Das Chanukka-Wunder – Historische Chanukkageschichten II

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Der zweite Text in unserer Reihe historischer Chanukka-Geschichten stammt von Ignaz Maybaum. Maybaum, 1897 in Wien geboren, studierte an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin und wurde 1926 zum Rabbiner ordiniert. 1939 konnte er nach England emigrieren, wo er nach Kriegsende unter anderem am Leo Baeck College lehrte. Seine kurze Überlegung über das Wunder von Chanukka erschien im Dezember 1933 in der Zeitschrift „Der Morgen“…

Das Chanukka-Wunder

Israel ist wunderbar gerettet durch Gott,
eine Wunderrettung für die Zeiten.
nicht werdet ihr beschämt,
nicht werdet ihr enttäuscht,
fort in die Zeiten, ewig fort. (Jes. 45, 17)

Von Ignaz Maybaum
Der Morgen, Heft 6, Dezember 1933

Chanukka, das Tempelweihefest, gemahnt uns an die Grundlage unserer jüdischen Existenz. Gegen alle menschliche Berechnung versiegte das Öl nicht, und das Lämpchen leuchtete. Die Menora erinnert uns an das immer wieder sich bewährende Wunder der jüdischen Geschichte. Durch nichts anderes als durch das göttliche Wunder, aber dadurch in aller Unaufhebbarkeit, ist die Existenz Israels eine Möglichkeit in der Welt.

Das sogenannte Naturgesetz, wonach das Starke siegt und sich behauptet, das Schwache unterliegt und verschwindet, ist im jüdischen Schicksal aufgehoben. In der ganzen Schwachheit der jüdischen Existenz gehen wir durchs Leben. Die Mächte der Geschichte, durch die die großen Reiche entstehen, sind Mächte, mit denen wir rechnen müssen und denen wir uns fügen. Aber keine Macht der Geschichte war jemals so mächtig, daß unser Judentum dadurch aufgehoben worden wäre. Es ist unbegreiflich, daß es so ist. Aber es ist so. Das Wunder, das Tatsache ist und immer von neuem als Tatsache da ist, ist der Jude in dieser Welt. Wir Juden suchen das Wunder nicht außer uns. Die jüdische Existenz ist das Wunder.

Die Makkabäer stehen im Glanze dieses Wunders. Das Wort Gottes macht frei, und die Demut des Glaubens ist kein Hindernis für männliches Sichbehaupten. Das heißt nicht, daß sich der Welt-Macht eine jüdische Macht entgegensetzen könnte. Eine jüdische Macht gibt es nicht. Auch wo der jüdische Glaube zur Aktion wird, bleibt er unpolitische Aktion. Die Bereitschaft der Makkabäer war Bereitschaft zum Martyrium. Aber Gott, der dem Abraham in die Hand fiel, als er Isaak opfern wollte, wendete den Makkabäern das Martyrium in Sieg.

Das Wunder der Chanukkageschichte leuchtet nicht nur uns Juden. Dieses Wunder rettet die Welt. Das Judenschicksal widerlegt die Auffassung, daß der Schwache verloren ist.

Bild oben: Chanukka-Leuchter von Chabad Lubawitsch am Brandenburger Tor, Foto: © Margrit Schmidt