Keine Dollars für die Mullahs

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Die internationalen Sanktionen treffen die iranische Wirtschaft hart. Um das Regime wirklich zu schwächen, reichen sie aber nicht aus…

Von Stephan Grigat
Jungle World v. 21. Februar 2013

Lange Zeit gehörte es bei den Mächtigen im Iran zu den rhetorischen Pflichtübungen, zu betonen, dass die Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft wirkungslos seien. Sie würden dem Land sogar nutzen, da sie die Autarkiebestrebungen und den Erfindungsreichtum der Iraner beflügelten. Die UN-Sanktionen des Jahres 2007 nannte Mahmoud Ahmadinejad noch eine »Totgeburt«, und auch auf spätere Verschärfungen ­reagierten der Präsident und andere Vertreter des Regimes mit Hohn und Spott. Seit die EU Mitte 2012 aber Sanktionen gegen die iranischen Ölexporte erlassen und auch die iranische Zentralbank ins Visier genommen hat, sind die Folgen für die iranische Ökonomie offensichtlich. Dies verschärft die Feindschaft zwischen den konkurrierenden Rackets, die sich gegenseitig die Schuld am miserablen Management der Sanktionsfolgen zuschieben.

Seit dem Sommer 2012 spricht man in Teheran offiziell von einem »Wirtschaftskrieg« gegen das eigene Land. Der Sprecher des Haushaltsausschusses des iranischen Pseudoparlaments, Gholam Reza Kaseb, teilte mit Bezug auf Ölminister Rostam Ghasemi Anfang des Jahres mit, die Einnahmen aus dem Ölgeschäft, die bis zu 90 Prozent des Staatsbudgets ausmachen, seien in den vergangenen zehn Monaten um 45 Prozent zurückgegangen. Im Januar sprach Parlamentspräsident Ali Larijani von »schweren Problemen« und der Industrie- und Handelsminister Mehdi Ghasanfari räumte ein, dass die Sanktionen für die iranische Wirtschaft mittlerweile einen nahezu »lähmenden« Charakter haben.

Im Oktober 2012 verlor der Rial innerhalb nur weniger Tage 40 Prozent an Wert. Inoffiziell spricht man heute von einer Inflationsrate von über 50 Prozent. Der Internationalen Energieagentur zufolge ist die iranische Ölproduktion auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten. Es wird geschätzt, dass dem Staat allein durch die Sanktionen im Energiebereich im vergangenen Jahr mehr als 30 Milliarden Euro an Einnahmen verlorengegangen sind, und in diesem Jahr wird mit einem weiteren Einbruch gerechnet. Ein Zeichen dafür, dass die Sanktionen dem Regime schwer zusetzen, ist die Tatsache, dass es mit jedem Mittel versucht, in den USA und der EU Stimmung dagegen zu machen.

Es gehört zur Propaganda des Regimes, auf die Folgen der Sanktionen für jene Bevölkerung zu verweisen, die von den Ayatollahs und Revolutionswächtern seit mehr als 30 Jahren drangsaliert wird. Maryam Farzam und Sogol Ayrom vom »Iranischen Frauennetzwerk« hielten dazu kürzlich fest: »Es ist wahrlich nicht zu erwarten, dass die Dollars und Euros in Händen der Mullahs der iranischen Bevölkerung ernsthaft zugute kommen könnten. Diese spürt zwar zehn Prozent der Sanktionen, aber unter den restlichen 90 Prozent leidet das Regime. (…) Wirksame Sanktionen bedeuten vor allem, die Kontroll- und Unterdrückungsapparate des Regimes durch den Entzug finanzieller Ressourcen zu behindern.«

Doch alle bisherigen, oft durch Ausnahmeregelungen konterkarierten Sanktionsbeschlüsse kranken an ihrer Grundkonzeption. Sie werden in den USA und in der EU weiterhin als Instrument verstanden, das iranische Regime zur Fortsetzung jener Verhandlungen zu bewegen, deren einzigen Ergebnis bisher war, dass immer mehr Zeit für die Urananreicherung gewonnen wird. Die Unterdrückung der iranischen Bevölkerung spielt dabei keine Rolle. In der EU sind Sanktionen eher dazu konzipiert, Israel von militärischen Maßnahmen abzuhalten, als dazu, das iranische Regime an der Fortsetzung seiner Projekte zu hindern. Wäre das anders, hätte man schon längst ein komplettes Embargo mit humanitären Ausnahmeregelungen erwogen. Doch da das offenbar niemand will, liefern deutsche Unternehmen, insbesondere der mittelständische Maschinenbau, weiterhin Waren im Wert von jährlich mehr zwei Milliarden Euro in den Iran, der trotz aller bisherigen Einbußen weiterhin über genügend Ressourcen verfügt, um sein Nuklear- und Raketenprogramm fortzuführen. Da bisher in den europäischen Staaten nicht einmal darüber nachgedacht wird, dem Beispiel Kanadas zu folgen und die diplomatischen Beziehungen zum iranischen Regime abzubrechen, können die Machthaber immer noch auf ihr seit Jahren eingeübtes hinhaltendes Taktieren setzen. Israel wird durch diese Politik weiterhin genötigt, sich die riskante Option militärischer Maßnahmen gegen die existentielle Bedrohung durch das iranische Nuklearprogramm vorzubehalten.