Palästinensische Feuerwehrautos koordiniert mit israelischen Militär helfen, das im UNO-Hauptquartier in Gaza ausgebrochene Feuer zu löschen. Zuvor war es von israelischem Beschuss getroffen worden. Das war die Reaktion des israelischen Militärsprechers zu einem höchst peinlichen Vorfall…
Von Ulrich W. Sahm, 15.01.2009
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon ist gerade in Israel, und protestierte laut. „Das wird nicht wieder passieren“, versprachen die Israelis. Doch Verteidigungsminister Ehud Barak beschwerte sich gleichzeitig darüber, dass die Hamas vom Gelände des Büros der UNO-Flüchtlingshilfe-Organisation UNWRA mit Gewehrfeuer und mit Panzerfäusten auf israelische Truppen geschossen habe. Das allein wäre schon ein schwerer Verstoß gegen die Genfer Konvention. Der UNWRA-Sprecher in Gaza will das gerne untersuchen lassen, fordert aber erst einmal israelische Beweise für das von der Hamas angeblich begangene Verbrechen.
In Israel stehen die Zeichen auf möglichst baldigem Waffenstillstand, denn die sogenannte Militäroperation „Gegossenes Blei“ habe ihre Ziele weitgehend erreicht. „Statistisch gesehen kommen jetzt bald jene Fehler, auf die Hamas die ganze Zeit hofft, und die Israels derzeitige Erfolge in eine politische oder moralische Niederlage verwandeln würden“, meint ein Kommentator im Rundfunk. Die israelischen Truppen im Gazastreifen sind ständig in Bewegung, um der Hamas keine Zielscheibe zu bieten. Je länger sie dort sind, desto größer ist das Risiko unnötiger Todesopfer. Sie übernachten in Schulen, und bemerken erst am nächsten Morgen die Zündkabel und die daran befestigten Sprengsätze, mit denen die Soldaten mitsamt dem Schulgebäude in die Luft gesprengt werden sollten.
Obgleich die „Phase drei“ von den israelischen Politikern angedroht wird, hat ein richtiger Einmarsch in die großen Städte noch nicht begonnen. Die Hamas scheint freilich darauf nur zu warten. Nur so könnten sie die Israelis in Straßenschlachten verwickeln. Das würde unweigerlich unter der palästinensischen Zivilbevölkerung hohe Opfer fordern. Das würde allein Israel angelastet werden, wie jetzt schon der empörte Vorwurf, dass ein Drittel der rund tausend Toten Frauen und Kinder seien. Niemand redet von einer Verantwortung der Hamas für den Schutz der Bevölkerung unter ihrer Kontrolle. Straßenkämpfe bedeuten unweigerlich auch viele gefallene israelische Soldaten. Das würde zu einem Stimmungsumschwung in der israelischen Bevölkerung führen, die bislang die Militäroffensive im Gazastreifen befürwortet.
Der Beschuss des UNWRA-Büro aber auch schon andere „Versehen“ der Soldaten häufen sich. Sie erhöhen den Druck der Europäer allein auf Israel, wenigstens eine „humanitäre Waffenruhe“ zustande kommen zu lassen. Die soll dann nach Worten Steinmeiers in einen stabilen Waffenstilstand münden. Solange niemand mit der Hamas redet und deshalb auch nicht vermitteln kann, bleibt offen, wie das zustande kommen könnte. „Die humanitäre Lage hat sich weiter verschärft, und das läßt auch mich nicht kalt“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, bei seinem zweiten Besuch in Israel innerhalb von vier Tagen. Er wolle und könne nicht vermitteln, betonte er, und fährt entsprechend zu den Israelis, zur Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah und erneut nach Ägypten, also alles Partner, die ohnehin miteinander reden und zwischen denen nicht vermittelt werden muss.
Einem Waffenstillstand steht vor Allem Ägyptens Position im Wege. Um seine Souveränität nicht beschneiden zu lassen, verweigert Kairo den Einsatz von fremden Truppen, die dem Waffenschmuggel von Ägypten zur Hamas in Gaza Einhalt gebieten könnten. Doch ohne solche Truppen mit entsprechendem Mandat könnte niemand den Israelis „Garantien“ geben. Ohne entprechende Garantien wäre Israel wohl kaum bereit, einem einseitigen Waffenstillstand und einem Rückzug zuzustimmen. „Jede Regierung ist verpflichtet, seine Bürger zu schützen“, sagte Steinmeier mit Blick auf Israels Regierung, die einem einseitigen Waffenstillstand nicht zustimmen kann, während die Hamas weiterhin mit seinem Raketenbeschuss über eine Millionen Israelis von Aschdod bis Beer Schewa terrorisiert.
Die arabische Welt ist sich uneins. Ägypten will einen arabischen Gipfel vermeiden, um nicht unter Druck gesetzt zu werden, einer Öffnung der Grenze zwischen Gaza und Ägypten zuzustimmen. Mubarak hatte schon vor Tagen klar gemacht, dass die Grenze erst geöffnet werde, sowie die alten Mechanismus mit Vertretern der Autonomiegehörde in Ramallah, europäischen Beobachtern und israelischer Überwachung zustande kämen. Im Klartext sagt Mubarak, dass die Hamas zu verschwinden habe. Auch die Saudis wollen sich an einem Gipfel nicht beteiligen. Sie hatten einst eine palästinensische „Einheitsregierung“ vermittelt und wurden dann durch den „Putsch“ der Hamas zutiefst enttäuscht. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas wird derweil ins Abseits gedrängt. Nach Meinung der Hamas hat er mit Ablauf seiner vierjährigen Amtszeit im Januar kein Recht mehr, sein Amt auszuüben. Auch wenn seine Gefolgsleute an ihn glauben, so mindert es weiter sein Ansehen in der palästinensischen Bevölkerung.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Aktion jüdischer und arabischer Ärzte aus Israel für Gaza
Unterstützt durch eine gemeinsame Aktion von jüdischen und arabischen Ärzten und Mitarbeitern des Gesundheitsdienstes versucht ein Lebensmittel-Konvoi aus Israel am morgigen Freitag, den 16. Januar, in den Gaza-Streifen zu gelangen, das teilte die sozialmedizinische Hilfsorganisation medico international mit. Organisiert wird die Solidaritätsaktion „mit den Bewohnern von Gaza und dem Süden Israels“ von dem israelischen medico-Partner „Ärzte für Menschenrechte“. Gefordert werden eine sofortige Waffenruhe und eine politische Lösung, um die Besetzung zu beenden.
medico international: zunehmende Traumatisierung der Bewohner von Gaza
Tsafrir Cohen, medico-Vertreter in Ost-Jerusalem, erklärt, dass die humanitäre Situation im Gaza-Streifen trotz der täglichen Feuerpausen nach wie vor unerträglich sei. „Es gelingt uns mit unseren palästinensischen Partnern medizinische Güter und Geräte in den Gaza-Streifen zu transportieren, doch trauen sich die Menschen nicht auf die Straße. Und wenn, dann um sich in langen Schlangen um Nahrungsmittel zu bemühen.“ Am 20. Tag des Krieges wächst die Verzweiflung unter den Menschen in Gaza. Dr. Abdalhadi Abu Khousa, einer der führenden Vertreter des medico-Partners „Palestinian Medical Relief Service“ beschreibt die Situation so: „Was Sie im Fernsehen sehen, ist nur ein Bruchteil der Realität hier: Die Menschen haben hier Panik, sie haben Angst um ihre Familien, 24 Stunden am Tag. Niemand hat hier länger als ein paar Stunden geschlafen. Niemand denkt über Hamas, über Fatah oder Lösungen nach, es geht ums schiere Ãœberleben: Wo kriege ich Brot für meine Kinder? Werden wir die Nacht überleben?“
medico international hat bislang Hilfe in Höhe von 150.000 Euro aus Spenden und Mitteln von Schweizer Nichtregierungsorganisationen im Gaza-Streifen leisten können. Neben medizinischer Hilfe sind mittlerweile auch 8 Sozialarbeiterinnen unterwegs, um Kriegstraumatisierte zu betreuen.
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