Bei erstem Urnengang nach Pariser Terror droht Polit-Beben…
Von Danny Leder, Paris
Francois Hollande steht eine schmerzhafte Rückkehr in den politischen Alltag bevor. Seine souveräne Führungsrolle während der Tage des Terrors hatte seine ansonsten miserablen Umfragewerte mit einem Schlag in die Höhe schnellen lassen. Aber jetzt bescheinigte eine Umfrage Marine Le Pen, sie würde bei Präsidentenwahlen mit rund 30 Prozent der Stimmen im ersten Durchgang in Führung gehen. Die anschließende Stichwahl würde die Chefin des „Front National“ (FN) allerdings verlieren – freilich im Fall eines Duells mit Hollande nur knapp, mit 49 zu 51 Prozent.
Schon an diesem Sonntag (1.Februar) findet bei einer Wahl im ostfranzösischen Departement des Doubs ein Test in Realmaßstab statt. Wobei das letzte Abgeordnetenmandat, das die absolute Mehrheit der Sozialisten in der Nationalversammlung sichert, auf dem Spiel steht.
Diese örtliche Nachwahl ergab sich, weil der bisherige SP-Abgeordnete, Pierre Moscovici, in die EU-Kommission wechselte. Verliert der SP-Nachfolgekandidat die Wahl, wäre das eine Abfuhr sowohl für den sozialliberalen Kurs der SP-Regierung (der Moscovici ursprünglich als Finanzminister angehörte) als auch für die EU wegen des Amts von Moscovici als Wirtschafts-Kommissar.
Auf FN-Plakaten umzingeln IS-Terroristen Frankreich
Der FN hat gute Aussichten, zumindest im ersten Durchgang (die Wahl findet in zwei Gängen, diesen und nächsten Sonntag, statt) Platz eins zu belegen. Der FN hofft von den Nachwehen der Attentate zu profitieren: auf seinen Plakaten sieht man Terroristen des „Islamischen Staats“, die eine französische Landkarte umzingeln.
Es ist aber vor allem der soziale Frust, der dem FN Wähler zutreibt. Diese Industrie-Gegend beherbergt Fabriken des Autoherstellers Peugeot. Marine Le Pen, die die „ultraliberale Wirtschaftspolitik“ und die Sparauflagen der EU geißelt (sie hat den Wahlsieg von Syriza in Griechenland begrüßt), und eine nationalstaatliche Abschottung befürwortet, hat ein beträchtliches Sympathiepotential unter jungen Arbeitern.
Eine prominente Journalistin, Florence Aubenas, die mit Sozialreportagen Aufsehen errregte (sie ist eine Art französischer Günter Wallraff), berichtet: die älteren Arbeiter bei Peugeot hatten noch eine fixe Anstellung, ihre Söhne habe nur mehr atypische Jobs, die immer wieder von Periode der Arbeitslosigkeit abgelöst werden. Ein älterer Arbeiter sagte: „Wir waren moderne Sklaven, und der Traum unserer Kinder ist es, zumindest diesen Status (des fixen Jobs) zu erreichen.
Der SP-Kandidat versuchte den Zorn der Arbeiter mit linken Slogans („Schluss mit den höllischen Arbeitsrhythmen“) abzufangen. Aber die SP-Regierung wird von vielen Wählern aus der Arbeiterschaft für die Verschärfung der sozialen Krise verantwortlich gemacht, oder zumindest als hilflos abgeschrieben. Die jüngsten Hiobsmeldungen über das Wachstum der Arbeitslosigkeit lasten besonders auf der SP-Staatsführung: Seit dem Amtsantritt von Hollande 2012 wuchs die Zahl der Arbeitslosen um 572.000. Insgesamt erreichte zuletzt die Zahl der registrierten joblosen Franzosen einen noch nie dagewesenen Höchststand von 3,5 Millionen. 2014 wuchs die Arbeitslosenrate schneller als 2013. Wirtschaftsforscher sehen auch für 2015 kein Ende dieses Trends. Die Regierung hat zwar mit staatlich finanzierten Anstellungen in Vereinen und Kommunen einen Teil der jungen Jobsucher vorübergehend unter die Arme gegriffen. Um aber die Situation am Arbeitsmarkt wirklich zu verbessern, will die Regierung das Arbeitsrecht lockern und Unternehmerfreundliche Maßnahmen setzen. Sie stößt damit aber auf heftigen Widerstand in den eigenen Reihen der SP-Abgeordneten, wo etwa ein Drittel diesen sozialliberalen Kurs als sinnlos und ungerecht bekämpfen.
Ein böses Omen gab es während der Wahlkampfversammlung von SP-Premier Manuel Valls im Doubs: die Lichter gingen einen Stunde lang aus. Gewerkschafter eines E-Werks hatten den Strom aus Protest gegen eine Reform der Energiewirtschaft gesperrt.
Zwar wird die SP weiterregieren, auch wenn sie ihre absolute Parlamentsmehrheit verliert, weil sie sich auf die Schützenhilfe einer linksliberalen Kleinpartei verlassen kann. Aber eine derartige Niederlage wäre ein dramatisches Signal am Vorabend weiterer lokaler und regionaler Wahlen in diesem Jahr.