In seinem neuen Roman demonstriert Israels Bestsellerautor Eshkol Nevo seine Erzählkunst mit neuen Perspektiven…
Eine Mikwe, oder um genauer zu sein „Die letzte Mikwe in Sibir“, wie das Buch im hebräischen Original heißt, wird dabei zum Katalysator der Sehnsüchte ganz unterschiedlicher Figuren, die den Roman durchziehen: Sehnsucht nach inniger Liebe, nach körperlicher Liebe, nach verlorener Liebe, nach Verstorbenen, nach verpassten Gelegenheiten. Nevo breitet eine Fülle von Geschichten vor dem Leser aus, die rund um ein neues rituelles Tauchbad zusammenfinden.
Da ist Mosche Ben Zuk, der als Externer im Kibbutz aufgewachsen ist und jetzt ultraorthodox ist. In seiner Funktion als Assistent des Bürgermeisters Danino soll er den Bau einer neuen Mikwe überwachen, die ein amerikanischer Geldgeber in Erinnerung an seine verstorbene Frau gespendet hat. Da ist Naim, der arabische Arbeiter, der während er den Bau der neuen Mikwe voran treibt, wegen Spionage verhaftet wird und dadurch zu seinem Glück findet. Ayelet, nach der sich Ben Zuk seit sieben Jahren verzehrt, die ebenfalls zu Gott gefunden hat und sich heute Bat El nennt. Katja und Anton, die zu den russischen Neueinwanderern gehören, in deren Viertel die Mikwe gebaut wird. Alle sind in irgendeiner Weise Einzelgänger, auch wenn sie scheinbar fest in einer Gemeinschaft verankert sind, im Kibbutz, in der ultra-orthodoxen Gemeinschaft, in der Gesellschaft der russischen Einwanderer.
Nevo, 1971 in Jerusalem geboren, heute in Raanana lebend, versteht es zwischenmenschliche Beziehungen ganz in den Vordergrund zu rücken. Das hat er schon mehrfach bewiesen, auf Deutsch sind bereits drei seiner hoch gefeierten Romane bei dtv erschienen. Bisher handelten seine Geschichten aber von säkularen Israelis, die seinem Umfeld nicht allzu fern sein dürften. In diesem Roman wagt er sich an einen größeren Querschnitt der israelischen Bevölkerung heran, vor allem an das Thema der „Choser beTschuwa“, also Juden, die streng gläubig werden und ultra-orthodox leben. Dazu verortet Nevo die Handlung nach Safed und Umgebung, ohne aber die Stadt bei ihrem Namen zu nennen – sie heißt einfach die Stadt der Gerechten. Aus dem Kontext erschließt sich ganz klar, dass nur Safed gemeint sein kann, genau wie mit das geheime Militärcamp, das jeder kennt, ein Militärlager des Nachrichtendienstes am Berg gegenüber von Safed ist oder auch der See-in-dem-kein-Wasser-ist natürlich der See Genezareth.
Der Verzicht auf die tatsächlichen Namen rückt die Erzählung in eine symbolische Perspektive, die den Ort des Geschehens, das politisch so heiß diskutierte Israel, elegant in den Hintergrund treten lässt und den Fokus ganz auf die „einsamen Liebenden“ lenkt.
Wieder ein wundervoller Roman von Eshkol Nevo, unbedingte Leseempfehlung!
Eshkol Nevo, Die einsamen Liebenden, dtv premium 2016, 304 S., Euro 16,90, Bestellen?
Leseprobe – Termine zur Lesereise des Autors im März