Alle Welt spricht von einer trunkenen evangelischen Bischöfin, von pädophilen katholischen Priestern und fundamentalistischen Muslimen, die ihre Frauen schlagen. Aber was ist eigentlich mit jüdischen Geistlichen, mit Rabbinern?…
In einer Kolumne der taz befasst sich Micha Brumlik, Professor für Erziehungswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main, mit jüngst bekannt gewordenen Ausschweifungen im national-religiösen Milieu
Auch sie sind keine Heiligen, wie Skandale in den USA und Israel, wo große jüdische Gemeinschaften leben, beweisen. So flogen kürzlich sowohl in den USA als auch in Israel Fälle auf, bei denen orthodoxe Rabbiner von konversionswilligen Frauen sexuelle Dienstleistungen erzwangen.
Trunkene Bischöfin, pädophiler Priester, schwuler Rabbi
Ein tiefgehender, weil nicht nur moralischer, sondern bis in die letzten Verästelungen politischer Skandal treibt derzeit die israelische Öffentlichkeit um. Dem Rabbi Mordechai Elon, einem wortgewaltigen, charismatischen Lehrer und Agitator der nationalreligiösen Siedlerbewegung wird aus Kreisen einer aufgeklärten Orthodoxie vorgeworfen, seit Jahren homosexuelle Handlungen an mit ihm lernenden Jeschivastudenten vorgenommen zu haben.
Das Skandalöse des Vorfalls liegt weniger in einem Missbrauch der Fürsorgepflicht – die Studenten waren wohl volljährig – noch daran, dass in Israel – im Unterschied zu umliegenden arabischen Staaten – Homosexualität von Rechts wegen verfolgt würde. Als problematisch wird vielmehr empfunden, dass nach der orthodox ausgelegten Weisung, der Halacha, homosexuelle Handlungen eine schwere, absolut untersagte Sünde sind. Im Unterschied zum liberalen und konservativen Judentum, das Homosexualität inzwischen mehr oder minder akzeptiert, hat sich die Orthodoxie kaum je mit dieser Frage auseinandergesetzt.
Soziologisch betrachtet, haben die sexuellen Verfehlungen von Geistlichen stets strukturelle Ursachen: Es ist kein Zufall, dass Pädophilie bei zölibatären katholischen Priestern wahrscheinlicher auftritt als unter verheirateten protestantischen Pfarrern, ebenso verwundert es, dass aus protestantischen Internaten derlei Fälle (noch?) nicht bekannt geworden sind.
Aber wie dem auch sei: Als strukturelle Ursache des israelischen, des nationalreligiösen Skandals wird man das Prinzip des Männerbundes benennen. Politische Männerbünde sind aus der europäischen, zumal der deutschen Geschichte in der Epoche der Jugendbewegung bis zum Ende der NS-Zeit bekannt.
Die dumpfe Mischung von Gewaltaffinität, schwitzender körperlicher Nähe, gläubiger Liebe zu einem Führer und den „Kameraden“ sowie einem nicht geringen Ausmaß von Frauenverachtung bringt einen Typus hervor, dem es meist gelingt, den sexuellen Anteil der durch all dies verursachten Erregung unter Kontrolle zu halten und in die Bahn einer Ehe mit vielen Kindern zu lenken.
Indes: Wer einmal Filme gesehen hat, die die erregten Gesichter nationalreligiöser Aktivisten beim gemeinsamen Tanz nur unter Männern während des Purimfestes zeigen, bei dem man sich sinnlos betrinken soll, wird sich über das dahinter stehende Begehren kaum täuschen. Die israelische Siedlerbewegung rekrutiert sich zu nicht geringen Teilen aus nordamerikanischen, kleinbürgerlichen jüdischen Immigranten, die im Westjordanland Cowboy und Indianer, Frontier nicht nur spielen. Die Anhänger der Bewegung leben bald in der zweiten, wenn nicht dritten Generation in den Hügeln des Westjordanlandes. Die israelische Soziologie kennt die in diesen Siedlungen geborenen Kinder als „Noar haGivot“, als „Jugend der Hügel“.
Es ist eine Generation, die in dem Wahn aufwächst, Gott selbst habe ihnen dieses Land zugewiesen. In Rabbi Elons homosexuellen Kontakten offenbart sich der energetische Kern der ganzen Bewegung: der Genuss des kriegerischen männlichen Körpers, die geradezu lästerliche Lust an einem Gottesbild, das in Gott vor allem „den“ Eroberer sieht. Gottes Nähe im Leib des charismatischen Lehrers und seiner Schüler lustvoll zu spüren, das ist es, wovon der Skandal um Rabbi Mordechai Elon zeugt.
Hallo,
ich habe mich in den letzten Wochen etwas intensiver mit der Mißbrauchsdiskussion beschäftigt und stimme Michal zu, daß es keinen Zusammenhang zwischen Zölibat und Mißbrauch gibt.
Was mir aber noch rätselhaft ist: Wie kommen die Religionen, die sich auf eine Offenbarung berufen, in der der gleich folgende Text steht, mit der darin enthaltenen Aussage „Mit denen [jungfräuliche Mädchen] kann man es ja machen“ zurecht?
Meine Ãœberlegungen dazu findet ihr hier
Vielen Dank für weitere Anregungen.
[…] Orthodoxie und sexuelle Verfehlung Alle Welt spricht von einer trunkenen evangelischen Bischöfin, von pädophilen katholischen […]
Wenn der Rabbi einfach nur schwul ist, ist das wohl in einer Hinsicht ein Problem – seine Religiösität kommt dann nicht ohne ein ordentliches Maß an Heuchelei aus, desgleichen die volljährigen Schüler, die daran beteiligt waren. (also ist es ja nicht nur der eine)
Die archaisch, strengen Moralvorstellungen der Orthodoxie stehen ja im Gegensatz zu solchem und so kann man hier wohl nur von gespaltenen Persönlichkeiten sprechen, denn wer homosexuell ist und dies auch auslebt, kann eigentlich nicht guten Gewissens orthodox bleiben.
Was Herr Brumlik freilich nicht erwähnte ist, dass es auch unter orthodoxen Rabbinern nicht wenige Fälle von Kindesmissbrauch gibt – jedenfalls sind solche in nicht geringer Zahl in den USA bekannt geworden.
Inzwischen gibt es auch bei den Protestanten den ersten bekannt gewordenen Missbrauchsfall. Das Zölibat an und für sich führt wohl nicht zu solchen Vergehen, es mag aber manche anziehen, die ohnehin ein Problem mit Frauen und ihrer Sexualität haben. Die Nähe, das Vertrauen welche dann im pädagogischen Verhältnis mitunter entstehen, werden von manchen missbraucht, ob es nun unreligiöse Pädagogen, Katholiken, Protestanten oder Juden sind.
Danke Jim.
„Soziologisch betrachtet, haben die sexuellen Verfehlungen von Geistlichen stets strukturelle Ursachen: Es ist kein Zufall, dass Pädophilie bei zölibatären katholischen Priestern wahrscheinlicher auftritt als unter verheirateten protestantischen Pfarrern“
Das ist nur ein Beispiel seines starken Tobaks, den er hier wieder einmal anschlägt, den er auch noch soziologisch begründen will, was er aber gar nicht kann, denn es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen um einen Zusammenhang zwischen Zölibat und Mißbrauch herzustellen. Pädophilie ist etwas völlig anderes und für einen Wissenschaftler ist das nicht nur ein Armutszeugnis, sondern unglaublich dumm.
Herr Brumlik ist nicht nur in diesem Artikel sehr unredlich und völlig unwissenschaftlich und das springt anderen immer negativer ins Auge. Ich finde es peinlich, so etwas auch noch zu veröffentlichen. Ich befürchte nur, er wird noch peinlicher in Zukunft.
Trunkene Bischöfin, pädophiler Priester, schwuler Rabbi
Nun, allein schon die Überschrift spricht eine ganz eigene, leider tendenziöse Sprache, tut mir leid.
Aber wie dem auch sei: Als strukturelle Ursache des israelischen, des nationalreligiösen Skandals wird man das Prinzip des Männerbundes benennen. Politische Männerbünde sind aus der europäischen, zumal der deutschen Geschichte in der Epoche der Jugendbewegung bis zum Ende der NS-Zeit bekannt.
Die dumpfe Mischung von Gewaltaffinität, schwitzender körperlicher Nähe, gläubiger Liebe zu einem Führer und den “Kameraden†sowie einem nicht geringen Ausmaß von Frauenverachtung bringt einen Typus hervor, dem es meist gelingt, den sexuellen Anteil der durch all dies verursachten Erregung unter Kontrolle zu halten und in die Bahn einer Ehe mit vielen Kindern zu lenken.
Indes: Wer einmal Filme gesehen hat, die die erregten Gesichter nationalreligiöser Aktivisten beim gemeinsamen Tanz nur unter Männern während des Purimfestes zeigen, bei dem man sich sinnlos betrinken soll, wird sich über das dahinter stehende Begehren kaum täuschen.
Solches an Hand dieses einen Falles als „strukturell“ bezeichnen zu wollen, und es gibt ganz offenbar nur diesen einen Fall, ist wissenschaftlich ausgesprochen unredlich. Darüber hinaus gibt es auch noch den Fall des ebenfalls nationalreligiösen Rabbi Shlomo Aviner aus Bet El zum Beispiel, der, neben einigen anderen, was man so hört, obwohl stets und ausschließlich hinter Frauen her, auch ein begnadeter Trinker und Tänzer an Purim war.
Bemerkenswert allerdings ist, wenn man schon unbedingt solche Geschichten (frag mich, warum eigentlich?), in der taz publizieren muss, das betont homophobe Auftreten dieses Rabbi Elon in der Öffentlichkeit.
Dieses in Verbindung mit seiner jahrelangen Weigerung auf die Auflagen und Warnungen des nationalreligiösen Forums gegen Missbrauch, Takana, einzugehen, lässt in Hinblick auf die seelische Verfassung dieses Mannes jeden Falls ganz andere Schlüsse als die hier vermuteten zu.
Vielleicht ist er einfach nur schwul?
Na und?!
Bleibt, einerseits, aus orthodoxer Sicht die Sünde.
Das ist eindeutig sein und deren Problem.
Andererseits, der Missbrauch des Machtgefälles zur Befriedigung eigener Bedürfnisse.
Und nur dafür verdient er, nur er und nicht die Orthodoxie, würde ich meinen, Verachtung und aber auch die Sanktionierung durch ein israelisches Gericht.
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