Iranische A-Bombe: Die letzte Etappe

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Die Grundtatsachen haben sich nicht verändert: Der Iran galoppiert auf die Atombombe zu. Die iranische Uhr tickt im Rhythmus von drei Kilogramm angereichtem Uran pro Tag. Trotz eindrucksvoller Erfolge im Bereich des Vereitelns vereitelt die Vereitelung die iranische Bombe nicht, sondern zögert nur den Zeitpunkt ihres Zusammenbaus hinaus. Der Aufschub ist wichtig, aber er reicht nicht aus…

Von Ari Shavit

Tatsache: Wieder und wieder ist es den Iranern geglückt, die zu überlisten, die sie aufzuhalten versuchen. Sobald ihre Depots erstes Rohmaterial für 30 Atombomben und fortgeschrittenes Rohmaterial für eine Atombombe enthalten werden, steht die schiitische Großmacht an der Schwelle. Ihr Abstand zur vollen Atomisierung schwankt zwischen einem Jahr im schlimmsten und drei, vier Jahren im günstigsten Fall.

Auch die strategische Bedeutung der Grundtatsachen hat sich nicht verändert: Wenn Mahmoud Ahmadinejad eines Morgens bekannt geben wird, dass er eine Atombombe in den Händen hält, wird die Welt, in der wir leben, eine andere Welt sein. Der morgendliche Kaffee in Florentin wird nicht der gleiche Kaffee sein, und der Kir Royal am Place de la Bastille wird nicht mehr denselben Champagnergeschmack haben. Auch angenommen, dass Teheran rational agieren und nicht gleich Gebrauch von der Waffe des jüngsten Gerichts machen wird, wird seine Atomisierung die Atomisierung des gesamten Nahen Ostens in Gang setzen. Gleichermaßen wird die Atomisierung des Iran das Kräftegleichgewicht zwischen Extremisten und Gemäßigten im Nahen Osten verändern. Sie wird den Nahen Osten in ein multipolares Nuklearsystem verwandeln, unter dessen Oberfläche eine brodelnde und instabile Region Blasen bilden wird. Kein Präzedenzfall aus der Zeit des Kalten Krieges wird dieser neuen Situation ähneln. Ein atomarer Iran bedeutet ein atomares Saudi-Arabien und ein atomares Ägypten und eine atomare Türkei und eine atomare Welt. Ein atomarer Iran bedeute, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert des Schreckens wird.

Gleichwohl hat sich etwas Grundlegendes verändert: Die Ereignisse der letzten Woche haben bewiesen, dass der Westen des Herbstes 2009 in Bezug auf den Iran nicht der Westen des Frühjahrs 2009 ist. Die Pittsburgh-Erklärung von Obama, Sarkozy und Brown wird nur die ins Auge stechende Spitze des Eisbergs sein. Unter der Wasseroberfläche haben die Vereinigten Staaten in den letzten Monaten eine energische und spannende Diplomatie betreieben. Die Nähe der Führungsriege der demokratischen Regierung zu Europa erlaubt ihr, das nordatlantische Bündnis erneut enger zusammenzuschweißen. Ihre Bereitschaft Russland zu umwerben und zu beschwichtigen ermöglicht ihr, eine gewisse Zusammenarbeit von Seiten Moskaus zu erreichen. Auch in China absolvieren die Amerikaner nicht wenig Laufarbeit.

Wenn es also zu Anfang des Sommers noch nicht klar war, ob sich Obama das iranische Problem zu Herzen nehmen würde oder nicht, ist das Bild heute klar. Mit großer Verspätung versuchen der US-Präsident, Frankreichs Präsident, Großbritanniens Premierminister und die deutsche Bundeskanzlerin, den Iran wirklich diplomatisch zu belagern. Sie tun alles, was mit diplomatischen Mitteln getan werden kann, um die verhängnisvollen Zentrifugen in Natanz und Qom zu stoppen.

Bei diesem Stand der Dinge besteht kein wirklicher Anlass zur Furcht vor einem unmittelbaren israelischen Angriff auf den Iran. Dies hat fünf Gründe: Der optimale Zeitpunkt für einen militärischen Angriff ist vorüber; der letztmögliche Zeitpunkt für einen militärischen Angriff ist noch nicht gekommen; die internationale Gemeinschaft ist endlich aufgewacht; das iranische Regime ist politisch und wirtschaftlich stark geschwächt; die gegenwärtige israelische Führung ist eine verantwortungsvolle Führung, die keinen Kriegsgöttern huldigt und den Finger nicht am Abzug hat.

Dennoch sollte die Tatsache, dass Israel sich gegenwärtig in Zurückhaltung übt, nicht täuschen. Heute erreicht das diplomatische Engagement zwischen der westlichen Welt und dem Iran seine letzte Etappe. In den vorigen Runden im Stadion hat der iranische Athlet sich sowohl als schneller als auch entschlossener erwiesen als seine faulen und verwöhnten Gegner. Diesmal muss das Ergebnis anders aussehen. Sobald sich die Gespräche ausgereizt haben, müssen die westlichen Mächte sofortige und aggressive Sanktionen gegen Teheran verhängen. Sie müssen die Unrechtmäßigkeit des iranischen Regimes und die Verletzlichkeit des iranischen Marktes voll ausschöpfen, um die Produktion von Atomwaffen zu verhindern.

Wenn die internationale Gemeinschaft jetzt keine harte Diplomatie betreibt, wird sie selbst vor dem unmöglichen Dilemma Bombe oder Bombardierung stehen. Wenn es dazu kommt, werden Obama-Sarkozy-Brown-Merkel persönliche Verantwortung für die Schaffung nicht nur eines anderen Nahen Ostens, sondern auch einer anderen Welt tragen.

(Haaretz, 01.10.09)