Mein Weg als Deutscher und Jude

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Vor 85 Jahren starb Jakob Wassermann…

Jakob Wassermann zählte zu den erfolgreichsten Schriftstellern deutscher Sprache in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Romane, wie „Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens“, „Das Gänsemännchen“ oder „Der Fall Maurizius“, fanden breites Echo und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Wie Marcel Reich-Ranicki in seinem Nachwort zur Suhrkamp-Ausgabe von Wassermanns autobiografischem Essay „Mein Weg als Deutscher und Jude“ betonte, war Wassermann ein „leidenschaftlicher Erzähler, ein Romancier und Novellist“, der sich wenig an aktuellen Diskussionen und Auseinandersetzungen beteiligte, wenig in Zeitungen und Zeitschriften publizierte. Ein Thema jedoch lag ihm so sehr am Herzen, dass er es in diesem Essay behandeln musste: sein Judentum.

Nur selten ist die Zerrissenheit, die Komplexität und Ernüchterung deutscher Juden eindringlicher beschrieben worden als in Jakob Wassermanns Schrift. Sein Judentum, seine Existenz als Jude, sei der problematischste Teil seines Lebens, über den er daher Rechenschaft ablegen möchte, heißt es zu Beginn. Dabei meint Wassermann jedoch sein Leben als „deutscher Jude“, „zwei Begriffe, die auch dem Unbefangenen Ausblick auf Fülle von Mißverständnissen, Tragik, Widersprüchen, Hader und Leiden eröffnen“. Ein deutscher Jude sei „mit seiner Doppelliebe und seinem Kampf nach zwei Fronten (…) hart an den Schlund der Verzweiflung gedrängt“.

Hoffnung auf ein Umdenken der Deutschen lässt Wassermann übrigens nicht: „Es ist vergeblich, das Volk der Dichter und Denker im Namen seiner Dichter und Denker zu beschwören. Jedes Vorurteil, das man abgetan glaubt, bringt, wie Aas die Würmer, tausend neue zutage. Es ist vergeblich, die rechte Wange hinzuhalten, wenn die linke geschlagen worden ist. Es macht sie nicht im mindesten bedenklich, es rührt sie nicht, es entwaffnet sie nicht: sie schlagen auch die rechte.“

Wie Recht Jakob Wassermann mit diesem Urteil von 1921 haben sollte, musste er selbst noch erleben. Im März 1933 trat er aus der Preußischen Akademie der Künste aus und kam damit dem für Mai geplanten Ausschluss zuvor. Jakob Wassermann starb am 1. Januar 1934 in Altaussee an einem Herzinfarkt.

Sein autobiografisches Essay bleibt ein eindringliches Zeitdokument, das Ausgrenzung und Judenhass erschreckend aktuell beleuchtet.

Jakob Wassermann, Mein Weg als Deutscher und Jude, dtv 1994, 128 S., Euro 9,50, Bestellen?

Bild oben: Emil Orlik: Jakob Wassermann, 1899

1 Kommentar

  1. »Ich meine nämlich, Gut und Böse entscheiden sich … ausschließlich im Umgang des Menschen mit sich selbst.«
    Jakob Wassermann

    Am 30. Dezember 2018 starb Edgar Hilsenrath …

    http://buecher.hagalil.com/dittrich/hilsenrath.htm

    Der Nazi & Der Friseur:
    Wer hat Itzig Finkelstein erschossen?

    … Auch Der Nazi & Der Friseur schert sich nicht weiter um die gängigen Erzählstrukturen der Schoah. Der Roman ist das genaue Gegenteil zu Nacht, erzählt er doch in konsequenter Weise ausschließlich aus der Sicht des Täters. Hilsenrath wurde „literarischer Dilettantismus“ vorgeworfen, seine Phantasien seien „roh und grausig“. Fritz J. Raddatz sprach von „Wortgeklingel statt angemessenem Schweigen“ und sah sich bemüßigt, dem Ãœberlebenden Hilsenrath damit vorzuschreiben, wie jener sich an die Schoah zu erinnern habe.

    Hilsenrath selbst sagte einmal in einem Interview, dass sich in seinen Geschichten nichts anderes widerspiegele als die Geschichte eines überlebenden „Juden deutscher Kultur“.

    http://www.hagalil.com/2011/03/siret/#comment-19325

    … auf jeden Fall so war das, damals und wenn Ihrs genau wissen wollt, dann könnt Ihr es leicht nachlesen in „Jossel Wassermanns Heimkehr“ von Edgar Hilsenrath, was, wie zum Beispiel auch „Nacht“, oder auch „Das Märchen vom letzten Gedanken“, ohnehin jeder gelesen haben sollte, okay?

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