Kein Weg zurück

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Die Dänische Volkspartei ging überraschend erfolgreich aus den Wahlen hervor…

Von Jens-Martin Eriksen und Frederik Stjernfelt
Jungle World v. 25. Juni 2015

Die große Überraschung bei den jüngsten Wahlen in Dänemark war das Abschneiden der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF), die ihren Stimmenanteil auf 21,2 Prozent fast verdoppelte. Keine Umfrage hatte dieses Ergebnis vorhergesagt, angeblich weil die Befragten zögerten, ihre Unterstützung für die Partei einzugestehen, um nicht als Rassisten stigmatisiert zu werden.

Der Hauptgrund für den Erfolg der DF scheint ihre Ablehnung von Einwanderung, insbeson­dere muslimischer, zu sein, im Gefolge des islamistischen Terrors in Paris, Kopenhagen und Dallas. Ein weiterer Grund könnte in der geographischen Verteilung ihrer Wählerschaft liegen, die auf ein soziales Thema verweist: die Spannung zwischen großen Städten und ländlichen Einöden. Die Hochburgen der DF liegen nun in der südlichen Hälfte Jütlands und den westlichen Teilen von Seeland – Gebiete, die von der Zentralisierungspolitik der vergangenen Jahrzehnte gezeichnet sind, wo viele Städte nun ohne Rathaus, Polizeistation, Krankenhaus und Gericht sind. Es ergibt sich das Bild einer Partei, die von Wählern der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums gestützt wird und die Themen anspricht, die die traditionellen Parteien vernachlässigt.

Auch wenn die DF rechtspopulistisch ist, stellt sie keine dänische Entsprechung etwa zum französischen Front National oder zur griechischen Chrysi Avgi dar. Sie repräsentiert eine mildere, weniger utopische Version des Populismus mit Hauptforderungen wie einer strikteren Immi­grationsgesetzgebung, die an eine Erhöhung der Sozialausgaben gekoppelt ist – weit entfernt von den rüden Ideen der Rückführung von Immigranten, die sie vor zehn Jahren vertrat, aber nie zurücknahm. Die beiden Hauptthemen der Partei bleiben Migrationskontrolle und Wohlfahrt, insbesondere für Alte und Kranke; bei vielen anderen Themen sind ihre Äußerungen widersprüchlich und von Opportunismus geprägt. Ursprünglich trat die DF für eine Kürzung der Arbeitslosenunterstützung ein, nun attackiert sie diese Politik. Kürzlich sorgten Vorschläge wie die Verbannung der englischen Sprache aus Schule und Marketing für Hohn und Spott.

Von 2001 bis 2011 tolerierte die DF die Mitte-rechts-Regierung und nutzte diese Position geschickt, um Zugeständnisse bei der Immigrationspolitik und Unterstützung für Ältere zu erringen. Aber gerade dieses Verhalten als Protestpartei, das der DF wesentlich ist, erweist sich nun als ihr Hauptproblem. Nach den Wahlen wurde Lars Løkke Rasmussen, der Vorsitzende der nun nur noch zweitstärksten rechtsgerichteten Partei Venstre, bestimmt, eine Regierung aus den vier Parteien der siegreichen Rechten zu bilden – zusätzlich zu der DF und Venstre zwei kleinere Parteien, die Konservativen und die Liberale Allianz.

Nach der alarmierenden Niederlage seiner Partei Venstre steht Rasmussen nun vor der seltsamen und schwierigen Aufgabe, einen Deal mit einer Protestpartei zu machen, die aus ihrer Rolle herauswächst und nun als wichtige politische Kraft erscheint. Zunächst verhielt sich die DF, als sei sie immer noch eine kleine Protestpartei. Sie eröffnete die Verhandlungen mit vier Forderungen, darunter die Wiedereinführung von Grenzkontrollen und die Erhöhung der Sozialausgaben um 0,8 Prozent. Dabei wusste sie genau, dass solche Forderungen für die anderen Parteien schwer zu akzeptieren sind. Zudem macht Kristian Thulesen Dahl, der Vorsitzende der DF, keine Anstalten zu verbergen, dass er am liebsten wie von 2001 bis 2011 eine von Venstre geführte Regierung toleriert würde – ohne Regierungsbeteiligung. Doch da sich das Kräfteverhältnis seither geändert hat, wird nicht mehr akzeptiert, dass sich die DF verhält, als sei sie noch Protestpartei. Nach einigen Stunden war die DF raus aus den Verhandlungen zur Regierungsbildung.

Einige internationale Kommentatoren sahen den Wahlsieg der DF als verhängnisvoll für die europäische Rechte: die erste derartige Partei, die die größte im rechten Lager eines Landes wurde. Andere Kommentatoren sehen darin Möglichkeiten – die DF könnte sich als Spielerin ohne die faschistischen Tendenzen ähnlicher Parteien in Deutschland, Frankreich, Griechenland und sicher gegründet auf demokratische Werte etablieren (die groteske Sprache ist weit hergeholt, aber das sind nicht unsere Klischees). Welche dieser Interpretationen richtig ist, könnte das Ergebnis der Regierungsbildung zeigen, wo das unterhaltsame Schwanken der DF zwischen dem Verhalten als Protestpartei und der Verantwortung als Partei der Mitte noch nicht beendet ist.