Wer bin ich und wenn ja warum nicht und wie lange noch?

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Das neue jüdische Echo Vol. 64 ist da und beschäftigt sich erneut mit dem Thema Identität…

Von Ramona Ambs

Es geht um die uralte Frage: wer ist Jude? Eine Frage, die immer wieder neu gestellt wird und immer wieder neu -und von jedem anders beantwortet wird. Roland Pohoryles hat diverse Antworten dazu gesammelt und das Ganze aus sozialwissenschaftlicher Sicht beleuchtet. „Jude ist, wer sich wie ein Jude benimmt“ lautet dabei eine der Aussagen, die neben der eindeutig halachischen Definition, von Juden geäußert wurden. Die Zusammenstellung der vielen unterschiedlichen Positionen zeigt ein breites und sehr vielfältiges Bild jüdischer Identitäten.

Über das gleichzeitige Kein-Jude-sein und Jude-sein spricht Eva Menasse in ihrem Beitrag. Eindringlich erzählt sie darüber, dass die Geschichte der Verfolgung auch ihr- der Tochter eines jüdischen Vaters- in die Seele geschrieben wurde. Dass sie quasi aufgrund der Shoa zur Familie der „Hitlerjuden“ gehört.

Zahlreiche weitere Beiträge befassen sich ebenfalls mit den Folgen des Holocausts für das Selbstverständnis der Juden von heute.

Wie sehr die Verfolgung idenditätsprägend ist, zeigt auch der Beitrag von Joana Radzyner, deren Eltern sie als bekenntnislos gemeldet hatten, damit „die gelbe Angst nicht durch ihre Adern fließe“, damit sie keinen „jüdischen Buckel“ kriegen solle, damit sie eben die „jahrtausendealte Angst“ nicht weiter tragen solle.

Wie diese alte Angst das Leben – und somit auch die Gesichter der Menschen prägt zeigt der Beitrag von Meinrad Hofer. Er zeigt Portraitphotos älterer Menschen in den USA, die allesamt als Juden in Wien geboren wurden und von dort aus ins Exil mussten. Die Bilder sind dabei sehr ausdrucksstark und die Gesichtslandschaften der Portraitierten erzählen ihre je eigene Geschichte.

Aber auch aktuelle Auseinandersetzungen finden sich den Essays und Interviews wieder. Erhard Stackl untersucht beispielsweise die (unselige) Rolle von dna-Tests bei der Zusammenführung von Flüchtlingsfamilien, Herwig Czech erklärt im Interview mt Irmgard Kirchner, dass der Weg von Abgrenzung zur Ausgrenzung nicht weit sei, und die Autorin und Filmemacherin Ruth Beckermann berichtet über die Konstanten und Veränderungen des jüdischen Lebens in Wien und erklärt, wie man mit der Ambivalenz leben lernt. Auch Israels gelebte Vielfalt findet sich in mehreren Beiträgen wieder.

Kurz: das jüdische Echo ist wieder ein interessantes und reichhaltiges Sammelsurium, das den Leser mit vielen Fragen und vielen möglichen Antworten konfrontiert. Und deshalb bleibt auch nach der Lektüre, die Frage des Untertitels eine stets aktuelle: Wer sind wir, was sind wir und wie lange lässt man es uns noch sein?

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