Das Shakshukah-System

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Wie die Übernahme von staatlichen Ressourcen für wenige Profit und für den Rest Leiden schafft…

Von Benjamin Rosendahl
ZeitJung, 21.06.2009

Eines Morgens las der israelische Journalist Micki Rosenthal eine kleine Nachricht in der Zeitung: Dort wurde bekanntgegeben, dass Sammy Ofer, israelischer Milliardär und einer der reichsten Männer der Welt, dem Stadtmuseum Tel-Aviv 20 Million Dollar spendet. „Das ist doch eigentlich eine sehr nette Geste“, hört man den Kameramann zu Beginn des Dokumentarfilms „Das Shakshukah-System“ sagen. Micki Rosenthal jedoch wittert etwas Unreines. „Die Ofer-Brüder (Sammy und Juli Ofer) würden nie etwas umsonst hergeben.“

Und er behält recht: Als Gegenleistung zu seiner Spende (die dem Wert eines halben Museumsflügel entspricht) verlangt Ofer, dass das städtische Museum auf seinen Namen umbenannnt wird. Mehr noch: In einer leicht übersehbaren Klausel wird festgelegt, dass die Ofer-Familie bei Fragen, die das Grundstück des Museums betreffen, ein Mitspracherecht haben.

Diese Methode hat Programm bei den Ofers: Bei fast allen privatisierten Ressourcen des Staates kauften sie sich prozentweise zu Schleuderpreisen ein, oft mit Hilfe von illegalen Insidertipps oder Angeboten, die sehr nach Bestechung rochen (so arbeiteten Mitarbeiter der Regierung, die den Ofer-Brüdern halfen, später oft für ein besseres Gehalt bei ihnen). Anschließend führten sie diese Betriebe zu riesigen Profiten, von denen sie ihren festgelegten Anteil an den Staat aber nie abführten. Wie ein trojanisches Pferd übernahmen die Ofer-Brüder dann selbst Betriebe, bei denen sie nur zu einem kleinen Prozentsatz eingekauft hatten: Salzwerke am Toten Meer, Ölraffinerien, Hafenwerke, staatliche Medien etc.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=goAh4y6aWE8[/youtube]

Der Anwalt der Ofers (Ram Caspi) hat das mit dem Kochen von Shakshuka, einem Gericht, bei dem Spiegeleier in eine Tomatensoße hineingerührt werden, verglichen. Der Geschmack der Tomatensoße –des Staates- wird da fast unmerklich von dem Geschmack der Spiegeleier –der neuen Privatbesitzer- dominiert, bis nichts mehr von ihm übrigbleibt. „Beachte meine Handbewegung“, meint der Staranwalt noch und macht eine Kreisbewegung. Er bereitet dieses Gericht nämlich vor, sämtlichen rechtlichen Hindernissen zum Trotz.

Für die Arbeiter hat dieses „Shakshuka-System“ nichts Gutes zu bedeuten: Hafenarbeiter wurden durch billige Fremdarbeit ersetzt, bei den Salzwerken wurden Tagelöhner eingestellt, die auf dem Papier gar nicht existieren und für 12-14 Stunden am Tag einen Hungerlohn bekommen – und der Rest kuscht oder wird gefeuert.

Kaum hat man diese schwere Mahlzeit verdaut, wird noch mehr Pfeffer in das Shakshuka –und unsere Augen- gestreut: Sammy Ofer gibt eine Spende von drei Millionen Shekel (ca. 750,000 EURO) für Krebspatienten. Auch hier hebt Micki Rosenthal – und nicht nur er- eine Augenbraue: Der skrupellose Geschäftsmann zuerst Patron der Kunst, und jetzt auch Patron der Krebskranken?

Ein Blick auf die Statistik der Betriebe der Ofers macht hier vieles klar: Verseuchte Flüsse, verunreinigte Luft, nicht eingehaltene Sicherheits- und Gesundheitsvorkehrungen sowie eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Krebs-, Unfruchtbarkeits-, Lungenkrankheits- und Asthmavorfällen sind alles Beiprodukte der Ofer-Betriebe. Im Vergleich zu den Kosten, die die Ofers zahlen müssten, um diese Betriebe nach den Richtlinien in Stand zu halten, ist die Spende nicht mehr als Wechselgeld – und gibt zudem eine PR, die preislos ist. Und auch das Gewissen ist beruhigt.

Und so kochen die Ofer-Brüder weiter an ihrem Shakshuka – inzwischen auf weltweiter Basis. Durch Vetternwirtschaft und aufgekaufte Proteges haben sie es inzwischen nämlich geschafft, ihre Kontrolle auszuweiten. Der Geruch des Ofer-Spiegeleis liegt in der Luft, oder genauer gesagt: Es riecht nach faulen Eiern.

Fazit: Dieses Shakshuka-System riecht und schmeckt zwar anfänglich gut, hinterlässt aber noch Jahre später einen bitteren Nachgeschmack. Und aufgepasst: Das Rezept verbreitet sich unter den Großindustriellen wie ein Lauffeuer.

Nachwort: Für Micki Rosenthal hatte der Film viele negative Konsequenzen: Er wurde vom israelischen Fernsehen gefeuert (ein Protege der Ofer-Brüder bekam dort eine hohe Position), von Kopf bis Fuß mit Klagen überzogen und sein Film wurde von keiner Fernsehstation ausgestrahlt. Der Schuss ging jedoch nach hinten los: So bekam diese Zensur die Aufmerksamkeit, die die Ofers vermeiden wollten, die Kinos zeigen den Film (inzwischen auch im Ausland) und Micki Rosenthal arbeitet bereits an einer Fortsetzung. Nach Protesten hat Sammy Ofer übrigens inzwischen seine Spende an das Tel-Aviv-Museum, das bereits sein Namensschild am Eingang platziert hatte, zurückgezogen. „Sucht euch eure Spenden woanders!“, soll er gesagt haben.

Update: Am 27.7.2009 wurde der Film nach langer Diskussion und angedrohten Rechtsmaßnahmen der Ofer-Brüder im israelischen Fernsehen gezeigt. Es war ein kleiner Erfolg des kleinen Mannes gegen die wirtschaftliche Supermacht der Ofers.

http://www.shakshuka-movie.com/