Lange gekrümmte Nasen, Plattfüße aber große Lebenskraft

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts reklamierte das Deutsche Kaiserreich gern seine Führerschaft in nicht wenigen Gebieten akademischen Forschens. Um auf die Erkenntnisse und Errungenschaften ihrer Wissenschaft aufmerksam zu machen, bedienten sich die damaligen Deutschen u.a. ihrer nationalen Enzyklopädien. Mit Ersch Gruber, Pierer, Brockhaus, Meyer und Herder, um nur die wichtigsten zu nennen, verfügte ihr Land im 19. und 20. Jahrhundert über überdurchschnittlich viele für seriös gehaltene Lexika. Als weniger seriös muten allerdings heute so manche Einträge in diesen Kompendien der (Populär-) Wissenschaften an. Wir haben uns einmal den Eintrag „Juden“ im Meyer von 1905 vorgenommen…

Von Robert Schlickewitz

Meyers Konversations-Lexikon galt einst, und gilt in eingeweihten Kreisen heute noch, als ein bedeutendes, deutschsprachiges, allgemeinwissenschaftliches, enzyklopädisches Werk mit nicht geringem Nationalprestige. Als Deutscher war man, und ist es wohl zum Teil immer noch, stolz auf ‚seinen‘ Meyer.

Das erste Meyersche „Große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände“, benannt nach seinem Gründer Joseph Meyer, erschien zwischen 1839 und 1855, während die für diesen Beitrag ausgewählte 6. Auflage aus den Jahren 1902-1908 stammt. Fachleute schätzen just dieses, „Meyer’s Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens“ genannte Werk, gemeinsam mit zwei Auflagen aus dem Hause des Konkurrenten Brockhaus, als Höhepunkte der populären Enzyklopädie in deutscher Sprache ein. Meyer veröffentlichte übrigens sein letztes, 15 Bände umfassendes Lexikon (10. Auflage) in den Jahren 1981-1986, während eine aktualisierte Fassung von 2006 bis 2009 kostenlos online abrufbar war.

Über Juden haben Deutsche in der Vergangenheit eine Menge geschrieben; das meiste davon werden sie inzwischen wohl bereuen und würden sie, wenn sie es nur könnten, ungeschrieben machen. Der „Juden“-Eintrag aus dem Meyer des Jahrzehnts vor dem Ersten Weltkrieg gehört mit Sicherheit zu jenen Entgleisungen, auf die viele, ausgestattet mit dem Wissen von heute, inzwischen gerne verzichten würden.

Dabei ist dieser Eintrag gerade in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Denn er gibt nicht nur das Judenbild seiner Zeit detailliert und facettenreich wieder, sondern er lässt direkte und durchaus nachdenklich stimmende Rückschlüsse auf den Zustand bzw. die Verfassung der christlich-deutschen Mehrheitsgesellschaft seiner Zeit zu.

Das Stichwort „Juden“ widmet sich auffallend ausgiebig den Äußerlichkeiten jüdischer Menschen. Dabei gerät der Körperteil Nase, die angeblich so charakteristische Judennase also, nicht weniger als viermal in den Fokus der ein wenig chaotisch wirkenden Beschreibung von Juden bzw. deren „Rasse“: „Es kennzeichnen den Juden eine lange hakenförmig gekrümmte Nase…“ bzw. „mit … hakenförmiger aber fein gebildeter Nase…“ bzw. „dicke Nase“ bzw. „…und großer gebogener Nase (wie die Juden)“.

Der erste Gedanke, der modernen Lesern bei der Lektüre solcher Ausführungen kommen dürfte, wird wohl sein: Trifft diese Charakterisierung auch auf die Juden in meinem persönlichen Umfeld oder auf andere Juden, die ich kenne, zu?

Möglicherweise beginnen nun einige ihr Gedächtnis zu befragen und geraten dabei an ihre ganz eigenen Bilder von: Woody Allen, Marcel Reich-Ranicky, Jerry Lewis, Hans Rosenthal, Danny Kaye, Michel Friedmann, Jack Benny, Charlotte Knobloch, Steven Spielberg, Ilja Richter, Benny Goodman,Therese Giehse, Moshe Dayan, Albert Einstein, Ariel Sharon, Lion Feuchtwanger, Yizhak Rabin, Jakob Wassermann, David ben Gurion, Josef Roth, Benjamin Netanyahu, Stefan Zweig, Esther Ofarim, Franz Werfel, Mordechai ben David…

Seltsam, werden sie befinden, eine solche Nase, hat eigentlich keiner der Aufgezählten.

Zweiter Gedanke: Möglicherweise haben Juden vor einem Jahrhundert deutlich anders ausgesehen als heute (?). Dritter Gedanke: Ach was, warum sollten sie früher anders ausgesehen haben als heute, so ein Unsinn aber auch.

Welche weiteren „typischen Kennzeichen“ für Juden nennt der Meyer? – „Vorstehende feuchte Augen, dicke hängende oder wenigstens umgestülpte Unterlippe, Plattfüße…“ – Auch diese Charakteristika stimmen doch mit keinem der oben genannten Juden überein. Wie mag der Lexikonautor nur auf solche haarsträubende „Merkmale“ gekommen sein, hat er sie möglicherweise irgendwelchen Karikaturen entnommen, oder versucht er gar selbst Juden zu karikieren?

Weiter im Lexikontext: „… im allgemeinen … besitzt der Jude dunklen Teint, dunkle Haare, dunkle Augen … Frauen pflegen dunkler als Männer zu sein … dunkles Haar … braune und schwarze Augen … dunkles Haar und dunkle Augen.“  – Bei soviel ‚Dunkelheit‘ hilft nur ein erneuter Vergleich mit den genannten jüdischen Promis. Na, wer von ihnen entspricht diesem Zerrbild? – Vollständig jedenfalls keiner! Keiner der Aufgezählten ist dunkelhäutig.

Aus der einschlägigen Fachliteratur zu Antiziganismus weiß man aber, dass ‚dunkel‘, ‚schwarz‘ etc. die Lieblingsattribute hartnäckiger Antiziganisten zur Ausgrenzung und Diffamierung von Sinti und Roma waren. So hat der hundertprozentig unkoschere, bayerische Erfolgsautor Ludwig Ganghofer in seinen überlangen, die Bauern- und Bergwelt verherrlichenden und schwerfällig moralisierenden Romanen oft die Wilderer, Unholde und Bösewichter ‚dunkel‘ überzeichnet präsentiert. Er verlieh ihnen schwarze Haare, schwarze Augen und betonte besonders die Bräune von deren Haut, so z. B. beim Wilderer Blasi in „Der Jäger von Fall“.

Welche weitere Stereotypen für Juden hält der Meyer noch bereit? – Die Schädeltypen der Juden sollen ganz besonders homogen sein (?) und „Minderwertigkeit im Wuchse“ (Kleinwüchsigkeit) sei gleichfalls typisch für die „jüdische Rasse“. –  Hoppla, Minderwertigkeit, jüdische Rasse? Das klingt doch fast nach Julius Streicher? – Aber der wurde doch erst 1923 mit seinem „Stürmer“ aktiv! – Na, dann hat der eben seine Weisheiten diesem Vorzeige-Lexikon der Deutschen entnommen. Sollte man sich direkt merken!

Interessant wird der Meyer auch bei der Beschreibung der Lebensbedingungen, die den Juden angedichtet werden. Gleich viermal liest man im Meyer-Eintrag, dass Juden typischerweise in unhygienischer Umgebung, bzw. gar in „schmutzigen“ Behausungen leben. – Wie war das doch gleich mit dem „jüdischen Ungeziefer“ und den häufigen Vergleichen mit den Ratten bei Streicher?

Es wird noch besser: Bei allen ihnen eigenen Andersartigkeiten und trotz ihrer schlimmen Wohnsituation entwickeln ‚die‘ Juden „Große Lebenskraft“. Die jüdische Sterblichkeit liegt unter der der christlichen Deutschen, sie leben länger, sie sind seltener krank, auch dem Alkohol verfallen sie nicht so leicht wie ‚unsereiner‘. Wird hier das Schreckensbild einer zwar minderwertig erscheinenden, jedoch tatsächlich höherwertigen Art Mensch gemalt? Wie anders als eine Gefahr für die eigene Tradition, Kultur bzw. Lebensweise soll man solche Ausführungen interpretieren? Das Selbstverständnis des sich (sicher auch damals schon) für das Nonplusultra unter den Menschen haltenden christlichen Deutschen muss doch in Schieflage geraten, wenn er so etwas liest!

Jedoch, gottlob, die Juden sind nicht vollkommen, sie haben auch Schwächen: Sie erkranken häufiger an Grünem Star, an Diabetes, Hysterie, Neurasthenie und Geisteskrankheiten… Sind sie also doch keine Hypermenschen, wie beruhigend.

Das vorläufige Fazit gemäß Meyer lautet: Juden sind anders; sie sind merkwürdige Geschöpfe; sie sind ‚uns‘ in vielfältiger Beziehung fremd; sie sind Fremdkörper in ‚unserer‘ Gesellschaft; sie könnten eine Gefahr für ‚uns‘ darstellen; sie gehören nicht zu ‚uns‘.

Nach der Einschätzung der Äußerlichkeiten folgt die (Herab-)Würdigung des Charakters des „typischen“ Juden: Es kennzeichnen ihn, angeblich, „Habgier, Verschlagenheit, Schlauheit, Abneigung gegen körperliche Arbeit…“.

Angenommen, es wäre zulässig, daraus einen Umkehrschluss auf den Charakter der christlichen Deutschen zu ziehen, so müssten diese wahre Ausbunde an Großzügigkeit, Spendierfreude, Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, sowie Akkord-Schwerstarbeiter aus Passion sein. Sind sie das? – Sind sie das wirklich? – Doch wohl eher seltener, oder?

Abschließendes Fazit: Hier wird auf sittlich wie moralisch zweifelhafte Weise ein Feindbild geschaffen, an dem man sich als christlicher Deutscher aufrichten können soll und Deutschlands renommiertes Lexikon Meyer leiht für diese schändliche Absicht seinen Namen her.

Was steckte dahinter? Wollte man mit diesem ruchlosen Treiben von gravierenden gesellschaftlichen Mängeln, von sozialen Gegensätzen oder vom Versagen der christlichen Ethik ablenken? Bediente man sich der anthropologischen Forschungen, somit eines Zweiges der Wissenschaft, in der Deutschland lange Zeit tatsächlich eine bedeutende Rolle gespielt hat, um überzeugender zu wirken? – Wie auch immer, dem Nationalsozialismus schuf man damit jedenfalls eine Grundlage, mit der der seinen Wahn von der Überlegenheit der germanischen Rasse bzw. von der Minderwertigkeit der Juden quasi-wissenschaftlich, und für viele Deutsche offenbar einleuchtend, begründen konnte.

Die obige Besprechung des Eintrags „Juden“ aus dem Meyer betraf nur dessen ersten Teil „Anthropologisch-ethnographische Verhältnisse“, der hier wiedergeben wird:

Juden (Israeliten), die Bekenner der mosaischen Religion. Ihr ursprünglicher, meist nach außen geltender Name war Hebräer oder Ebräer (…), „die Jenseitigen“, weil ihr Stammvater Abraham von jenseits des Euphrat in Palästina eingewandert war. Die mehr einheimische, auf die Bestimmung des Volkes hinweisende Benennung nach dem dritten Stammvater, Jakob (Israel, d. h. „Gottesstreiter“), Israeliten, entstand schon zu Anfang ihres Geschichtslebens, und mit Juden (…) bezeichnet man nach dem babylonischen Exil die gesamte israelitische Nation, weil die meisten Zurückkehrenden Bürger des ehemaligen Königreichs Juda waren. Die Ereignisse vor der Gefangenschaft in Babylon bilden demnach streng genommen die Geschichte des hebräischen oder israelitischen Volkes, während nach derselben die jüdische Geschichte beginnt.

1. Anthropologisch-ethnographische Verhältnisse.

Über die anthropologische Stellung der Juden herrscht zurzeit noch nicht völlige Klarheit. Bisher wollte man in den Juden typische Vertreter der semitischen Rasse erblicken. Neuere Untersuchungen haben aber festgestellt, daß anscheinend nur ein geringer Bruchteil der heutigen Juden, die in Nordafrika ansässigen diesen Typus aufweisen, daß hingegen bei der großen Mehrzahl der Juden der physische Habitus keineswegs dem Typus entspricht, den wir aufgrund unserer Beobachtungen an heutigen semitischen Völkerschaften (Araber, Syrer ec.) als semitischen bezeichnen… Auffällig ist, daß sich der jüdische Typus mit seltener Hartnäckigkeit Jahrtausende hindurch erhalten hat. Es kennzeichnen den Juden im allgemeinen eine lange hakenförmig gekrümmte Nase, vorstehende feuchte Augen, dicke hängende oder wenigstens umgestülpte Unterlippe, straffes, glänzendes Haar, schmächtiger Brustkasten und Plattfüße. Die Hautfarbe weist alle Schattierungen vom dunkelsten Braun über Gelb zum hellsten Weiß auf; im allgemeinen aber besitzt der Jude dunkeln Teint, dunkles Haar und dunkle Augen. Die Frauen pflegen dunkler als die Männer zu sein (…). Nach den bisherigen anthropologischen Untersuchungen (bei dieser und der folgenden anthropologischen Betrachtung haben wir freilich nur die Juden Europas, des Kaukasus und Nordamerikas im Sinn; über die Juden der andern Erdteile existieren keine oder nur mangelhafte Erhebungen), die sich auf nahezu 6000 Individuen erstrecken, kommt dunkles Haar, je nach der Örtlichkeit, bei 74 – 97 Proz. derselben, helles Haar bei 0,5 – 32 Proz. und rotes Haar bei 0,7 – 4,3 Proz. vor, ferner braune und schwarze Augen bei 59 – 89 Proz., graue Augen bei 12 – 37 Proz. und blaue Augen bei 1,5 – 27 Proz. Die Hälfte aller Juden (…) besitzen dunkles Haar und dunkle Augen. Der Bart ist immer heller als das  Kopfhaar; rotes Barthaar trifft man dreimal so häufig an als rotes Kopfhaar. Die Beschaffenheit der Haare ist nach Fishbergs Untersuchungen in 67 Proz. schlicht, in 26 Proz. wellig, in 6 Proz. lockig und in 1 Proz. wollig. Der Jude besitzt einen kurzen, runden Schädel; der Cephalindex liegt um die Ziffer 82 herum. Aus der Gesamtheit der bisherigen Messungen, die an Juden der verschiedenen Länder, Klimate und sozialen Verhältnisse genommen worden sind, hat sich herausgestellt, daß über 80 Proz. aller Juden einen Schädel besitzen, dessen Index zwischen 78 und 85 liegt, 70 Proz. einen solchen zwischen 79 und 84 und 50 Proz. zwischen 80 und 83. Eine solche Homogenität des Schädeltypus ist bisher bei keinem andern Kulturvolke festgestellt worden. Die Frauen sind im allgemeinen kurzköpfiger als die Männer, weisen indessen nicht eine solche Homogenität wie diese auf. Was die Körpergröße betrifft, so dürfen die Juden für klein gelten; für Europa stellt sich ihre durchschnittliche Länge auf 1, 63 m. Stets sind die Juden kleiner als der Durchschnitt der Bevölkerung, unter der sie leben. Unter großwüchsigen Rassen wird dieser Unterschied mehr betragen als unter kleinwüchsigen Rassen. Diese Minderwertigkeit im Wuchse wird von einigen als erworbene Eigenschaft, als die Folge der ungünstigen hygienischen und sozialen Bedingungen angesehen, unter denen die Juden Jahrhunderte, besonders im Mittelalter, gelebt haben. Der gleiche Umstand wird für die Schmalbrüstigkeit und geringe Lungenkapazität angeschuldigt, die den Juden kennzeichnen.

Bei solcher augenscheinlichen Schwächlichkeit in ihrem Äußern fällt an den Juden auf, daß sie eine große Lebenskraft entwickeln. Zunächst ist ihre Sterblichkeit in allen Kulturländern eine verhältnismäßig geringere als bei den Christen, und zwar betrifft diese Mindersterblichkeit vorzugsweise die Lebensalter unter 15 Jahren. Auch die Zahl der Totgeburten ist bei den Juden erheblich geringer. Der geringen Sterblichkeit der Juden entspricht eine längere Lebensdauer. Auch hat sie zur Folge, daß die Zahl der Juden stärker zunimmt, respektive bis vor kurzem zugenommen hat, obgleich die Anzahl der Heiraten und Geburten bei ihnen im allgemeinen geringer ist als bei den Christen. Der größeren Lebenszähigkeit entspricht eine geringere Neigung zu Erkrankungen und demgemäß auch eine geringere Morbidität. Dies kommt im besondern bei den Infektionserkrankungen zum Ausdruck, wie Tuberkulose, Lungenentzündung, Typhus, Malaria, Cholera, Pest und Pocken; alle diese Krankheiten befallen die Juden seltener und verlaufen bei ihnen im allgemeinen milder. Besonders auffällig ist dieser Unterschied bei der Tuberkulose, obwohl die Mehrzahl der Juden in schmutzigen und hygienisch ungünstig gestellten Wohnungen untergebracht sind, beziehungsweise waren (Gettos). Nur eine Infektionskrankheit macht eine Ausnahme, das ist die Diphterie; für sie weist die Sterblichkeit bei den Juden eine höhere Ziffer auf. Von nicht ansteckenden Affektionen ist bei den Krankheiten der Atmungs- und Kreislauforgane, der Nieren, der Leber, des Darmes, der Knochen und der Gelenke die Empfänglichkeit der Juden relativ geringer. Hingegen disponieren die Juden wiederum mehr für Grünen Star (entzündliches Glaukom) und Farbenblindheit. Ein auffällig hohes Kontingent stellen sie für Zuckerkrankheit, Hysterie, Neurasthenie und Geisteskrankheiten. Verhältnismäßig selten trifft man Epilepsie, Rückenmarksschwindsucht (…) und Gehirnerweichung (…) sowie alkoholige Geisteskrankheiten an. Auffällig ist endlich noch die außerordentlich große Häufigkeit von Blinden, im besondern Blindgebornen, und Taubstummen.

Als Ursache der relativ geringen Empfänglichkeit für gewisse Krankheiten werden die strengen Speisegesetze, das innerliche und reine Familienleben und die Mäßigkeit im Essen und besonders Trinken (alkoholischer Getränke) angenommen und auf der anderen Seite wieder wird als Ursache der erhöhten Disposition für andre Affektionen die bedrückende Armut, der Schmutz und der Jammer in den Gettos, sowie der nervenaufreibende Konkurrenzkampf ums Dasein ins Feld geführt. Wenngleich alle diese Momente zugestandenermaßen für die erhöhte Immunität bez. Disposition ins Gewicht fallen mögen, so reichen sie doch zur Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung nicht aus; man kann nicht umhin, auch das Rassenmoment, d. h. eine biologische Rasseneigentümlichkeit mitsprechen zu lassen.

Die europäischen Juden werden in zwei große Gruppen unterschieden, die sich durch Tradition, Ritus, Aussprache des Hebräischen und auch durch ihren physischen Habitus voneinander unterscheiden, in die Sephardim oder südeuropäischen (spanisch-portugiesischen) und die Aschkenasim oder nordeuropäischen (deutsch-polnischen) Juden. Die Sephardim, die 90 Proz. der gesamten Judenschaft ausmachen, haben ihren Namen von einem (…) unbekannten Lande, Sepharad, erhalten, in das die Juden aus Jerusalem vertrieben wurden; die mittelalterlichen Rabbiner verlegten dieses Land nach der Iberischen Halbinsel; daher bezeichnet man auch die von dort im Laufe des Mittelalters infolge der Judenverfolgungen nach Nordafrika, der Balkanhalbinsel und der Levante ausgewanderten Sephardim noch heutigestags als Spaniolen. Die Aschkenasim haben ihren Namen von Aschkenas, dem Sohn Gomers (…) erhalten und sollen nach der jüdischen Überlieferung die Germanen und im besondern die Deutschen bezeichnen. Merkwürdigerweise unterscheiden sich die Sephardim deutlich in körperlicher Hinsicht von den Aschkenasim. Die erstern stellen den feinern und edlern Typus dar mit schlanker Gestalt, zierlichen Extremitäten, exquisit länglicher Kopfform, länglichem, ovalem Gesicht, hakenförmiger, aber fein gebildeter Nase und dünnen Lippen; es kommt dieser Typus dem semitischen nahe. Die letztern weisen unedlere Formen auf: großen Mund, dicke Lippen, dicke Nase und mehr untersetzten Wuchs.

Über die Herkunft des Typus der europäischen Juden  haben die Untersuchungen von Luschans neuerdings Klarheit geschaffen. Bereits früher war den Forschern der hohe Prozentsatz an blonden Juden aufgefallen. Man glaubte diese Tatsache, die mit der semitischen Abstammung der Juden nicht gut in Einklang zu bringen war, einfach dadurch erklären zu können, daß im Laufe der Jahrhunderte die Juden Verbindungen mit Vertretern der blonden (teutonischen) Rasse eingegangen seien. Daß zahlreiche Ehen zwischen Juden und nichtsemitischen Elementen in fast allen Ländern Europas im Mittelalter geschlossen worden sind, hat die Geschichte berichtet. Bereits zur Römerherrschaft war nach Josephus der Übertritt zum Judentum („Judengenossen“) eine nicht ungewöhnliche Erscheinung. Und noch 1092 verbot der ungarische König Ladislaus in seinen Landen die Ehe zwischen Juden und Christinnen; jedoch scheint dieser Erlaß nicht den gewünschten Erfolg gehabt zu haben, denn 1119 erließ der Bischof Robert von Gran ein neues derartiges Dekret, da zahlreiche Juden mit Christinnen in illegitimer Ehe lebten und in wenigen Jahren die jüdische Religion Tausende von Anhängern gewonnen hatte. Indessen trotz dieser zahlreichen Vermischungen im Mittelalter blieb der hohe Prozentsatz blonder jüdischer Elemente unter der durchaus brünetten Bevölkerung Palästinas und Syriens nicht recht erklärbar; auch die Annahme, daß diese aus einer Kreuzung mit blonden Kreuzfahrern herrühren könnten, genügte nicht. Da kam die prähistorische Forschung zu Hilfe. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß bereits um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. auf den ägyptischen Grabdenkmälern für Palästina ein Volksstamm mit heller Haut, blauen Augen und blondem Haar bezeugt wird, die Amoriter, die großen Enaksöhne, deren in der Bibel des öftern Erwähnung geschieht. Sie müssen als verwandt mit den auf den gleichen Darstellungen vorkommenden blonden Tamahu, d. h. dem „Volk der Nordländer“, angesehen werden, also als Angehörige der arischen Rasse. Auf die Kreuzung der Israeliten mit diesen Nordländern dürften die blonden Elemente unter den heutigen Juden zurückzuführen sein. Was die Kurzköpfigkeit der modernen Juden anbetrifft, die sie in geraden Gegensatz zu der ausgeprägten Langköpfigkeit der semitischen Stämme stellt, so hat von Luschan wahrscheinlich gemacht, daß sie von einer kurzköpfigen Urbevölkerung Kleinasiens herrührt, von der die heutigen Armenier, das fast am meisten kurzköpfige Volk der Erde, ihre Schädelform überkommen haben. Die Armenier zeichnen sich außerdem noch durch fast durchweg dunkle Augen, schlichtes dunkles Haar und große gebogene Nase (wie die Juden) aus. Diese vorderasiatische kurzköpfige Urbevölkerung (Armenoiden nach v. Luschan, Alarodier nach Hommel), die uns, mit der gleichen äußern Erscheinung ausgestattet, auf den Reliefs von Sendschirli entgegentritt, dürfte mit den Hethitern (…) der Bibel identisch sein, die von einigen Autoren in Zusammenhang mit den Mongolen gebracht wird. Es haben demnach im wesentlichen drei Rassenelemente zur Zusammensetzung des jüdischen Typus beigetragen: 1) der ursprünglich semitische Stamm, 2) die arischen Amoriter und 3) (und dieses in der Hauptsache) die (mongolischen?) Hethiter. Solange wir keine Schädel der alten Hebräer oder naturgetreue Darstellungen derselben aus dem Beginn der Geschichte des jüdischen Volkes besitzen, müssen wir uns mit dieser Annahme bescheiden. In körperlicher Hinsicht können also die Juden nicht mehr als eine reine, d. h. ursprüngliche Rasse angesehen werden. Trotzdem kann man von einer jüdischen Rasse wohl in dem Sinne reden, daß sich der aus einer Vermischung verschiedener ethnischer Elemente bereits vor Jahrtausenden hervorgegangene Typus durch beständige Inzucht, resp. relativ sehr geringe spätere Vermischung erhalten und fixiert hat.

Mit mehr Zähigkeit haben sich bei Juden gewisse Charaktereigenschaften der Semiten erhalten, wie Habgier, Verschlagenheit, Schlauheit und Abneigung gegen körperliche Arbeit, Eigenschaften, denen wir bei den heutigen Juden häufig genug begegnen. Daneben aber auch treffen wir bei ihnen edlere Züge an, wie ausgeprägten Familiensinn, Sittenreinheit, Mäßigkeit in Genüssen, Anhänglichkeit an die von den Vätern überkommene Religion und altruistisches Gefühl nicht bloß für ihre Glaubensgenossen. Die Juden leben in den Kulturstaaten Mitteleuropas mitten unter der übrigen Bevölkerung und genießen heutigestags die gleichen Rechte wie diese. Aber schon in Böhmen und noch mehr im Osten Europas nehmen sie eine untergeordnete soziale Stellung ein, und in unzivilisierten Staaten, wie Marokko, Tunis und Tripolis, fristen sie ein Dasein, das den unwürdigen Zuständen nicht unähnlich ist, unter denen die Juden bei uns im Mittelalter lebten. Sie sind in eigenen Stadtvierteln (Gettos, Millah, Hara) eingepfercht, die vor Schmutz starren und auch sonst so unhygienisch wie möglich eingerichtet sind, müssen besondere Abzeichen oder Kleidung tragen und die niedrigsten Beschäftigungen verrichten. Mit einer Zähigkeit sondergleichen halten die Juden zumeist an dem Glauben und den Überlieferungen ihrer Väter fest; sie üben durchweg die Beschneidung, halten Sabbatruhe, befolgen die Reinigungsgesetze und z. T. auch die Speiseverbote, verrichten beim Gottesdienste die gleichen Riten wie ihre Altvordern u. a. m. Die Juden sprechen im allgemeinen die  Sprache des Volkes, unter dem sie leben. Die Aschkenasim haben sich in Deutschland ein eigenes Idiom geschaffen, das Jüdisch-Deutsch (…), das von der Volkssprache sich dadurch unterscheidet, daß es viele Ausdrücke hebräischen Ursprunges sowie zahlreiche sonstige fremdländische Wörter enthält, eine dumpfere Vokalisation aufweist und in einem eigenartigen singenden, dabei aber auch lispelnden Tone (Mauscheln) gesprochen wird. Im allgemeinen scheuen die Juden die körperliche Arbeit; sie ziehen einen Beruf vor, der mit nicht großen Anstrengungen verbunden ist und betreiben daher mit Vorliebe Handel und Geldgeschäfte. Auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften besitzen sie eine große Ausdauer und haben der Welt verhältnismäßig mehr Männer von hervorragender Bedeutung gestellt als die Christen. Die Arbeitsgebiete, auf denen sich die Juden in wissenschaftlicher Hinsicht betätigen, sind die dramatischen und die Tonkunst, ferner die Medizin, die Mathematik, die Philologie und die Sozialwissenschaften, und zwar sind die Männer, die sie geliefert haben, mehr talentvolle als geniale Naturen.

(Statistisches)  Die Zahl der Juden auf der Erde beziffert sich nach den neuesten statistischen Ergebnissen auf 10, 597, 250. Diese verteilen sich wie folgt:

Rußland                                 5 082 343

Deutschland                             590 000

Österreich-Ungarn                 1 994 378

Frankreich                                86 000

England                                   179 000

Schweden-Norwegen                  5 000

Dänemark                                    5 000

Niederlande                             103 988

Belgien                                      12 000

Luxemburg                                 1 200

Schweiz                                      12 551

Italien                                        47 000

Spanien                                        2 500

Portugal                                       1 200

Bosnien-Herzegowina                  8 231

Bulgarien                                    28 307

Serbien                                        5 100

Rumänien                                  269 015

Griechenland                                8 350

Türkei                                          82 277

Kreta                                                728

Cypern und Malta                            130

Gibraltar                                        2 000

Europa:  8 518 280

 

Asien:                       524 682

Afrika:                     367 432

Amerika:                1 169 881

Australien:                  16 975

 

Anmerkungen:

Der Lexikontext wurde in seiner Originalschreibweise übernommen, lediglich einige Abkürzungen wurden ausgeschrieben.

Literatur und Internet:

Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl., Leipzig und Wien 1902-1908

http://de.wikipedia.org/wiki/Meyers_Konversations-Lexikon

http://www.bi-media.de/marken/meyers

http://www.lexikon-und-enzyklopaedie.de/Meyers-Konversations-Lexikon-Auflagen/

http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_%28bis_1945%29#Deutschland

http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_the_Jews_in_Germany#From_Moses_Mendelssohn_.281778.29_to_the_Nazis_.281933.29

http://fr.wikipedia.org/wiki/Histoire_des_Juifs_en_Allemagne

http://pl.wikipedia.org/wiki/Historia_%C5%BByd%C3%B3w_w_Niemczech

http://es.wikipedia.org/wiki/Historia_de_los_jud%C3%ADos_en_Alemania

Judennasen:

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/3256

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen/bildergalerie-typisch-klischees-von-juden-und-anderen-1.278863-2

http://www.wienerzeitung.at/meinungen/gastkommentare/481328_Die-Judennase-ist-Schmonzes-der-Davidstern-zaehlt.html

http://reime.woxikon.de/ger/judennase.php

http://www.ruhrbarone.de/der-westen-judennase-lafontaine/

http://www.jstor.org/discover/10.2307/27712302?uid=3737864&uid=2129&uid=2&uid=70&uid=4&sid=21103263626571

http://woerterbuchnetz.de/RhWB/?lemid=RJ01067

http://diepresse.com/home/leben/events/763183/Judisches-Museum_Haben-Juden-grosse-Nasen

http://www.erinnern.at/bundeslaender/vorarlberg/bibliothek/dokumente/warum-ist-die-karikatur-auf-der-hc-strache-facebookseite-antisemitisch/erinnern%20strache%20antisem%20_2_.pdf

http://www.main-netz.de/nachrichten/region/alzenau/berichte/art4010,2173834

http://www.kurzefrage.de/musik-partyzone/138604/Warum-haben-Juden-so-lange-Nasen

Judenkarikaturen:

http://ufdc.ufl.edu/UF00076193/00001

http://www.jm-hohenems.at/mat/504_karikaturen.pdf

http://www.capriccio-kulturforum.de/oper/5056-juden-karikaturen-in-wagners-figuren/

http://m.facebook.com/events/545279972227830

http://books.google.de/books?id=JfSWAAAAQBAJ&pg=PA110&lpg=PA110&dq=judenkarikaturen&source=bl&ots=hHzI16FTNz&sig=uLqDy3XpKb5jDeaOxVCArbVekMI&hl=de&sa=X&ei=9ijcUp21BYLZtQarwYGACA&ved=0CHIQ6AEwDw#v=onepage&q=judenkarikaturen&f=false

http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/urn/urn:nbn:de:hebis:30-180010186005

http://books.google.de/books?id=tU5fUeR1Fs0C&pg=PA9&lpg=PA9&dq=judenkarikaturen&source=bl&ots=CHAHwrQ3vQ&sig=FBUBh0iZNxOCsllgXyt9H7xGjlY&hl=de&sa=X&ei=qincUpjtKYSmtAbQoYHIBQ&ved=0CCsQ6AEwADgK#v=onepage&q=judenkarikaturen&f=false

http://www.judentum-projekt.de/geschichte/neuzeit/antisemi/antisemi.html

http://opac.regesta-imperii.de/lang_de/anzeige.php?aufsatz=Die+%C3%A4ltesten+Judenkarikaturen%3A+die+%22Trierer+Terrakotten%22&pk=1185192

3 Kommentare

  1. Nicht nur das Lexikon aus dem Jahre 1905 und die Nationalsozialisten drei Jahrzehnte später, sondern auch die katholische Kirche hielt am Begriff von der Rasse fest. Zeitgleich mit den Nazis sprach der Vatikan von Rasse als „biologischer Tatsache“.
    Außerdem, ebenso wie die Nazis, wendete sich die Kirche gegen gemischtrassige Ehen, denn aus denen, so die Vatikan-Zeitung „L’Osservatore Romano“ im Jahre 1938, gingen
    „physisch minderwertige Kinder“
    hervor.
    http://derstandard.at/1392685912885/Vatikan-Existenz-von-Rassen-ist-biologische-Tatsache

    Rührend, wie der Artikelschreiber seine Meldung relativiert: „Vatikan hat sich aber immer klar dagegen positioniert, den Begriff der Rasse zu überhöhen“

    „physisch minderwertige Kinder“ – was soll man sich darunter nur vorstellen?

    Eigentlich doch eine kranke Welt, die nur in Kategorien wie Gut und Böse, Schwarz und Weiß, normal und unnormal denken kann,
    das Christentum.

  2. Man beachte die mit viel Neid verbundene Gehässigkeit im letzten Lexikonabschnitt.

    Zwar presst sich der Lexikonautor das verhaltene Lob ab:

    „Auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften besitzen sie eine große Ausdauer und haben der Welt verhältnismäßig mehr Männer von hervorragender Bedeutung gestellt als die Christen.“

    Aber die vermeintliche Anerkennung nimmt er sofort in Form einer Relativierung wieder zurück, indem er den Juden (wahre) Genialität abspricht:

    „Die Arbeitsgebiete, auf denen sich die Juden in wissenschaftlicher Hinsicht betätigen, sind die dramatischen und die Tonkunst, ferner die Medizin, die Mathematik, die Philologie und die Sozialwissenschaften, und zwar sind die Männer, die sie geliefert haben, mehr talentvolle als geniale Naturen.“

    Denn (wie jeder christliche Deutsche weiss), echte Genies haben nur die wahren und reinen Deutschen hervorgebracht: Luther, Bach, Goethe, Wagner, Treitschke, Hitler…

    Zu denken gibt ferner diese Passage:

    „Als Ursache der relativ geringen Empfänglichkeit für gewisse Krankheiten werden die strengen Speisegesetze, das innerliche und reine Familienleben und die Mäßigkeit im Essen und besonders Trinken (alkoholischer Getränke) angenommen…“

    Wenn es zulässig ist, im Umkehrschluss, daraus auf die Kultur der christlichen Deutschen zu schließen, so müssten diese Deutschen gewisse Probleme mit ihrem Familienleben (gehabt) haben, sonst würde der Lexikonautor nicht die Innerlichkeit und Reinheit des jüdischen Familienlebens derart hervorheben.

    Auch scheinen christliche Deutsche bestimmte „Schwierigkeiten“ mit der Aufnahme von Speis‘ und Trank gehabt haben. Waren sie möglicherweise krankhafte Schlemmer, Vielfraße, unbotmäßige Fresser, Schluckspechte, Quartalssäufer, Stoßtrinker, oder was, wenn der Autor die Mäßigkeit bei den Juden so betont?

    Ebenso drängen sich hier kritische Gedanken auf:

    „…und auf der anderen Seite wieder wird als Ursache der erhöhten Disposition für andre Affektionen die bedrückende Armut, der Schmutz und der Jammer in den Gettos, sowie der nervenaufreibende Konkurrenzkampf ums Dasein ins Feld geführt.“

    Gab es denn unter christlichen Deutschen diesen Konkurrenzkampf etwa nicht? Verlief das Berufsleben unter Christens derart harmonisch, dass Konkurrenzdenken ausgeschlossen war? – Nur schwer vorstellbar, dass jeder von ihnen sofort und immer seinen Traumjob fand und darin aufging ohne sich um etwaige Rivalen scheren zu müssen.

    Wie auch immer, ein seltsames Volk, diese christlichen Deutschen, einst ebenso wie heute.

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