Verwirrung um Antisemitismusberichte in der Schweiz

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Verschiedene veröffentlichte Berichte über Antisemitismus in der Schweiz kommen zu verschiedenen Aussagen. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) spricht von einem deutlichen Anstieg des Antisemitismus‘ in der Schweiz, während die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) und die Gesellschaft Minderheiten Schweiz (GMS) das Gegenteil behaupten…

Von Benji Epstein

Verschiedene Berichte zur Lage des Antisemitismus in der Schweiz sorgen momentan für Unklarheiten. Dies dürfte wohl nicht zuletzt an den unterschiedlichen Methoden liegen, mit welchen die verschiedenen Organisationen Antisemitismus messen. Während die GMS und die GRA generell rassistische Vorfälle erfassen, umfasst der Bericht des SIG lediglich antisemitische Vorfälle.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass nicht die gleichen Zeiträume erfasst wurden. Der Bericht des SIG gilt nicht wie die anderen Berichte für ein Kalenderjahr, sondern für den Zeitraum von Anfang Februar bis Ende Januar des folgenden Jahres. Das ist insofern bedeutend, da es im Januar 2009 durch den Krieg im Gazastreifen zu einem Anstieg antisemitischer Vorfälle kam. Für die Interpretation der Berichte ist dies darum zu berücksichtigen, da ein deutlicher Zusammenhang zwischen Geschehnissen in Israel und dem Anstieg an antisemitischen Vorfällen in der Schweiz beobachtet werden kann. Laut tachles sind sich der SIG und die GRA jedoch darüber einig, dass gewisse politische Ereignisse, wie der Gazakrieg oder auch der Besuch von Bundespräsidentin Calmy-Rey im Iran, zu einem Anstieg an antisemitischen Vorfällen führen.

Die unterschiedlichen Erfassungsmethoden unterscheiden sich auch in der Art der Ereignisse und Vorkommnisse, welche in die Berichte mit einfließen. Während die GRA öffentliche Äusserungen und Vorfälle aus Medienmitteilungen und Polizeiberichten aufnimmt, zählt der SIG zusätzlich auch Meldungen von Opfern, antisemitische Briefe und Pamphlete an jüdische Institutionen, sowie auch antisemitische Meldungen im Internet in seinen Bericht mit auf.

Laut tachles wird momentan an einer gemeinsamen Datenbank gearbeitet, die bereits 2010 zu einem übergreifenden Antisemitismusbericht verhelfen soll. Miteinbezogen wird dabei auch die Organisation Coordination Intercommunautaire Contre l’Antisémitisme et la Diffamation (CICAD), die mehrheitlich Berichte für die Westschweiz erstellt.

3 Kommentare

  1. Danke Mael.Interessant das zu erfahren.Man weiss ja viel zu wenig über die Schweiz.Habe aber immer wieder solche pikante Details erfahren, die sich zu einem sehr schlechten Bild runden.Wann war das mit den Bürgerrechten?Und wie kommt es dass die „Schweizer Garde“ nicht mehr zur Rettung des Christlichen Abendlandes tut,heute, wos doch wirklich nötig ist?Ist es nur die Geldgier oder auch Feigheit?Lässt sich der Schweizer,einst der Schrecken Italiens, der beste Soldat des weiten und Breíten, heute einfach schlagen und entschuldigt sich dann noch dafür?

  2. @Benji Epstein: Gute Hinweise auf die unterschiedliche Datenbasis für die Berichte.

    @alle: Das wichtigste für die Vergleichbarkeit von Berichten dürfte aber die Definition von „Antisemitismus“ sein.
    Wenn diese Definition nicht übereinstimmt, ist ein Vergleich der Berichte ohnehin nicht möglich.
    Man hat die Wahl der Konnotationen von
    „Judenhass“ bis „Ablehnung einer besonderen Verantwortung der Deutschen / Schweizer / Österreicher / alle
    gegenüber den Juden“ (die Definition „Ablehnung einer besonderen Verantwortung der Deutschen gegenüber den Juden“ ist die in der Studie „Neu-alte Mythen über Juden“ von Wolfgang Frindte, Friedrich Funke & Susanne Jacob definierte geringste Form des Antisemitismus.)

    Es wird spannend, auf welche Definition man sich einigt.

  3. „[…]der Besuch von Bundespräsidentin Calmy-Rey im Iran, zu einem Anstieg an antisemitischen Vorfällen führen.“

    Wieso denn das? Sie hat beim Besuch in Teheran ein weisses Kopftuch getragen, als Zeichen des Respekts gegenüber dem iranischen Volk und dem teheranischen Protokoll (es ging bei dem Besuch um wirtschaftliche Zusammenarbeit bezüglich Gas-Verträge). Sie wurde in der Schweiz massiv kritisiert dafür. Ich lebe in der Schweiz, und sehe beim besten Willen nicht ein, wieso dies zu antisemitischen Vorfällen geführt haben soll. In der Schweiz, wo eine hitzige Kopftuch- und allgemein Islam-Diskussion geführt wird, kennt jeder den Unterschied zwischen jüdischen und muslimischen Glaubensgenossen.
    Aber ansonsten kann ich den Studie bis zu einem gewissen Grad zustimmen. Aber es sind meiner Meinung nach weniger die expliziten Vorfälle die angestiegen sind, sondern das Wort unter den Leuten und am Stammtisch, wo es wieder normaler wird über die „Jode“ herzuziehen und ihnen die alten Klischees anzuhängen (die Schweiz war ja nicht umsonst das letzte Land auf europäischem Boden, das den Juden die gleichen Bürgerrechte wie den anderen Schweizern zugestand…und das auch nur auf Drängen Frankreichs und Hollands, die damit drohten, sonst, für die Schweiz wichtige Handelsverträge nicht zu unterzeichnen)

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