Erststimmen liegt gegenüber den Zweistimmen im Saalekreis um etwas mehr als die 1,9% höher, welche die Landesliste der NPD dort erhielt. Die NPD rief dazu auf, mit der Erststimme die Direktkandidaten der AfD zu wählen…

Gaston Kirsche

Der Wahlkampf in Sachsen Anhalt wurde von dem innerhalb der AfD rechtsaußen auf dem völkischen Flügel stehenden Landesverband der Alternative für Deutschland sehr druckvoll geführt. Die AfD wurde am 13. März nicht nur aus dem Stand heraus mit 24,2 % in den sachsen-anhaltinischen Landtag gewählt. Sie gewann auch in 15 von 43 Wahlkreisen des Bundeslandes die Direktmandate, insbesondere im Süden Sachsen-Anhalts.

Seit Monaten ist der Zuspruch zu den Versammlungen der AfD groß. So kamen am 9. Januar über 100 Erwachsene in Sangerhausen in die Gaststätte „Scharfe Ecke“, um den Landtagskandidaten Robert Farle zu erleben. Farle, der im Saalekreis kandidiert, traf nach einem Bericht des Online-Portals „msh-online“ wohl den richtigen Ton: Nachdem er zum Thema „USA als Verursacher der großen Flüchtlingsströme“ das letzte Buch des in AfD-Kreisen beliebten Verschwörungstheoretikers Peter Scholl-Latour „Der Fluch der bösen Tat“ empfohlen hatte, legte er los. Für die meisten Geflüchteten sei „unser Kultur- und Zivilisationsniveau absolut unverständlich“ und zeichnete ein Bild der Geflüchteten als bedrohliche Masse: „Im Rahmen der Familienzusammenführung werden pro Person mindestens vier Angehörige nachziehen. Dann werden es sechs Millionen sein.“ Durch die „Sprachbarriere“ könnten die Männer nur einfachste Arbeiten verrichten, während viele der geflüchteten Frauen aus „traditionellen Gründen“ nicht arbeiten dürften. Farle folgerte fatal, dass „70 bis 80 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, in unser soziales Netz fallen“. Der Sozialstaat könne da nicht mehr mithalten – so sei es bereits in Schweden zu beobachten. Farle versteht es, seine Ablehnung der Aufnahme der ankommenden Flüchtlinge scheinbar sozial zu verpacken. National und sozial das von Massenzuwanderung angeblich bedrohte Deutschland fest im Blick. Auch bei einer Kundgebung der AfD am 9. Dezember unter dem Motto „Grenzen wieder kontrollieren!“ sprach Farle als Hauptredner „gegen das Politikversagen“.

Farle ist im sachen-anhaltinischen Wahlkampf nicht besonders originell, aber stramm rechts. So behauptete etwa am 4. Februar auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner in Sangerhausen, bei der Abschottung gegen Flüchtlinge „konnten sich die Bürger nicht auf ihre Regierung verlassen“, er warnte vor „Chaos“ bei der Einwanderung, beschwor dagegen die unbedingt erforderlichen „Außengrenzkontrollen“. Das Bilden einer Wagenburg ist in Deutschland offensichtlich eine leichte Übung und in Sangerhausen im dunkelsten Sachsen-Anhalt ein Publikumserfolg.

Bereits bei den Vorstandswahlen im AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt konnte sich Robert Farle im September 2015 gegen das ehemalige FDP-Mitglied Hans-Thomas Tillschneider durchsetzen und wurde Schriftführer. Damit kegelte er einen gut vernetzten Aktivisten aus dem Rennen, der Sprecher der „Patriotischen Plattform“ ist, PEGIDA unterstützt und auch schon mal mit Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek oder anderen Größen der Neuen Rechten auftritt. Der über die Vorstandswahlen berichtende Redakteur der Magdeburger „Volksstimme“ Hagen Eichler wunderte sich allerdings nicht über die Kanididatur des exponierten Neuen Rechten Tillschneider, dem er dadurch indirekt eine Seriösität als demokratischer Politiker zuschrieb, wohl aber über die des ehemaligen DKP-Funktionärs: „Laut Satzung der Partei hätte der Ex-Kommunist gar nicht in die AfD aufgenommen werden dürfen.“ Farle distanzierte sich von seiner etwa 20-jährigen aktiven DKP-Mitgliedschaft und erklärte laut dem Bericht der Magdeburger „Volksstimme“: „Deutschland muss Deutschland bleiben. Ich will nicht in 30 Jahren von den Amerikanern oder einer islamischen Regierung gesteuert werden.“

Seine frühere Orientierung auf die Sowjetunion zu seiner Zeit in der DKP sei ein Fehler gewesen, so Farle auf der Mitgliederversammlung. Zu einem anderen Zeitpunkt klang der redegewandte Robert Farle ganz anders: „Deutschland hat in der Zusammenarbeit mit Russland Riesenperspektiven. Doch genau diese sollen zerstört werden. Wir wären ein ernsthafter Konkurrent für die USA.“ Allerdings erklärte Farle so laut „msh-online“ seine Vorliebe für Russland auf der AfD-Wahlkampfveranstaltung am 9. Januar, nicht etwa zu DKP-Zeiten.

Robert Farle gehörte jahrzehntelang zum Funktionärskader der DKP, verstand es sich wichtigzumachen. Er war schon während seines Studiums Leiter der DKP-Hochschulgruppe Bochum, aktiv im der DKP nahestehenden Marxistischen Studentenbund Spartakus, heiratete während des Studiums eine Genossin aus dem Spartakus, wie in der von ihm als Mitglied des „Vorstandes der Studentenschaft“ mit herausgegebenen „Bochumer Studentenzeitung“ am 11. März 1971 in der Rubrik „Klatsch-Tratsch-Quatsch“ so vermeldet wurde: „robert farle hat seine margarete geheiratet. In spartakus- und dkp-kreisen erhofft man, bei der ml befürchtet man ganz viele kinderchen. Wie dem auch sei, die sollen‘ mal besser haben als wir…“. Farle zeichnete für ein sich scharf gegen die maoistische Konkurrenz der K-Gruppen polemisierendes Buch im der DKP nahestehenden Verlag Marxistische Blätter verantwortlich, gehörte später in der DKP-Schwerpunktstadt Gladbeck zu den führenden Vertretern der Partei, war DKP-Fraktionsvorsitzender im Gladbecker Stadtrat, war Herausgeber zahlreicher lokaler Parteipublikationen bis hin zu Betriebszeitungen. Bei den Preisstopp-Verkäufen im Rahmen der DKP-Wahlkämpfe inszenierte er sich laut Erinnerung vieler GladbeckerInnen als Volkstribun, der billige Kartoffeln für alle kleinen Leute forderte. Klassische reformistische, sozialdemokratische Kommunalpolitik, nur eben mit einem Faible für die DDR und die Sowjetunion. Laut einem Bericht der „WAZ“ prägte Farle „in Gladbeck das Gesicht der DKP“, und sei aussichtsreicher Kandidat für den Vorsitz im Bezirk „Ruhr-Westfalen“ gewesen, einer der stärksten Gliederungen der DKP bis zum Zusammenbruch der DDR. Auch in den „Bottroper uz-Notizen“ erscheinen Texte von ihm oder über seine zahlreichen Aktivitäten.

In der Friedensbewegung war Farle ebenfalls ein exponierter Aktivist und inszenierte sich 1981 als Verteidiger der deutschen Souveränität gegen die NATO-Raketenstationierung auf deutschem Boden. So berichtete etwa das „Neue Deutschland“ über seinen Protest gegen das „Raketendepot Ruhrgebiet“ im Rahmen einer Pressekonferenz in Bonn. Von der sich Deutschland als Opfer der USA und deren Aufrüstungspolitik vorstellenden nationalen Friedensbewegung der 1980er aus, die von der DKP massiv unterstützt wurde, bei der deutschnationalen Souveränitätsbewegung der 2010er auf der neuen Rechten zu landen ist erbärmlich, aber möglich. Die DKP hatte schon immer einen Spleen mit dem „D“ für deutsch, nicht nur als erstem Buchstaben im Parteinamen. Hätte sie sich nicht „kommunistisch“ genannt und die Freundschaft mit den realsozialistischen Staaten hochgehalten, hätte sie sicher mehr als sozialdemokratische Protestpartei der „kleinen Leute“ reüssieren können. So stand ihnen der staatsoffizielle Antikommunismus im Weg.

Nach dem Zusammenbruch des politischen Vorbildes DDR 1989 endete auch deren Sponsoring für die DKP und deren Umfeld. Die Männer und Frauen mit den Geldkoffern und den Scheinfirmen kamen nicht mehr, viele Strukturen brachen zusammen, anderswo gelang eine Stabilisierung auf niedrigerem Niveau – wie in Gladbeck. Während die DKP allerdings bei den Kommunalwahlen 1989 auf 8 % der abgegebenen Stimmen kam, waren es bei den Stadtratswahlen 2014 nur 1,4%. Da es keine Prozenthürde gibt, reichte dies für ein Mandat. So macht die DKP weiterhin Oppositionspolitik in einer gemischten Fraktion im Stadtrat, aber seit langem ohne Robert Farle. Von Beruf Steuerberater, ging er nach 1989 in die ex-DDR und baute sich in Halle eine erfolgreiche Kanzlei auf.

In Gladbeck einziger Stadtrat der DKP in einer gemischten Fraktion dreier kleiner Listen ist jetzt Gerhard Dorka, der dort auch schon zusammen mit Robert Farle saß. Gegenüber der „WAZ“ erklärte er, von der neuen politischen Orientierung Farles hin zur AfD gehört zu haben, aber seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu haben: „Robert Farle hat sich damals in Gladbeck sehr für die kleinen Leute engagiert und sehr viel für sie erreicht“, so Dorka laut „WAZ“. Dass auf der Homepage der DKP Gladbeck zu Farles rechtem Engagement kein Wort verloren wird, spricht nicht sehr für eine Auseinandersetzung mit seiner Kandidatur für die AfD. Ralf Michalowsky, der in Gladbeck für Die Linke spricht, die sich dort in Konkurrenz zur DKP versteht, versucht dagegen, die DKP bloßzustellen: „Irgendwie hat Farle bei der Kaderschulung nicht aufgepasst oder seine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Halle (seit der Wende) hat ihn den Verstand gekostet“. Zu dieser Kritik des Landesvorsitzenden der Linken NRW schweigt die DKP.

Dabei könnte die DKP Ralf Michalowsky kontra geben: Warum er über Robert Farle spricht, aber über Christine Ostrowski schweigt, eine ehemalige leitende Funktionärin seiner eigenen Partei. Auch die ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS, langjährige Bundestagsabgeordnete der PDS und der Linken sowie in Dresden bis zu ihrem Austritt 2008 leitende Kommunalpolitikerin der Linken, Christine Ostrowski, rief Anfang Februar dazu auf, AfD zu wählen: „Aber nun, sorry, nun wähle ich AfD.“, so ein Facebook-Hosting von Ostrowski. In einem anderen kritisiert sie die Aufnahme von Flüchtlingen: „Mein Gott, was wir uns hier importieren!“ Ostrowski, die sich letztes Jahr beim Stadtverband Dresden der FDP um eine Kandidatur für den Stadrat bewarb, stand lange für eine Querfrontstrategie, welche die PDS bzw. Die Linke mit Neonazis und Ultrarechten ins Gespräch bringen wollte. Als stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS traf sie sich 1993 mit Constantin Mayer, einem Kader der 1992 verbotenen Nationalen Offensive, NO, zu einem mehrstündigen Gespräch. „Ausgrenzender Antifaschismus ist nicht hilfreich“, versuchte sie den Dialog mit einem Neonazi zu legitimieren: Sie habe so herausfinden können, dass ihre sozialen Forderungen „bis hin zum Wortlaut“ mit denen des Neonazis übereinstimmten. Auf Druck der Parteiführung musste Ostrowski danach ihr Amt im Bundesvorsitz abgeben, aber der Vorstand ihres Dresdener Stadtverbandes sprach ihr mit überwältigender Mehrheit nach dem Treffen mit Mayer das Vertrauen aus. 1994 kandidierte sie für die PDS für den Posten der Oberbürgermeisterin. 1998 wurde sie mit 96 % Zustimmung erneut zur Vorsitzenden des Stadtverbandes Dresden der PDS gewählt. Anders als Ostrowski benutzt Farle zwar Versatzstücke aus seiner DKP-Zeit, hat aber nicht jahrzehntelang innerhalb einer linken Partei eine offene Querfrontstrategie betrieben.

Bei der Wahlkampfveranstaltung im Januar erklärte Robert Farle: „Mit der AfD kann man keine Berge versetzen, aber wenn wir im Landtag sitzen, können wir Anfragen stellen und Informationen geben, die niemand unterdrücken kann. Und im Übrigen wollen wir direkte Demokratie, zu der auch Volksentscheide gehören.“ Mit den Floskeln aus den 70er Jahren inszeniert Robert Farle auch die AfD als Protestpartei, so wie einst die DKP. Die in Gladbeck mit dem von ihrer Stadtratsfraktion um Robert Farle herausgegebenen Blatt „Das Gläserne Rathaus“ allerdings anders als die AfD tatsächlich für Transparenz sorgte. Sich als Vertreter der einfachen Bürger darzustellen, hat Farle bei der DKP gelernt. Jetzt verkörpert er diese Rolle als Farce: „Die AfD muss ins Parlament, damit wir draußen sehen, was drinnen passiert.“. Dabei sieht er selbst bei der AfD wohl nicht so genau hin, wer sich von der Partei angezogen fühlt: So zeigte ein Demonstrant bei einer mit 300 Teilnehmenden überschaubaren Kundgebung der AfD am 3. Dezember in Wittenberge den Hitlergruß, wovon sich der Versammlungsleiter pflichtschuldig und knapp distanzierte. Robert Farle trat danach ans Mikrofon, hielt eine kurze Ansprache und machte Wahlkampf.

1 Kommentar

  1. Liebster Gaston Kirsche, gebe zu diesen Artikel nett zu finden. Als ehemaliger ASTA- Fachschafts- und Unorganisierter-Mensch sehe ich so einen Kaderfritzen natürlich interessiert seine Haut wechseln.

    Aber was bringt uns dies?

    Entscheidend dürften doch über 24% der Anhaltiner sein, die lieber EX-DKPler, Alkoholiker, Versager usw. wählen, statt der sonstigen angebotenen Vertreter der Parteien.

    Bedeutet?

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