Parasiten, Insekten, Krabbelgetier. Kleinlebewesen spielen in der politischen Symbolik eine große Rolle. Zum antisemitischen Gehalt von Ungeziefer-Metaphern…
Von Samuel Salzborn
Jungle World v. 11. Februar 2010
Die Ameisen wuseln über den Boden. Die pelzige Spinne flitzt die Wand entlang. Der Kopf juckt von den umherlaufenden Läusen. Über dem Kuchen kreisen die Mücken und auf dem Steak sitzen Wespen, eine ist ins Bier gefallen. Das Bein ist knallrot und juckt vom Zeckenbiss. Die Silberfischchen verstecken sich unter den Handtüchern. Die tote Maus liegt im Keller, gleich hinter den Fahrrädern. Und die Fliegen schwirren auf dem Dachboden neben den gelagerten Winterklamotten, in denen die Motten sitzen. Unter der Brücke tummeln sich die Ratten im Schlamm. Die Assoziationen, Gefühle und Affekte, die diese Bilder auslösen, sind vielfältig. In den meisten Fällen werden sie aber wohl Ekel und Abscheu auslösen, vielleicht wird Angst geweckt, ein Gefühl von Unannehmlichkeit entsteht, die Lästigkeit der Tiere tritt ins Bewusstsein, und mit ihr das Wissen darum, dass einige von ihnen Krankheiten übertragen können, zum Teil folgenschwere.
Alle Assoziationen haben dabei einen realen Kern und verweisen auf individuelle Wirklichkeiten, auf den Kern von Subjektivität. Zugleich sind sie aber auch phantastisch in jenem Moment, in dem sie nicht mehr mit realer Erfahrung und wirklichem Erleben zu tun haben, in dem sich bewusstes Wissen mit unbewusstem Affekt verbindet. Wohl eine jede kann erklären, worin die reale Gefahr einer Wespe besteht, und diese einschätzen; die hysterischen Reaktionen, die umherfliegende Wespen auslösen, erklärt das freilich noch nicht. Und auch die Ängste, die noch so kleine Spinnen auslösen, stehen in keinem Verhältnis zu etwaigen realen Gefahren.
Offenkundig sind im Symbolgehalt von Insekten, Spinnentieren und anderem Ungeziefer Elemente aufgehoben, die jenseits subjektiver Erfahrung und rational kontrollierbarer Wirklichkeit liegen. Elemente, die auf eine unbewusste und eine überindividuelle Dimension der Symbolisierung verweisen.
Zwischen beiden besteht ein Zusammenhang, da im Symbolischen unbewusste Dimensionen existieren, die sozial vermittelt und damit nicht individuell, sondern lediglich individualisiert sind. Die Wahrscheinlichkeit, mit der der Anblick einer Kakerlake im Schlafzimmer bei Menschen Ekel oder Jubel auslösen wird, hat eben nicht nur eine rationale, sondern auch eine emotionale Dimension, in die Elemente einer kollektiven Symbolisierung eingeschrieben sind.
Ein kollektives Symbol steht im Spannungsfeld zwischen individuellem und universellem Symbol und umfasst im Unterschied zu jenen bestimmte kulturell-historische Kontexte, die innerhalb eines Sinnkollektivs überindividuelle Bedeutung erlangen. Dass in fernöstlichen Gesellschaften reihenweise Kriech- und Krabbeltiere gegessen werden, deren bloßer Anblick den durchschnittlichen Mitteleuropäer bereits in Ekel versetzt, verweist auf kulturell differente kollektive Symbolisierungen. Die Besetzung von Ungeziefer mit Affekten, die nicht mit seinen realen Eigenschaften korrespondieren, liegt primär an jener kollektiven Dimension der Symbolisierung, die sich ins individuelle Unbewusste einprägt. Auf diese Weise werden die kollektiven Symbolisierungen zu sozialen Deutungsmustern, die innerhalb eines kulturellen Kontextes weitgehend geteilt werden.
Da das Ungeziefer dabei allerdings letztlich doch als kontrollierbar und bekämpfbar erscheint, bietet es sich zugleich als Projektionsfläche für gesellschaftlich generierte Affekte an, die von der Angst vor Kontrollverlust und Ohnmacht dominiert sind. Im Fall der konkreten Ungezieferbekämpfung können diese Affekte recht harmlos ausagiert werden, im Fall ihrer politischen Metaphorisierung eröffnet sich jedoch ein radikales Vernichtungspotential: Die erschlagene Spinne verschafft dem Menschen ein Gefühl wiedererlangter Kontrolle und Sicherheit. Werden Menschen als Spinnen dargestellt, droht man ihnen mit demselben Los.
Die politische Symbolisierung von Ungeziefer wird dabei – sofern sie, wie in Deutschland, historisch generiert und damit sozial langfristig stabilisiert ist – zum prägenden und polarisierenden Element der nationalen Kultur, das mit zunehmender Dauer auch zunehmend erfahrungs- und damit aufklärungsresistenter wird. Dass in die Darstellung von Menschen als Ungeziefer das drohende Potential der Vernichtung eingelagert ist, ist dabei eine Melange aus den exzessiven antisemitischen Ungeziefer-Darstellungen des Nationalsozialismus, die die reale Ermordung vorbereiteten, und der Drohung, die jeder politischen Ungeziefer-Metaphorik objektiv inhärent ist, ungeachtet der subjektiven Intention.
Als kollektive Symbolisierung ist die historische Dimension dabei von der strukturellen nicht zu trennen. Dass Juden als Ungeziefer dargestellt und als solches phantasiert werden, entbehrt rational zwar jeder Grundlage, da die Zuschreibungen aber historisch, insbesondere in der NS-Agitation, so dominant geworden sind, inkorporiert jede politische Metapher, die mit dem Ungeziefer-Vergleich arbeitet, auch objektiv ihre antisemitische Geschichte.
Der scheinbar aufklärerische Hinweis, dass die Kenntlichmachung von Ungeziefer-Metaphoriken als antisemitisch damit der antisemitischen Rhetorik auf den Leim gehe, ist insofern auch falsch: Das Symbol funktioniert als kollektives Symbol ja überhaupt nur, wenn es unabhängig von der individuellen Intention als kommunikative Chiffre fungieren kann, also kollektiv geteilt wird.
Aus dieser kollektiven Dimension der Ungeziefer-Metaphorik ist der Antisemitismus nicht herausredigierbar – und das gilt für alle Fälle, in denen sie verwendet wird, von den explizit antisemitischen Ungeziefer-Metaphern in arabischen Medien bis hin zur Heuschrecken-Metaphorik der Antiglobalisierungsbewegung. Denn der kollektive Symbolgehalt überlagert jede Form individueller Abweichung.
Dass die Ungeziefer-Metaphorik tatsächlich wirkt, hat damit zu tun, dass sie zugleich individuelle und kollektive Erfahrungen integrieren kann: die individuelle – mit der Zecke, die wirklich Blut saugt, oder der Spinne, die tatsächlich unkontrolliert umherläuft – und die kollektive – mit der strukturell generierten Angst vor Status- und Kontrollverlust, jenem Symptom kapitalistischer Krisen, das der Antisemitismus so klar und eindeutig zu lösen vorgibt. Die Gründe, aus denen Juden mit Ungeziefer assoziiert und als solches dargestellt werden, haben dabei ebenfalls mit der nicht-subjektiven Dimension der Symbolisierung zu tun: Dem Ungeziefer werden im Prozess der kollektiven Symbolisierung Eigenschaften zugeschrieben, und da diese in den antisemitischen Phantasien mit denen, die den Juden zugeschrieben werden, oft identisch sind, folgen sie einer Analogiekette.
Auf diese Weise ist die Ungeziefer-Metaphorik auch eindeutig und unmissverständlich – und das im doppelten Sinn: Sie ist innerhalb eines symbolischen Sinnkollektivs eindeutig in ihrer Aussage und ihrer Drohung, zugleich zaubert sie aber auch Eindeutigkeit in eine widersprüchliche und ambivalente, nicht verstandene Welt. Sie sorgt für Klärung und verspricht das Verschwinden von Angst, Verunsicherung, Kontrollverlust und Ohnmacht. Als Surrogat für Aufklärung fordert sie dafür die Vernichtung.
Zum Gebrauch von Ungeziefer-Metaphern in der innenpolitischen Diskussion in Israel und anderen faschistoiden Denkmustern gibt’s auch einen Artikel von Uri Avnery „Sommerpause: Das Horrorkabinett des Herrn Bugi“:
http://test.hagalil.com/2009/08/26/yaalon/
In der anschließenden Diskussion dann ein Entlastungsversuch durch den Hinweis, daß Ahmadinejad Israel als „schwarze Mikrobe“ bezeichnet hätte.
Oh ja!
Das wäre natürlich das Erste, an das ich bei der Google-Werbung gedacht hätte:
Google hat was gegen Juden 😉
Denkt mal mehr nach!!
Dem lieben Herrn Samuel Salzborn kann man nur empfehlen: Wechseln Sie mal die Schmökerhefte. Es muss nicht immer der Stürmer sein, auch wenns Sie den für ihre geschichtliche Forschung so wichtig ansehen. Aber ich finde ihre Literaturwahl färbt sich ab. Sie sehen nur noch Insektenvernichter um sich herum. Gehen Sie doch bitte mal in eine Stadtbibliothek und lassen Sie etwas Entspannungsliteratur verschreiben.
Facit: Auch das Denken muss gelernt werden …
Und wann werden Sie mit Lernen beginnen?
Mach Dich besser, bevor Du hier den großen Macker spielen willst, mit der Funktionsweise von google-Werbung vertraut.
Es ist dchon irre: auf der gleivchen Seite, wo dieser Beitrag steht, erlaubt Hagalil Werbung von Google für Ungezieferbekämpfung … 🙂
Unter anderem:
„Alles gegen Ungeziefer! Qualität vom Zoofachhandel preiswert, schnell, zuverlässig
ZooVersand.de“
„Probleme mit Motten?
Bundesweite Beratung und effektive Bekämpfung durch den Marktführer!
http://www.rentokil.de/Motten“
„Ratte? Vorbeugende Schädlingsbekämpfung: damit Sie nicht das Nachsehen haben
http://www.sgs.com/maus“
So viel zum Sinn oder Unsinn manches Beitrags. Folge ich ihm, dann muss ich die Frage stellen: Fördert Hagalil aus materiellen Gründen die Ungezieferbekämpfung? Oder sogar den metaphorischen bzw. symbolischen Antisemitismus?! 🙂
Facit: Auch das Denken muss gelernt werden …
‚Die Palästinenser sind wilde Tiere, die auf zwei Beinen gehen‘ Menachem Begin in einer Rede an die Knesset 1982, aus ‚Begin and the Beasts‘ New Statesmen 25. Juni 1982
Im Jahr 2001 bezeichnete der damalige israelische Tourismusminister und 2002 ermordete ehemalige General Rehavam Ze’evi in Israel ohne Arbeitserlaubnis arbeitende Palästinenser als „Läuse“ und ein „Krebsgeschwür“. „Während man Läuse ohne jegliche Bedenken zerdrückt oder sie mit Chemikalien tötet, wird ein Krebsgeschwür herausgeschnitten und vernichtet.“
‚Wenn wir das Land besiedelt haben, werden die Araber nur noch wie betäubte Kakerlaken in einer Flasche herumhuschen können‘ Raphael Eitan, Generalstabschef des IDF zur New York Times, 14. April 83
‚Die Palästinenser sind wie Krokoldile; jeh mehr Fleisch man ihnen gibt, desto mehr wollen sie‘ Ehud Barak, lt. Jerusalem Post 30.8.2000
‚Unter den verwirrendsten politischen Phänomenen unserer Zeit ist im neu geschaffenen Staat Israel das Erscheinen der Freiheitspartei (Herut), einer politischen Partei in ihrer Organisations-Methode, politischer Philosophie und sozialem Appell ähnlich den Nazis und den Faschistischen Parteien‘
Hannah Arendt, Albert Einstein und andere prominente Juden in einem Brief an die New York Times anlässlich des Besuchs von Menachem Begin.
Auf den Symbolgehalt, der dem Spinnenvergleich eigentlich innewohnt, nämlich das genaue Gegenteil vom Behaupteten (Herumlaufen), scheint der Autor nicht gekommen zu sein: Spinnen sind letztlich lauernde Beutegreifer, die ein Netz weben und regungslos darin hocken, versteckt meist, in dem das ahnungslose Opfer sich verfängt und dann ausgesaugt wird: damit sind gleich mehrere nicht nur antisemitische Klischees bedient. Und genau die werden von AntisemitInnen mit Wonne benutzt.
Allgemein aber gilt: Nicht von ungefähr haben schon die frühen Faschismusforscher festgestellt, dass Biologismen, in die die vermeintlich so passgenauen Tier-Mensch-Analogien am Rande subsummierbar sind, ein unverzichtbarer Pfeiler jener menschenverachtenden Ideologie, nämlich der ihres Untersuchungsobjekts, des Faschismus, sind, wobei besonders der deutsche Faschismus am verabscheuungswürdigsten ist und sich besonders auf diesen Pfeiler stützt: auch (scheinbar) positiv: z.B. bei den Wolfsmetaphern für diverse Hitler-Organisationen, obwohl für einen Landwirt Wölfe und andere Raubtiere schlicht ebenfalls zu vernichtendes Ungeziefer sind.
Nix Neues unter der Sonne.
Noch ne Anmerkung zu diesem:
„Heuschrecken-Metaphorik der Antiglobalisierungsbewegung“
Der Vergleich kam nicht von ihr, sondern wurde von Müntefering gemünzt… Mit „Heuschrecken“ sind nicht bzw. jedenfalls nicht konkret Menschen gemeint, sondern bestimmte Formen von Aktiengesellschaften, die – und das muss durchaus nicht global geschehen, sondern kann „örtlich“, so z.B. in jedem (kapitalistisch orientierten)Land geschehen – völlig legal Firmen kaufen, u.U. zerschlagen und die Bruchstücke gewinnbringend abstoßen, ihnen aber auf jeden Fall die Kaufkosten auferlegen samt gutem Gewinn für die AGs. Die holprige Metapher diskriminiert also keine Personen, sondern Geschäftsmodelle. Das ist IMO weder faschistoid noch antisemitisch. Siehe dazu auch http://de.wikipedia.org/wiki/Heuschreckendebatte
ego
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