Indien: Kotschin/Cochin in historischen deutschen Nachschlagewerken

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Wie berichteten die einschlägigen deutschen Enzyklopädien der Zeit vor und paar Jahre nach der Shoa über die Juden von Kotschin? Was für Informationen über das dortige multikulturelle Umfeld bzw. über den Umgang der verschiedenen sozialen Schichten miteinander vermittelten sie? Welche Angaben zum besseren Verständnis der Lebensbedingungen in jenem Teil Südindiens steuerten sie bei? – Fragen, die uns Einträge aus den alten Brockhaus- und Meyer-Auflagen beantworten können…

Von Robert Schlickewitz

Meyers Großes Konversations-Lexikon, mehrbändig, 6. Aufl., Leipzig und Wien 1905

Kotschin (engl. Cochin), britisch-ind. Vasallenstaat, an der Küste von Malabar, der Präsidentschaft Madras unterstellt, zwischen 9° 48‘ und 10° 50‘  nördl. Br., 3536 qkm mit (1901) 812 025 Einw., darunter 501 544 Hindu, 46 389 Mohammedaner, 173 831 Christen und 1142 Juden. Das ebene, an der Küste von schiffbaren Lagunen umsäumte Land erzeugt viel Reis und Kokospalmen (letztere liefern in Fasern, Nüssen, Kopra den Hauptausfuhrartikel), Baumwolle, Kaffee, Indigo, Betelnüsse ec.; die Wälder enthalten Tiekbäume und andre wertvolle Holzarten: Salzgewinnung ist ein einträgliches Monopol der Regierung. Der Radscha zahlt der englischen Regierung jährlich 20 000 Pfd. Sterl., seine Einkünfte betragen 21 Mill. Rupien. Die Militärmacht besteht aus 326 Mann mit 2 Geschützen. Das Schulwesen wird vornehmlich durch katholische und protestantische Missionen gefördert, der Staat unterhält eine höhere Schule, zwei Bibliotheken, eine Zeitung. Hauptstadt ist Ernakolam mit (1901) 21 901 Einw., der Radscha residiert in dem nahen Tripunthora; andre Städte sind Mattantscheri (20 061 Einw.), Tritchur (15 585 Einw.), Tschittur (8095 Einw.). – In der älteren Zeit teilte K. die Geschicke des südlichen Indien (vgl. Madras); 1503 gründeten in der gleichnamigen Hauptstadt die Portugiesen ihre erste Niederlassung, die aber 1662 von den Holländern genommen wurde. Mit den Portugiesen kamen die Jesuiten, die das Seminar Ambalakoddu, beim heutigen Dorf Anquamali, errichteten und dort seit 1678 in der Landessprache (Malayalam) zahlreiche Werke druckten. 1759 kam ein Teil des Landes an Travankor, 1776 wurde K. von Haider Ali von Maissur, später von seinem Sohne Tippu Sahib verwüstet. Unter diesen blieb K. bis zum Falle von Maissur. Das Tributsverhältnis besteht seit 1791; ein Aufstand 1809 mißlang.

Kotschin (Kotschi-Bandar, „kleiner Hafen“, engl. Cochin), Hafenstadt im Distrikt Malabar der britisch-ind. Präsidentschaft Madras, am Südufer der schiffbaren Haupteinfahrt des Travancore-Ästuars, hat eine große Anzahl alter Bauten aus der holländischen Zeit, eine vor 1546 erbaute, jetzt protestantische Kirche mit dem Grabmal Vasco da Gamas, einen Gerichtshof, Zollhaus, viele von den verschiedenen Missionsgesellschaften errichtete Schulen und (1901) 19 274 Einw., darunter 9963 Christen (Abkömmlinge von Portugiesen und Holländern) und viele Moplas, die Fischerei, namentlich aber lebhaften Handel und Schiffahrt treiben, da K. der einzige Hafen der Westküste südlich von Bombay ist, wo größere Seeschiffe gebaut werden können (Schiffsverkehr 1903: 640 333 Ton., davon 21 deutsche Dampfer mit 68 352 Ton.). Der Gesamthandel betrug 1902: 33, 6 Mill. Rupien, davon der Fremdhandel in der Einfuhr 778 703, in der Ausfuhr 8 342 328 Rupien: K. ist Sitz eines deutschen Konsuls. – Schon 52 n. Chr. soll der Apostel Thomas hier eine christliche Kirche gegründet haben, auch Juden ließen sich (zufolge der Überlieferungen nach der Zerstörung Jerusalems durch Titus, 70 n. Chr.) hier nieder. Der Portugiese Cabral landete hier um 1500; Vasco da Gama errichtete 1502 eine Faktorei, und Albuquerque erbaute 1503 ein Fort. 1663 wurde die Stadt von den Holländern genommen und gelangte unter ihnen zu hoher Blüte. 1795 wurde sie von den Engländern erobert, die 1806 die Kathedrale und viele der vornehmsten Gebäude in die Luft sprengten und 1814 endgültig in den Besitz der Stadt gelangten.

Meyers Lexikon, mehrbändig, 7. Auflage, Leipzig 1927:

Kotschin (Kochin, engl. Cochin), britisch-ind. Vasallenstaat an der Küste von Malabar, der Präsidentschaft Madras unterstellt, 3831qkm mit (1920) 979 080 Ew. (646 132 Hindu, 68 707 Mohammedaner, 262 595 Christen, meist Nestorianer, 1167 Juden). Die Küstenebene erzeugt Reis, Kokospalmen, Baumwolle, Kaffee, Betelnüsse, die Wälder Tiekbäume und andre wertvolle Holzarten; Salzgewinnung ist Monopol der Regierung. Das Schulwesen wird durch katholische und protestantische Missionen gefördert. Hauptstadt ist Ernakulam mit (1921)23 192 Ew. Der Radscha residiert im nahen Trippunithura (1921): 4761 Ew. Lit.: F. S. Davis, Cochin, British and Indian (1923).

Kotschin (Kutschi-Bandar, „kleiner Hafen“, engl. Cochin), Hafenstadt im Distrikt Malabar der brit.-ind. Präsidentschaft Madras, an der Haupteinfahrt des Travankor-Ästuars, hat alte Bauten aus der holländischen Zeit (1663-1795), anglikanische Kirche (erste Grabstätte Vasco da Gamas), Missionsschulen und (1921) 20 637 Ew., zur Hälfte Christen (ursprünglich Nestorianer, ansässig seit dem 5. Jh.), schwarze und weiße Juden und viele Mopla, die Fischerei, Handel und Schiffahrt treiben. Der früher unzulängliche Hafen ist seit März 1926 Großhafen.

Der Große Brockhaus in zwanzig Bänden, 15. Aufl., Leipzig 1929:

Cochin, 1) Eingeborenenstaat der brit.-ind. Präsidentschaft Madras, umfaßt 3527 qkm ,it (1921) 980 000 E. (646 000 Hindus, 263 000 Christen, 68 000 Mohammedaner, 1160 Juden). Die östl. Hälfte wird von der Westghats eingenommen, an die sich eine fruchtbare Hügellandschaft anschließt. Den Küstensaum bilden in der Regenzeit lang sich hinziehende Lagunen mit sandigen Nehrungen, die von Kokospalmwäldern bedeckt sind. Gleichmäßige hohe Temperaturen und reiche Niederschläge (über 2500 mm) begünstigen den Anbau von Reis, Palmen, Pfeffer, Kaffe, Tee und Kautschuk. Die Bevölkerungsverhältnisse erhalten durch die starke Verbreitung des Christentums, das Bestehen einer alten jüd. Siedlung, das Vorkommen primitiver Eingeborenenstämme (Cherumas, Pulajas, Parsahs), die überaus scharfe Kastengliederung und das Matriarchat der bäuerlichen Nayars ihr Gepräge. Hauptstadt ist Ernakulam (23 190 E.).

2) Hafenstadt in der brit.-ind. Präsidentschaft Madras, hat (1921) 20 640 E. (zur Hälfte Christen und einige hundert Juden). C. hat viele alte Bauten, mehrere Missionsschulen und bedeutende Ausfuhr. M 1502 ließen sich hier die Portugiesen nieder. 1663 wurde die Stadt von den Holländern erobert; 1776 kam C. unter die Oberhoheit Haidar Alis, 1791 der Engländer.

Der Grosse Brockhaus in zwölf Bänden, 16. Aufl., Wiesbaden 1955:

Kotschin, engl. Cochin, 1) ehemal. Fürstenstaat in Südindien, 3867 qkm mit (1941) 1, 42 Mill. Einw.; seit 1. 7. 1949 mit Trawankur zum Staat Trawankur-Kotschin vereinigt.

2) Stadt und ausgezeichneter Seehafen im Staat Madras als Enklave im Staat Trawankur-Kotschin an der südind. Malabarküste, mit (1951) 29 900 Einw., ist Stützpunkt der ind. Marine und wird von der Union mit einem Beirat aus Vertretern beider Staaten verwaltet.

Kotschin (Cochin) im Internet:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kochi_%28Indien%29

http://de.wikipedia.org/wiki/Cochin-Juden

http://en.wikipedia.org/wiki/Cochin_Jews

http://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%9A%D0%BE%D1%87%D0%B8%D0%BD%D1%81%D0%BA%D0%B8%D0%B5_%D0%B5%D0%B2%D1%80%D0%B5%D0%B8

http://adaniel.tripod.com/cochin.htm

http://www.hindu.com/thehindu/mag/2005/05/15/stories/2005051500300400.htm

http://www.hindu.com/2003/09/11/stories/2003091108060400.htm

http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?fromPage=online&aid=1859700

http://www.jcpa.org/jpabfl93.htm

http://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g297633-d450998-Reviews-Paradesi_Synagogue-Kochi_Cochin_Kerala.html

http://www.indien-reise.com/german/Cochin-Ernakulam.htm

http://israel.nahost-politik.de/israel-nachrichten/news/indien.htm

http://www.youtube.com/watch?v=5zMAT4S22Zk

http://www.youtube.com/watch?v=Q2a2bxhAdOQ

http://www.youtube.com/watch?v=3tQgIjSTSWc

http://www.youtube.com/watch?v=7KcghKqNX-Y

http://www.youtube.com/watch?v=D-iDwBpjqYs

http://www.youtube.com/watch?v=NWMTN61GaOY

http://www.youtube.com/watch?v=iRIyAzUpuYc