Offenes Protestschreiben bzgl. der Tagung „Tödliche Medizin“

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Offenes Protestschreiben der IGJAD – Interessengemeinschaft Gehörloser jüdischer Abstammung in Deutschland e.V. an die Teilnehmer der Konferenz „Tödliche Medizin. Zur Bedeutung der NS-Verbrechen in der aktuellen Ethik-Debatte„, 23. bis 24. April 2009 im Jüdischen Museum Berlin…

Sehr geehrte Damen und Herren,

nunmehr erhielt ich auf meine Anfragen nach Mitwirkung und Teilnahme an der Tagung „Tödliche Medizin“ die Information vom Jüdischen Museum, dass diese ohne Gebärdensprachdolmetscher veranstaltet wird. In Zukunft jedoch, wolle man sich um Barrierefreiheit bemühen.

Beigefügtem Schreiben an die Kuratorin des JMB (s.u. Anlage 1) entnehmen Sie bitte, dass meine Anfragen im zeitlich angemessenen Rahmen gestellt wurden und dennoch keinerlei Bemühen zeitigten. Ein folgendes Schreiben an Herr Prof. Nachama (Anlage 2) fand ebenfalls keinerlei Beachtung, auch nicht, nachdem wir uns anläßlich eines Symposiums über das T4-Programm in Berlin persönlich austauschten. Erfreulicherweise wurden nämlich auf dem Symposium Gebärdensprachdolmetschern zur Verfügung gestellt – eine Maßnahme, die unbedingt weitergeführt werden sollte. So konnten auch Gehörlose ihren wichtigen wissenschaftlichen Beitrag leisten.

Die Tatsache, dass eine wissenschaftliche Tagung u.a. über Zwangssterilisierung von Gehörlosen während des Nationalsozialismus, trotz des Angebots der Mitarbeit, gehörlose jüdische Wissenschaftler ausspart und sogar der Gebärdendolmetscher für den schlichten Besuch der Tagung nicht gestellt wird, ist ein Skandal und nicht hinnehmbar. Auf diese Ausgrenzung und Herabwürdigung erwarte ich eine Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen,
Mark Zaurov
IGJAD-Vorsitzender
Herausgeber der Publikation des 6th Deaf History International Kongress in HU Berlin (2006) mit der Förderung des BMBF und Aktion Mensch

Anlage 1:
Von: Mark Zaurov, Datum: Mon, 20 Oct 2008 13:11:19 +0100
An:
Betreff: Re: AW: Kontakt/Vortrag

Sehr geehrte Frau Dr. Kampmeyer,

Vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Ich verstehe sehr gut, dass Sie im fortgeschrittenen
Planungsstadium nicht noch einmal Änderungen vornehmen wollen. Es bedrückt mich allerdings
sehr, dass wohl wieder einmal Experten aus der Minderheit der Betroffenen (damit meine ich in
diesem Fall natürlich mich, doch allgemein blicken wir ja auf eine Jahrhunderte lange
Diskriminierungsgeschichte zurück) nicht zum Zuge kommen. Nicht zuletzt, um dieser
Diskriminierung die Stirn zu bieten, habe ich den Kongress über die Verfolgung und Ermordung
gehörloser Juden und über Zwangssterilisierung gehörloser Menschen im Dritten Reich organisiert, in der gehörlose Experten und Zeitzeugen erstmals zu Wort kamen. Damit dieses wertvolle Wissen nicht wieder in Vergessenheit gerät, bemühe ich mich darum, dass die Diskussion nicht nur unter Gehörlosen, sondern zwischen hörenden und gehörlosen Experten Früchte trägt – und hier tun sich wieder Barrieren auf.

Es tut mir sehr leid, dass ich erst kürzlich von der Begleitkonferenz erfahren habe, es ist sehr
schwierig, an die Informationen zu kommen, die innerhalb des Netzwerks hörender Fachleute
zirkulieren – Sie sagten ja am Telefon, dass auch Sie nicht von unserer Konferenz erfahren haben, obwohl ich Frau Kugelmann darüber informiert hatte.

Nun leben wir ja in einer Gesellschaft, die sich um Gleichbehandlung bemüht, nicht zuletzt die UN Konvention für Menschen mit Behinderungen umzusetzen versucht, doch meine betrübende
Erfahrung ist immer wieder, dass die Barrieren letztendlich noch zu groß sind. Es wäre so schade, wenn auch diese Chance verstreicht und ich denke, dass Sie durchaus darauf stolz sein könnten, einen entscheidenden Beitrag gegen die Diskriminierung gehörloser Menschen geleistet zu haben.

Bitte lassen Sie mich wissen, was ich tun kann, um eine Gelegenheit zu schaffen, an Ihrer
Konferenz teilzunehmen.

Mit freundlichen Grüssen,
Mark Zaurov (M.A.)
IGJAD-Vorsitzender
Doktorand der Universität Hamburg
Magister Artium in Gebärdensprachen, Geschichte und Pädagogik
Zertifiziert für Higher Education/Hochschuldidaktik

Am 14.10.2008 15:24 Uhr schrieb „Margret Kampmeyer“ unter :
> Sehr geehrter Herr Zaurov,
>
> vielen Dank für Ihre Informationen. Ich werde in Bezug auf unsere Ausstellung und die Konferenz mit meinen Kollegen beraten. Für die Konferenz sehe ich indes keine große Chance, da das Programm bereits einiger Zeit feststeht und die Referenten schon eingeladen werden. Sollte unser Bildungsprogramm noch eine Möglichkeit haben, melden wir uns bei Ihnen.
>
> Mit freundlichen Grüßen,
> Margret Kampmeyer
>
> Dr. Margret Kampmeyer-Käding
> Projektleiterin Sonderausstellung
> Jüdisches Museum Berlin

Anlage 2:
—— Weitergeleitete Nachricht
Von: Mark Zaurov
Datum: Fri, 28 Nov 2008 03:27:59 +0100
An:
Cc:
Betreff: Begleitkonferenz zur Ausstellung T4/Euthanasie

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Nachama,

anbei sende ich Ihnen den Flyer über die kommende Publikation des 6. DHI-Kongress, die vom
BMBF gefördert wurde. Diese Publikation gibt den Forschungsstand zu gehörlosen Juden,
Zwangssterilisation Gehörloser im Allgemeinen, auch gehörloser Mitglieder der Hitlerjugend wieder.

Mein Paper liefert den Hintergrund für Deaf Holocaust und die Differenzierungen bei der
Zwangsterilisierung Gehörloser. Dieses führt meine bisherige Arbeit über „Gehörlose Juden – eine
dopplete kulturelle Minderheit“ (2003, Peter Lang Verlag) weiter.

Am 12.12.09 und ebenfalls am 16.01.10 werde ich in der HU Berlin diesbzgl. sprechen. Dazu möchte ich Sie jetzt schon herzlich einladen.

Ich möchte nunmehr auf einen anderen Punkt eingehen bzgl. der im Frühjahr stattfindende
Begleitkonferenz der Ausstellung T4/Euthanasie, von der ich erst zufällig und spät erfuhr. Hierzu habe ich ein Gespräch mit Dr. Kampeter und Herrn Eckel gehabt. Ich verstehe sehr gut, dass man im fortgeschrittenen Planungsstadium nicht noch einmal Änderungen vornehmen will. Es bedrückt mich allerdings sehr, dass wohl wieder einmal Experten aus der Minderheit der Betroffenen (damit meine ich in diesem Fall natürlich mich, doch allgemein blicken wir ja auf eine Jahrhunderte lange Diskriminierungsgeschichte zurück) nicht zum Zuge kommen. Nicht zuletzt, um dieser Diskriminierung die Stirn zu bieten, habe ich den Kongress über die Verfolgung und Ermordung gehörloser Juden und über Zwangssterilisierung gehörloser Menschen im Dritten Reich organisiert, in der gehörlose Experten und Zeitzeugen erstmals zu Wort kamen. Damit dieses wertvolle Wissen nicht wieder in Vergessenheit gerät, bemühe ich mich darum, dass die Diskussion nicht nur unter Gehörlosen, sondern zwischen hörenden und gehörlosen Experten Früchte trägt – und hier tun sich wieder Barrieren auf.

Es tut mir sehr leid, dass ich erst kürzlich von der Begleitkonferenz erfahren habe, es ist sehr
schwierig, an die Informationen zu kommen, die innerhalb des Netzwerks hörender Fachleute
zirkulieren.

Nun leben wir ja in einer Gesellschaft, die sich um Gleichbehandlung bemüht, nicht zuletzt die UN Konvention für Menschen mit Behinderungen umzusetzen versucht, doch meine betrübende Erfahrung ist immer wieder, dass die Barrieren letztendlich noch zu groß sind. Es wäre so schade, wenn auch diese Chance verstreicht und ich denke, dass Sie durchaus darauf stolz sein könnten, einen entscheidenden Beitrag gegen die Diskriminierung gehörloser Menschen geleistet zu haben. Bitte lassen Sie mich wissen, was ich tun kann, um eine Gelegenheit zu schaffen, an Ihrer Konferenz teilzunehmen.

Ich hoffe, auf diesem Weg eine Rückmeldung von Ihnen zu erhalten, da bislang jeglicher
Kontaktanfrage nicht klappte und ich nicht weiß, ob Sie meine früheren Schreiben jemals erhielten.

Mit freundlichen Grüssen,
Mark Zaurov (M.A.)
IGJAD-Vorsitzender
Doktorand der Universität Hamburg
Magister Artium in Gebärdensprachen, Geschichte und Pädagogik
Zertifiziert für Higher Education/Hochschuldidaktik