Antisemitismus: Die Zeit arbeitet gegen Israel

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Die Tatsache, dass es in der deutschen Hauptstadt eine „Zentrale für Antisemitismusforschung“ gibt, störte einen alten Mann sehr. Vor einiger Zeit machte er sich die Mühe, mir drei Briefe zu schicken, in denen er mir seine negative Meinung über „die Juden“ mitteilte. Auch er, wie viele andere, ist der Meinung, die Zentrale sei eine staatliche Einrichtung oder werde zumindest von der deutschen Regierung unterstützt. Andere glauben, sie sei Teil von Gruppen, die gegen die Feinde Israels kämpfen…

Wolfgang Benz, ehem. Leiter des Instituts für Antisemitismusforschung in Berlin, in der größten israelischen Tageszeitung „Jedioth achronoth“

Es gab viele Gründe für die Einrichtung eines Instituts, das den Judenhass in Deutschland erforscht. Die Kontrolle des modernen Antisemitismus und des Ansehens Israels in der öffentlichen Haltung gehören zu unseren Interessen und zu der Forschung, die wir über Vorurteile betreiben. Es handelt sich um ein selbständiges akademisches Institut, das sich nicht mit politischer Arbeit, sondern mit Forschung befasst, angefangen vom Holocaust bis hin zum heutigen Judenhass unter Moslems. „Das Merkblatt für Antisemitismus“, das wir herausgegeben haben, beschreibt alle Arten von Judenhass ohne zeitliche und örtliche Grenzen, vom Altertum bis in die Gegenwart, von Martin Luther bis Ahmadinedschad.

Die zentrale Einsicht lautet, dass Antisemitismus in vielen Gesellschaften existiert, und dass er die Juden ausnützt (als Einzelne oder als Kollektiv wie den Staat Israel), um die Standpunkte und die Identität dieser Gesellschaften zu definieren und zu stabilisieren, durch Ausschluss, Zurückweisung und Beschuldigung. Es ist sehr schwer, diese Einsicht Leuten zu vermitteln, die überzeugt sind, „die Juden“ seien selbst daran schuld, dass man sie nicht mag. Auch jener alte Mann brachte diese Meinung in seinen Briefen zum Ausdruck, und um sie zu bestärken, nannte er die Aktion „gegossenes Blei“.

Solange der Konflikt mit den Palästinensern anhält, arbeitet die Zeit gegen Israel. Die Israelische Botschaft in Berlin erhält seit Jahren Anrufe, in denen Judenhass zum Ausdruck gebracht wird. Die Skala der unfreundlichen Ausdrücke bewegt sich von „Massenmördern“ bis hin zu „ihr müsst verschwinden“. Man muss die Dinge nicht verschönern: 5% der deutschen Bevölkerung empfinden eine ständige Abneigung gegen Juden und bringen dies auch öffentlich zum Ausdruck, indem sie die Feinde Israels unterstützen. Da ist keine erfreuliche Tatsache, obwohl der Prozentsatz geringer ist als der gesamteuropäische…

Deutschland steht vor einem Problem, das von einem Teil seiner Nachbarn schon seit langem geteilt wird: Die soziale Diskriminierung muslimischer Jugendlicher. Die Tatsache, dass sich diese Jugendlichen, denen die Gesellschaft keinen Horizont anbietet, mit dem radikalen Islam identifiziert, ist die Reaktion auf die mangelhafte Eingliederung dieser Bevölkerungsgruppen.

Die Politiker müssen durch ernsthafte Eingliederungsmaßnahmen gegen diese Tendenz ankämpfen. Es wäre ein völliger Fehler, der Ablehnung der demokratischen Werte durch diese Jugendlichen mit Toleranz zu begegnen. Auf die fundamentalen Standpunkte Deutschlands muss eindeutig bestanden werden, und dazu gehört auch die Solidarität mit Israel.

Antisemitismus und Islamophobie

  • 2010
    Kritik an Wolfgang Benz‘ Außenansicht: Ein Hetzer ohne Ahnung
    „Die unterschwellig bis grobschlächtig praktizierte Diffamierung der Muslime als Gruppe durch so genannte “Islamkritiker” hat historische Parallelen“, behauptet Benz, doch derartige Parallelen gibt es nicht. Solange man in Deutschland fast nichts über den Islam wusste, wurde der Islam als eine späte, nicht weiter ernst zu nehmende Religionserfindung belächelt…

  • 2009
    Antisemitismus und Islamfeindlichkeit: Vergleichen heißt nicht gleichsetzen
    Darf man Antisemitismus und Islamophobie in einem Atemzug nennen? Der Historiker Wolfgang Benz hat es getan und wurde deswegen schwer angegangen…
    Tagung der Berliner Antisemitismusforscher: Judenhasser versus Islamfeinde
    „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“: Bei einer Veranstaltung des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung vergleichen Experten Islamfeindlichkeit mit Judenhass…

  • 2008
    Islamophobie und Antisemitismus: Zwei sehr verschiedene Begriffe und Problembeschreibungen
    Auch ein Blick auf den Antisemitismus in islamischen Gesellschaften ist wegen des Zusammenhangs mit der Entwicklung des Islamophobie-Begriffs erforderlich. Vor noch nicht allzu langer Zeit war das Problem „Antisemitismus im Islam“ kein Thema in der deutschen politischen Debatte, weder bezogen auf die islamischen Staaten noch auf die muslimischen Minderheiten in Europa oder Deutschland…

  • 2003
    Debatte um „Islamophobie“: Wer hat Angst vor Differenz?
    Islamophobie, gibt es so etwas? Eine Diskussion über diesen Begriff tobt seit einigen Monaten in Frankreich und scheint nun auch in Deutschland zu beginnen. Wobei es immer wieder darum geht, ob das Phänomen, das der Begriff umreißt, überhaupt existiert…

1 Kommentar

  1. Schon wieder zwei gefährliche und problematische Feststellungen von Benz:
    „Solange der Konflikt mit den Palästinensern anhält, arbeitet die Zeit gegen Israel.“
    Einen Konflikt kann man künstlich schaffen (da die Palästinenser sich frühestens seit 1964 erst so bezeichnen, gab es vorher einen anderen Konflikt. Und man kann auch alles tun, um einen bestehenden Konflikt nicht zu lösen, zum Beispiel „damit die Zeit gegen Israel arbeitet“. Und wenn ich denke ,wie sich so manche Araber  und auch die Hamas die „Lösung des Konflikts vorstellen“, nämlich, dass das „zionistiche Regime“ verschwunden oder „die Juden verschwunden sind“, dann braucht man anhand dieser Anmerkung von Benz nur dafür sorgen, dass der Konflikt nicht gelöst bleibt, bis die Zeit gegen Israel und für jene gearbeitet hat, die Israels Untergang herbeisehnen. Ob sich Benz der Konsequenz seiner Aussage bewusst ist? Er hat sie jedenfalls nicht erwähnt. Auf jeden Fall impliziert er ein Verschwinden Israels. Ich würde hier auch gerne erfahren, wie sich Benz denn eine „Lösung des Konflikts mit den Palästinensern“ vorstellt, wobei er nicht sagt, mit welchen.
    „Die Tatsache, dass sich diese Jugendlichen, denen die Gesellschaft keinen Horizont anbietet, mit dem radikalen Islam identifiziert, ist die Reaktion auf die mangelhafte Eingliederung dieser Bevölkerungsgruppen.“
    Das mag sicherlich stimmen. Doch ich übertrage das mal kurz auf den Nahen Osten. Erst wurde behauptet, dass es keine Selbstmordattentäter mehr gäbe, wenn die Palästinenser nicht im Elend der Flüchtlingslager lebten. Am Ende stellte sich jedoch heraus, dass viele Selbstmordattentäter Studenten aus der wohlhabenden Mittelklasse waren, also politisch hochmotiviert und nicht nur „elend, ohne perspektive“. Und wer führt in der arabischen Welt den Extremismus an, mitsamt Terror usw? Zum Beispiel ein gewisser Multimillionär Osama bin Laden. Hinwendung zu radikalem …(was immer auch, Islam, RAF, PLO, Hamas) hat bei genauer Analyse nur wenig mit sozialer Benachteiligung zu tun, sondern vielmehr mit  wohlhabenden Politikern, die das Elend geschickt auszunutzen wissen, um diese Menschen in ihre Richtung zu lenken. Ich kenne noch andere Völker, die im Elend waren, etwa wegen einer Weltwirtschaftskrise, aber nur eines hat dann einen Weltkrieg angezettelt. Und ich kenne viele Völker in Afrika, die in einem fürchterlichen Elend leben, weit schlimmer als das der Palästinenser, und dennoch keine Selbstmordattentäter oder gar einen 11.9. hervorgebracht haben.
    Wieder zurück zu Deutschland. Es geht nicht um Toleranz gegenüber den armen Jugendlichen ohne Perspektive, sondern um jene Prediger, die sie rücksichtslos wie perverte Pädeophile in den Radikalismus lenken.

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