Irgendwie bleibt unklar, was Elmar Ledergerber geritten hatte, als er am 17. Mai im Morgenjournal von Radio Suisse Romande, dem öffentlich-rechtlichen Hörfunkanbieter der französischsprachigen Schweiz, gegen die Aufnahme von Israel in die OECD zeterte und als Konsequenz einen Boykott israelischer Produkte forderte…
Von Michel Wyss
Vermisste er schlicht die mediale Aufmerksamkeit, die ihm früher als sozialdemokratischer Stadtpräsident von Zürich zuteil geworden war, oder wollte der jetzige Präsident von Zürich Tourismus ganz einfach, wie er später zum jüdischen Wochenmagazin „Tachles“ sagte, aus seinem Herzen „keine Mördergrube“ machen?
Seine Vorwürfe sind weder neu noch sonderlich originell: Israel respektiere das internationale Recht nicht, Israel sei durch seine Wirtschaftsblockade verantwortlich für das Elend der Bevölkerung Gazas und den Tod Tausender Menschen, Israel widersetze sich allen Bemühungen um einen dauerhaften Frieden und durch den Siedlungsbau in „Westjordanien“ (er meint wohl das Westjordanland) und die Vertreibung der arabischen Bevölkerung aus Ostjerusalem mache sich Israel schuldig an einer „konfliktuellen Entwicklung“ und an einem „Terrorismus, dessen Wurzeln in diesem kolonialistischen Verhalten liegen“. Es läge nun an der Schweizer Bevölkerung, die Konsequenz zu ziehen, das heisst, Produkte und Waren aus Israel zu boykottieren. Kurz: Israel ist einmal mehr an allem schuld.
Gegenüber „Tachles“ betonte Ledergerber, er habe seine Worte sehr sorgfältig gewählt (ein Schelm, wer fragt, wie sich seine Kolumne ohne jene Sorgfalt angehört hätte) und ihm sei auch bewusst, dass in vielen Ländern die Menschenrechte verletzt würden, aber könne in seiner Kolumne nicht alle behandeln. Zumindest für Israel schien die Sendezeit allerdings einmal mehr ohne weiteres zu reichen.
Der Szene-Applaus seiner Gesinnungsgenossen dürfte ihm sicher sein. Denn Ledergerbers Äusserungen sind bei Schweizer Politikern, insbesondere sozialdemokratischer und grüner Provenienz, bei weitem keine Ausnahme. So sind beispielsweise auch die beiden grünen Nationalräte Geri Müller (AG), ehemaliger Vorsitzender der Aussenpolitischen Kommission, und Daniel Vischer(ZH), Präsident der Gesellschaft Schweiz–Palästina, jeweils zur Stelle, wenn es darum geht, Israel zu diffamieren und zu delegitimieren.
Im Januar 2010 scheuten sich Müller und Vischer nicht, den Verschwörungstheoretikern von der selbsternannten Graswurzelbewegung „We are change Switzerland“ ein Interview zu geben, in dem sie unter anderem Israel als „kolonialistische Projekt weisser Siedler“ (Vischer) bezeichnen oder die „Operation Cast Lead“ mit der Shoah vergleichen (Müller).
Interessant auch die Aussage Vischers anlässlich einer Veranstaltung des „Café Palestine“ in Zürich, die „angebliche Terrororganisation“ (Vischer) Hamas hätte Israel de facto längst anerkannt. Eine etwas gewagte Interpretation, die mit ein bisschen Fantasie allerdings durchaus Sinn ergibt, so denn man davon ausgeht, dass der permanente Raketenbeschuss des Süden Israels einer Anerkennung, dass da tatsächlich ein jüdischer Staat existiert, gleichkommt.
Gemeinsam ist allen dreien, dass sie sich als mutige Tabubrecher inszenieren, die nicht mehr länger schweigen wollen und stattdessen endlich sagen müssen „was Sache ist“. Ganz so, also ob Israel-“Kritik“ in der Schweiz verpönt wäre und die Schweizer Medien durchgehend pro-israelische Positionen vertreten würden, wie Müller regelmässig suggeriert. Eine ziemlich absurde Sichtweise, die sich mittels Lektüre von Artikeln zum Nahost-Konflikt in der Schweizer Tagespresse in Windeseile widerlegen lässt.
Ebenso versteht sich, dass sich in den Äusserungen von Vischer, Müller und Ledergerber nie auch nur der kleinste Hinweis darauf finden lässt, dass auch bei den Palästinensern nicht nur eitel Sonnenschein herrscht. Weder die innerpalästinensischen Konflikte, die von der Hamas nur zu gerne genutzt werden, um politische Gegenspieler als angebliche Kollaborateure zu liquidieren, noch die antisemitische Ideologie, welche bereits kleinsten Kindern mittels TV-Programm und Schulunterricht verabreicht wird, ist den dreien auch nur eine Zeile wert. Kein Wunder, würde dabei doch das Gut/Böse-Schema erheblichen Schaden nehmen.
Zurück zu Ledergerber und seinen Äusserungen. Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Zwar musste er von einigen Seiten harsche Kritik einstecken – so forderte beispielsweise die Zürcher Sektion der Schweizerischen Volkspartei (SVP) seinen Rücktritt als Tourismus-Präsident und auch Parteikollege Hartmuth Attenhofer, Präsident der Zürcher Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel, zeigte sich verwundert. Gleichwohl erhielt Ledergerber aber auch Zuspruch. Der Vorsitzende der Palästinensischen Gemeinde in der Schweiz, ein gewisser Dr. John Hayek zeigte sich erfreut über den „Stich in die Eiterbeule“ (eine Metapher, die keine Fragen offen lässt) und konstatierte eine Zustimmung bei der Mehrheit der Verfasser von Leserbriefen, ganz im Gegensatz zur „Welle der Entrüstung einiger jüdischen Organisationen“.
Am Ende schien Ledergerber dann doch nicht mehr so wohl bei der ganzen Sache zu sein und so beeilte er sich, gegenüber Tachles zu betonen, dass seine Kolumne selbstverständlich nur gegen die israelische Politik gerichtet sei und nicht etwa gegen die Israeli oder gar gegen Juden. Schliesslich habe er selber viele jüdische Freunde.
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