Neonazis stoßen erstmals auf Widerstand

7
397

Im niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf (Kreis Schaumburg) sind am Sonnabend rund 700 Neonazis aufmarschiert. Die Teilnehmerzahlen der alljährlichen „Trauermärsche“ zeigen, dass sich die Kleinstadt zum Wallfahrtsort der Rechtsradikalen entwickelt hat. Erstmals regte sich jedoch zivilgesellschaftlicher Protest gegen die Geschichtsfälscher…

Von Tobias Korn, indi-rex – Informationsdienst Rechtsextremismus

Bad Nenndorf. Es war der größte Neonazi-Aufmarsch in Norddeutschland in diesem Jahr. Mehr als 700 Rechte marschierten vom Bahnhof zum „Wincklerbad“. In dem Bad, das 1945 bis 1947 britisches Militärgefängnis war, wurden einige Inhaftierte gefoltert. Unter den Insassen war auch SS-General Oswald Pohl, der als „Verwalter der Konzentrationslager“ gilt. 2006 hat eine britische Zeitung die Misshandlungen, die 1947 zur Schließung des Gefängnisses geführt hatten, neu aufgerollt. Dies nahmen die Schaumburger Neonazis auf, marschierten dort im ersten Jahr mehrmals auf und begannen, den „Trauermarsch“ zu einer bundesweit bedeutenden Demo zu machen.

Versammlungsleiter Christian Müller, der auch im vergangenen Jahr für den Aufmarsch verantwortlich war, konnte gegen 15 Uhr mit einem Ersatzfahrzeug die Demonstration starten. Müller, der offenbar inzwischen in Sachsen gemeldet ist, übernahm nach dem Haftantritt des Anmelders und Initiator der „Trauermärsche“, Marcus Winter, die Organisation. Aufgrund des „verkehrsunsicheren Zustandes“ des Lautsprecherwagens verbot die Polizei dem Fahrer die Weiterfahrt und die Neonazis mussten sich einen LKW mieten.

Bis 2030 sind die jährlichen Neonazi-Demos durch den 10-000-Einwohner-Ort angemeldet. Zu den Mitinitiatoren zählt auch Thomas „Steiner“ Wulff. Der Neonazi-Kader hat mit dem „Ehrenkomitee 8. Mai“ dafür gesorgt, dass die Bedeutung des Aufmarsches weiter zunimmt.

Protest gegen Neonazis

An einer Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beteiligten sich am Sonnabend über 1000 Menschen. Aufgerufen dazu hatte das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“. In den zurückliegenden Jahren – seit 2006 marschieren die Neonazis zum sogenannten „Trauermarsch“ auf – hatte es kaum Widerstand in der Bevölkerung gegeben.

Zusätzlich zur Demo hatten rund 120 linke Nazigegner bereits ab 6 Uhr morgens versucht das „Wincklerbad“ zu blockieren. Mit einer Beton-Pyramide versuchten. Erst nach mehr als sieben Stunden wurden sie von der Polizei geräumt. Dabei wurde eine Demonstrantin verletzt. Als die Neonazis vor dem „Wincklerbad“ aufmarschierten protestierten vier Jugendliche auf dem Dach des Gebäudes, weitere Gegendemonstranten standen an den Polizei-Absperrungen.

Mit einer Verspätung von rund drei Stunden begann der neonazistische Aufmarsch. Im Vorfeld war die Polizei von einer Teilnehmerzahl bei dem „Trauermarsch“ von „500 plus X“ ausgegangen. Eine „große Gruppe gewaltbereiter Autonomer Nationalisten“ sei nach Polizeiangaben auf dem Weg zur Demonstration gewesen.

Über 700 Rechte marschieren

Rund 130 Neonazis verweigerten sich den Kontrollen, die zur Teilnahme an der Demo nötig waren. Diese Gruppe durfte nicht zu den „Kameraden“ auf dem Bahnhofsvorplatz. An hunderte andere Rechtsradikale verteilte die Polizei weiße T-Shirts, da die Rechten sonst gegen die Auflagen verstoßen hätten. Somit konnten mehr als 700 der knapp 900 angereisten Neonazis an dem Aufmarsch teilnehmen.

Zahlreiche Äpfel und Steine flogen während der rund dreistündigen Wartezeit vor dem Bad Nenndorfer Bahnhof auf anwesende Journalisten. Die Steineschmeißer wurden nicht festgenommen.

Aus weiten Teilen Niedersachsens reisten Neonazis an. Neben der „Kameradschaft Northeim“ aus Südniedersachsen waren zahlreiche Rechte aus der Heide angereist. Auch die „Kameradschaft 73“ aus Celle war mit involviert. Besonders junge Rechte kamen aus Tostedt (Kreis Harburg). Unter den Rechtsradikalen aus Nordrhein-Westfalen waren vor allem die „Autonomen Nationalisten“ aus Dortmund um Dennis Giemsch, der auch als Redner auftrat, sowie Gruppierungen aus Ostwestfalen-Lippe. Auch der „Hildesheimer Widerstand“ um den Neonazi Dieter Riefling war mit einem Transparent vertreten. Zahlreiche Funktionäre der inzwischen verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ marschierten unter dem Label „Die deutsche Jugend“ mit.

Neonazis aus Dessau und anderen Teilen Sachsen-Anhalts waren ebenso wie Personen aus Thüringen anwesend. Selbst aus Schleswig-Holstein reisten die Demo-Teilnehmer an. Trotz des aktuellen Wahlkampfes trat die NPD nicht in Erscheinung. Zwar waren auch hochrangige Parteimitglieder vor Ort, jedoch lediglich solche, die für ihre guten Kontakte zu den „Freien Kräften“ bekannt sind.

Redner hetzen gegen Demokratie

Auch Geschichtsverdreher aus dem europäischen Ausland waren zum Aufmarsch angereist. Stellvertretend für den Chef der Niederländischen Volksunion, Constant Kusters, verlas Parteisekretär Christian Malcoci die Grußworte aus Holland. Kusters war im vergangenen Jahr nach seiner antisemitischen Hetzrede vor dem „Wincklerbad“ unter anderem wegen Volksverhetzung angezeigt worden.

Vor dem „Wincklerbad“, dem ehemaligen britischen Gefängnis, sprachen Patrick Fischer aus Leipzig sowie Sven Skoda aus Düsseldorf. Dann ergriff Dennis Giemsch das Mikrofon. Auf der zweiten Kundgebung wurden „Grußbotschaften“ voller Hass aus Österreich und den Niederlanden verlesen. Andreas Biere von den „Freien Kräften“ aus Magdeburg sowie der sichtlich aufgeregte Christian Weißgerber aus Thüringen sprachen zu den „Trauernden“, die dann den Rückweg zum Bahnhof antraten. Offen sprachen sich die Redner für den Nationalsozialismus aus und hetzten gegen die Demokratie.

Nazi-Lied zum Abschluss

Einige Neonazis, darunter Inge Nottelmann aus Hamburg, begleiteten den „Trauermarsch“ mit Pauken. Diese kamen unter anderem auf dem Bahnhofsvorplatz zum Einsatz. Anschließend stimmten die Rechtsradikalen das Hitlerjugend-Lied „Ein junges Volk steht auf“ an, was sie auch ohne Störung beendeten. Dieses NS-Lied wird vom Verfassungsschutz mehrerer Bundesländer als strafrechtlich relevant eingeschätzt. Die Polizei schritt jedoch nicht ein.

© Text und Bilder

7 Kommentare

  1. Schlimme Nachrichten der erneuten Geschichtsfälschung, nach Dresden 2010,
    denn NS ist keine Ideologie, …sondern ein Verbrechen.
    Und wie jung die meisten der gezeigten Teilnehmer sind??
    Ist da nicht im so genannten „Bildungssystem“ irgend etwas verkehrt gemacht worden?? Sonst müßten doch so junge Menschen über die Verbrechen der Nazis allumfassend aufgeklärt sein, oder?
    Die Partei und ihre Erscheinungen… Kameradschaften sind sofort zu verbieten, damit nicht noch mehr Steuergelder verloren geht , anstatt es für die Bildung, Geschichtsuntericht mit Besuch einer KZ-Gedenkstätte nicht mehr reicht und Polizisten gezwungen werden , solche Leute noch beschützen zu müssen oder „ihnen “ auferlegt wird Hemden(T-Shirt´s)) zu verteilen, damit die braune Brut in aller Öffentlichkeit weiter Verbrechen begeht!!!!!!!!
    HF

  2. @ michael meyer: Auf welcher Demo waren Sie? Im bürgerlichen Block der Parteien und Gewerkschaften? Oder im Block der antifaschistischen Linken, an Ende der Demo?

    Es waren Bürgerliche und Antifas vor Ort, ein Unterschied…
    Wenn die Bürgerlichen Protestler sich besaufen und grillen („Bratwürste gegen Rechts“) dann ist das nichts neues. Trillerpfeifen und Lichterketten sind auch bestimmt die richtigen Mittel um sich gegen menschenverachtende Kumpanen wie Nazis zu stellen 😉
     
    Ich selber habe mich dem linken Block der Antifas angeschlossen. Dort sind mir weder Alkohol noch betrunkene Teilnehmer aufgefallen (eigentlich selbstverständlich)
    Wenn ihr Kommentar mit platten Schubladen den Antifablock in den Dreck zu ziehen versucht, dann ist das mehr als lächerlich!
    Der Antifablock war zu klein, das steht fest… Nächstes Mal muss es anders werden!

  3. die gegendemo war ein großer reinfall wenn man bedenkt das die faschos 500 oder mehr waren,
    ich war auch teilnehmer der gegendemo und musste feststellen das die meisten antifas nur zum saufen und fressen dagewesen sind, da bringt die aktion mit den trillerpfeifen auch nix mehr, wenn man schon um 14 uhr besoffen ist,
    was wäre wenn es zur ausschreitung der faschos gekommen wäre?
    wer hätte dann noch von den besoffenen antifas was regeln können?
    ich finde es eine schande das es immer wieder leute gibt, die sich zudröhnen, diese waren es nämlich, die sich gröhlend den nazis entgegen stellten, luftlinie ca. 200 meter…
    was hätte es gebracht?
    bei den nazis war alkoholverbot, wäre es da zum ausbruch gekommen, dann hätte es für die zum teil sehr angetrunkenen antifas schlecht ausgesehen!
    überlegt euch mal weniger zu saufen, dann klappt es auch wieder mit der antifaschistischen arbeit!

  4. dass seit der Befreiung

    Alle reden von „Befreiung“, fällt mir immer wieder auf.
    Denke eher, es war ein Niederringen, ein Besiegen.
    Sicher, manche wurden befreit, aber die waren in der Minderheit.

  5. Bitte sprechen / schreiben Sie nie wieder verharmlosend von  „Neonazis“! Was ist „neo“ = neu an ihnen? Dahinter steht  immer noch die gleiche menschenverachtende exterminatorische Ideologie der „Alt“Nazis. Man sollte immer wieder darauf hinweisen, dass seit der Befreiung eine kaum veränderte Kontinuität von Hirn zu Hirn gegeben hat. Warum? Weil man sich im Grunde um eine harte und fundamentale Auseinandersetzung mit diesen Dumpfbacken entweder zu schade war, oder eine solche als lästig wenn nicht überflüssig angesehen wurde.

Kommentarfunktion ist geschlossen.