Vater von Gilad Schalit ist jetzt Politiker

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Noam Schalit, Vater des fünf Jahre lang in Geiselhaft der Hamas gehaltenen Soldaten Gilad Schalit, hat sich jetzt erst zu seiner Mitgliedschaft bei der sozialistischen Arbeitspartei offen bekannt und bei einer Pressekonferenz angekündigt, für diese Partei als Abgeordneter kandidieren zu wollen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 10. Januar 2012

In Beth Berl, dem traditionellen Hauptquartier der Arbeitpartei, unter einem Bild des Staatsgründers David Ben Gurion und neben der Parteivorsitzenden Scheli Jechimowitsch sitzend, redete er von einem „schweren Beschluss“ und versprach, bei seinem Weg in die Politik seine Kinder nicht ausbeuten zu wollen. Auf die Journalistenfrage, wie es denn Gilad heute gehe, sagte Schalit, dass er sich gut erhole. Die Befragungen „aller möglicher Einrichtungen“ habe Gilad hinter sich. Bald werde er von Militär entlassen und könne dann „nach vorne schauen“.

Schalit sagte, dass seine Ankündigung „erwartungsgemäß“ eine öffentliche Kontroverse ausgelöst hätte. Er sei sich der Problematik bewusst. Ebenso versprach er, seine „Anerkennung“ des Anteils von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an der Freilassung des Sohnes, nicht ändern zu wollen.

Tatsächlich hatte Noam Schalit während der vergangenen fünf Jahre viele Großen der Welt getroffen, allen voran den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Gleichzeitig gewann er tiefe Einblicke in das Gefüge der israelischen Politik und in das Funktionieren von Regierung und Militär. Schalit traf sich unzählige Male mit Netanjahu und den Spitzen von Militär und Geheimdienst. Die so gewonnenen Einblicke wolle er jetzt nutzen, indem er für die Arbeitspartei kandidiert, der er kurz nach dem Mord an Jitzhak Rabin beigetreten sei. Schalit hatte seine politische Ausrichtung während der Kampagne für Gilad geheim gehalten.

Bei der Pressekonferenz erklärte Schalit, dass die Zweistaatenlösung der einzige Weg sei, „auch wenn manche Israelis und manche Palästinenser das nicht mögen“.

Schalits Beschluss hatte in Israel Verständnis aber auch viel Ablehnung geerntet. Kritiker behaupten jetzt, dass Schalit möglicherweise die Gefangenschaft seines Sohnes ausgenutzt habe, um für sich den Weg in die Politik zu ebnen. „Hätte ich gewusst, dass sich hinter dem besorgten Vater ein verkappter hochstrebender Politiker versteckt, hätte ich mich nicht an den Protestmärschen zur Befreiung von Gilad beteiligt“, meinte eine Frau im Rundfunk. Ein rechtsgerichteter Kritiker monierte, dass die israelischen Medien wohl kaum Noam Schalits Pressekonferenz live übertragen hätten, wenn er sich einer der rechten Parteien angeschlossen hätte.

Ein Befürworter erinnerte daran, dass so manche Israelis infolge persönlicher Tragödien Politiker geworden seien. Der berühmteste sei Netanjahu. Der verdankte den Beginn seiner Karriere dem Ruhm seines auf dem Flughafen von Entebbe in Uganda gefallenen Bruders Joni. Der war der Befehlshaber des israelischen Kommandos bei der Befreiung von Geiseln einer von deutschen und palästinensischen Terroristen entführten Air France Maschine.

Die Vorsitzende der Arbeitspartei nahm den eher introvertierten Schalit in Schutz und erklärte: „Israelische Politiker dürfen auch mal gut erzogene, stille Menschen sein und nicht unbedingt rabiate Choleriker.“ Sie spielte so auf einen Vorfall im Bildungsausschuss der Knesset am Montag an, wo die Abgeordnete Anastasia Michaeli nach einem lautstarken Wortwechsel dem arabischen Parlamentarier Ghaled Majadele ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet hatte. Michaeli von der rechtsgerichteten Israel-Beiteinu Partei des Avigdor Lieberman hatte kürzlich von sich Reden gemacht, als sie per Gesetzesvorlage die Lautsprecheranlagen der Moscheen in Israel weitgehend zum Schweigen bringen wollte. Am Dienstag beschloss der Ethikausschuß der Knesset, die Abgeordnete einen Monat lang von Debatten in Ausschüssen und im Plenum auszuschließen.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com