Israels Kunst auf der Münchner Praterinsel…
Von Anna Zanco Prestel
Tal Shers „Buttons Journey“ als farbenfrohe Blumenkomposition aus echten Knöpfen neben der vertikalen Architektur eleganter Wohndomizile mit mediterranem Flair von Michal Servadio Ilan, Adir Dvoras Stoffbild mit Damengruppe in opulentem arabischen Gewand, die üppige Wildnis in Yariv Gevas „Stilleben“ oder Irena Aizens phantastische Tiergestalten sind einzelne Beispiele aus einer Vielfalt von Bildmotiven, die Scharen von Kunstinteressenten zwischen 10. und 15. September 2014 parallel zur diesjährigen OPENart auf die Münchner Praterinsel gelockt haben.
Dazwischen unzählige Fotos, Fotoarbeiten und Digital Prints jeglicher Art und Ausrichtung. Die Meisten – wie die Mehrzahl der Exponate – in Farbe, sieht man von glanzvollen Ausnahmen wie Roni Ben Aris schlichten schwarzen „Drawing Stones“ ab. Mixed-Media-Arbeiten gesellten sich zu Ready-Made Assemblages oder zu Collagen, wie die aus Klima- und Landkarten bestehenden Experimentierbilder von Li Weinberg. Identitätssuche wurde darin zum Leitmotiv, nicht weniger als bei den gesichtslosen Jungen und Mädchen in Unterwäsche, durch die Sharon Rashbam Prop ihre Kindheitserlebnisse in der kollektiven Gesellschaft des Kibbutz zu verarbeiten sucht. Überall auf den zwei Ebenen des Gebäudes mal witzige, mal dekorative Objekte aus unterschiedlichen Materialien wie Michal Fuhrers lustige kugelförmige Figuren aus Glasfaser und glänzendem Autolack. Nicht weit davon entfernt eine Vielzahl kleiner klassisch-moderner Skulpturen aus Bronze und anderen Metallen, unter denen Rami Atars originelle, in die Höhe schießende abstrakte Skulptur aus Eisen und einem „touch“ Messing herausragt. Und noch dazu – in dem gesamten Raum verstreut – hochwertige Gebrauchsgegenstände wie Lampen oder Sessel aus Holz sowie kunstvolle Schalen aus Keramik, Stein oder Porzellan.
Mit dieser alle Sparten der bildenden Kunst umfassenden Schau stellten sich unter den Gewölben des suggestiven Baus an der Isar 280 junge und auch weniger junge israelische Künstler vor. Dass beinah über die Hälfte von ihnen zum weiblichen Geschlecht gehörte, sollte – nach den Worten der engagierten deutschen Ausstellungsleiterin Marlène Sternbaum – zeigen, wie sehr die Entwicklung der israelischen Gesellschaft im Zeichen der Frauenemanzipation stehe. Die breite Präsenz des Figürlichen in den einzelnen Werken stand ferner für die Unabhängigkeit israelischer Kunst von religiösen Vorgaben jeglicher Art – siehe Abbildverbot. Frei, pluralistisch und multiethnisch reflektiert sie Gegensätze, die vom Zusammentreffen – nicht Aufeinanderprallen! – unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen und Religionen und Identitäten auf kleinstem Raum ableiten. Die Ausstellung mit ihren 200 extra angereisten Künstlern bot die Gelegenheit, das Land, das seit Jahrzehnte Schauplatz scheinbar unlösbarer Konflikte ist, mit neuen Augen zu betrachten. Der Kunst wurde somit eine Vermittlerrolle zugeschrieben, die den fremden Blick schärfen und die aus der Medienberichterstattung oft verfälschten Perspektive korrigieren sollte. Denn – wie der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Dr. Ludwig Spänle in seinem Grußwort verlauten ließ – „erst wenn man sich mit der Kunst und Kultur eines anderen Landes auseinandersetzt, kann man die Menschen und das, was eine Gemeinschaft bewegt, und ausmacht, richtig verstehen“.
Kuratorin der aus 1000 von einer Fachjury ausgewählten Exponaten bestehenden Schau ist Lee More-Cohen, die sich seit 14 Jahren als Organisatorin von Ausstellungen der „Israelischen AIDS Task Force“ profiliert hat.
Begleitet wurde die Veranstaltung von einem interessanten Rahmenprogramm. Eine hochkarätige Expertenrunde aus Wirtschaft, Finanz und Kunst debattierte zum Thema „Kunst ist Kapital“, während sich BR-Filmexperte Klaus Eder im Gespräch mit dem bekannten israelischen Foto-Journalisten Ziv Koren über „Kunst und Politik“ unterhielt . Seine oft preisgekrönte Bilder aus Reportagen über den israelisch-palästinensischen Konflikt und aus vielen anderen Orten weltweit gehörten zu den Highlights des mehrtägigen Events.
Als Verkaufsschau konzipiert, veranschaulichte die gewiss überfüllte Ausstellung die Mannigfaltigkeit der heutigen israelischen Kunst, und machte vor allem aufmerksam auf das große Potential an Kreativität, das sich in der – trotz Kriege und Anfeindungen von Außen – sehr lebendigen und dynamischen Kunstszene des Landes zwischen Jordan und Mittelmeer verbirgt.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.