Die NPD, die AfD und das Umfeld der Friedensmahnwachen protestierten in Dresden vom 9. bis zum 12. Juni 2016 nebeneinander gegen das Treffen der so genannten Bilderberger im noblen Taschenberg-Palais Kempinsky…
Lucius Teidelbaum
Das Bilderberg-Treffen ist eine jährlich stattfindende Zusammenkunft von einflussreichen Personen aus aller Welt. Benannt ist das Treffen nach dem ersten Treffpunkt 1954, dem „Hotel de Bilderberg“ in den Niederlanden. Seitdem treffen sich wichtige Mitglieder der Eliten an wechselnden Orten, um hinter geschlossenen Türen zu diskutieren und sicher auch um manchmal informelle Absprachen zu treffen. Dieses Jahr fand das Bilderberger-Treffen in Dresden statt. Unter den 125 TeilnehmerInnen aus aller Welt waren auch elf Prominente aus der deutschen Politik, Wirtschaft und den Medien. So nahmen aus Deutschland die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Innenminister Thomas de Maizière, Finanzminister Wolfgang Schäuble und der Ministerpräsidenten von Sachsen, Stanislaw Tillich, an dem Treffen teil.
Am 8. Juni berichtete die lokale Tageszeitung „Dresdner Neueste Nachrichten“ das 17 unterschiedliche Veranstaltungen gegen das Bilderberger-Treffen angemeldet seien. Deswegen wurde im Umfeld des Taschenbergpalais eine Hochsicherheitszone eingerichtet, in der Versammlungen von 15 oder mehr Personen ohne Begründung aufgelöst werden konnten, ebenso durften verdachtsunabhängige Kontrollen vorgenommen werden. Diese Maßnahmen wurden durch den Einsatz von täglich mindestens 400 PolizistInnen umgesetzt. Der zuständige Polizeidirektor Renè Demmler begründete diesen massiven Ressourcen-Einsatz für eine Privatveranstaltung mit „dem Schutzbedürfnis der internationalen Gäste“.
Bei den pogromartigen Protesten gegen Flüchtlinge in Freital oder Heidenau letztes Jahr hatte die Landesregierung dagegen sehr viel weniger PolizistInnen aufgeboten. In Heidenau standen im August 2015 in der ersten Pogrom-Nacht nur knapp über hundert PolizistInnen in hoffnungsloser Unterzahl einem rassistischen Mob gegenüber.
Die volle Bandbreite der Aluhut-Fraktion
Überraschenderweise enthielt sich die PEGIDA-Bewegung in ihrer Stamm-Stadt der Proteste gegen das Bilderberger-Treffen. Jedoch hatten bereits im Vorfeld Mitglieder des rechten „Bündnis Weißer Rabe“ mit einem Transparent mit der Aufschrift „Kein Domizil für Bilderberger“ posiert. Beim „Weißen Raben“ ist auch ein Begründer von PEGIDA mit aktiv.
Die NPD führte am 9. Juni 2016 eine Kundgebung unter dem Motto „Volksherrschaft durchsetzen – `Bilderberger`-Macht brechen – Heimlichtuerei beenden!“ durch. Redner waren der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz, das Parteivorstandsmitglied Arne Schimmer, der Berliner NPD-Landesvorsitzender Sebastian Schmidtke und der sächsische NPD-Landesvorsitzende Jens Baur. Baur machte die Bilderberger für die „gesteuerte Flüchtlingskrise“ mitverantwortlich und sprach davon, das „wir als Nationalisten“ das „letzte Bollwerk gegen diese internationalen Machteliten“ seien. Frank Franz bezeichnete die etablierten Medien als die wahren „Massenvernichtungswaffen“ und Schmidtke beklagte die „fehlende Souveränität des deutschen Volkes“.
Trotz der Parteiprominenz fanden sich nur zwischen 40 und 80 DemonstratInnen ein, die ebenso vielen GegendemonstrantInnen gegenüber standen.
Der AfD-Stadtverband rief am 11. Juni unter dem Motto „Volksentscheide statt Elitenherrschaft“ zum Protest auf. Bereits ein paar Tage zuvor hatten AfD-Aktivist/innen mit einem gleichnamigen Groß-Transparent in der Innenstadt posiert.
Auf der Kundgebung sprachen die beiden AfD-Abgeordneten Detlev Spangenberg und Jörg Urban, sowie Siegbert Droese und ein Vertreter der „Jungen Alternative“.
Ingesamt dürfen höchstens 150 Personen teilgenommen haben. Obwohl die Kundgebung von 11 bis 14 Uhr angekündigt war, wurde sie bereits kurz vor 12 Uhr für beendet erklärt.
Weiterhin rief auch eine Organisation namens „LoveStorm People“, nach eigenem Bekunden eine „weltweite Gemeinschaft aus friedlichen Menschen, die mit ihren künstlerischen und „herzlichen“ Botschaften, auf Missstände und Ungerechtigkeiten auf der Welt aufmerksam machen“, zu Protesten auf. Die hippieske Initiative „Lovestorm people“ wollte am Sonntag mit tausenden Freiwilligen ein großes Herz formen, um damit ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen zu werden. Dazu reichten die 100 Demonstrierenden am 12. Juni dann doch nicht ganz.
Für Lovestormer trat auch die Hiphop-Zweier-Combo „Die Bandbreite“ auf. Die aus Duisburg stammenden Musiker verstehen sich zwar als links und antifaschistisch, weisen aber diverse organisatorische und inhaltliche Berührungspunkte zur Rechten auf. So kreirten sie 2013 den Wahlkampfsong für die rechte Kleinstpartei „Neue Mitte“. Diese fordert in ihrem Programm u.a.: „Illegale Zuwanderung ist entschlossener zu bekämpfen als bisher“. Hinzu kommen ungezählte Auftritte von „Die Bandbreite“ bei den Querfront-Friedensmahnwachen oder bei der antiamerikanischen PEGIDA-Abspaltung „Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ (Endgame). Weitere Auftritte hatte das Musik-Projekt bei der Schweizer Polit-Sekte „Anti-Zensur Koalititon“ des ehemaligen evangelikalen Laienpredigers Ivo Sasek (2009), der Reichsbürger-Gruppierung „NeuDeutschland“ (2012) um den selbsternannten „König von Deutschland“ Peter Fitzek oder auf dem rechtsesoterischen Quer-Denken-Kongress (2014, 2015).
In ihren Texten verbreiten „Die Bandbreite“ Antiamerikanismus, Antizionismus, Verschwörungsmythen und früher auch massiven Sexismus, inklusive von Vergewaltigungsfantasien.
In Dresden ebenfalls angekündigt war der selbsternannte „Truth-Rapper“ Kilez More aus Wien, der bereits eine eigene EP mit dem Titel „Bilderberg“ produziert hat.
Bereits bei dem Anti-Bilderberger-Protest 2011 in der Schweiz hatte es eine ähnliche Querfront gegeben. Hier demonstrierten am 10. Juni die Nationalräte Lukas Reimann und Dr. Pirmin Schwander von der rechtspopulistischen „Schweizerischen Volkspartei“ zusammen mit der Band „Die Bandbreite“ und dem Rapper „Kilez More“.
Zu Protesten aufgerufen hatte auch die Dresdner „Mahnwache für Frieden“. Diese wollte zusammen mit einer „Antifaschistischen Aktion“ demonstrieren. Der Begriff „Antifaschistische Aktion“ ist ein von vielen unterschiedlichen Gruppen genutztes Label. In diesem Fall steckte dahinter das nationalbolschewistische, verschwörungsideologische und antizionistische Newsportal „rotefahne.eu“, was aber nicht mit dem gleichnamigen Organ des K-Gruppen-Relikts MLPD verwechselt werden darf, obwohl sich beide sich in der Tradition des historischen KPD-Blattes „Rote Fahne“ sehen. Herausgeber der Internetzeitschrift ist Stephan Steins. Artikel des Infoportals tragen Überschriften wie „Junge Deutsche in Hartz IV abgeschoben – Ausländer zur Ausbildung nach Deutschland gelockt“ oder „Zionistischer Terror in Deutschland: Der Barschel-Mord“.
Die größte Demonstration fand am 12. Juni mit 130 Beteiligten statt und wurde von „Endgame“ veranstaltet. Dabei sprach vor der Dresdner Frauenkirche auch Rico Albrecht von dem Verein „Wissensmanufaktur“. Diese beruft sich in ihrem „Plan B“ auf den NS-Zinskritiker Gottfried Feder (1883 – 1941) und sein „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“.
Bei allen Unterschieden ist fast allen Anti-Bilderbergern der Hang zu Verschwörungsideologien, Antiamerikanismus und vereinfachenden Weltbildern dann doch gemeinsam.
Die Kritik an dem Bilderbergen-Treffen an sich ist noch kein Beleg für Verschwörungsideologien, auch wenn diese eine wichtige Rolle in vielen Verschwörungsmythen einnehmen. Doch das dekomplexe Verständnis dieses Treffen als ‚Weltregierung‘ oder das der Teilnehmenden als ‚Weltherrscher‘ führt auf verschwörungsideologische Holzwege. Diese wiederum führen nicht selten auch in den Verschwörungsantisemitismus. Von der Idee einer Bilderberger-Weltregierung ist es oft nicht mehr weit zum antisemitischen Verschwörungsmythos die jüdische Bankiersfamilie Rothschild kontrolliere die Welt.
Einer systemischen Analyse wird die Schuldzuweisung an Einzelpersonen und kleine Gruppen vorgezogen. Das ist allerhöchstens Herrscher- aber sicher keine Herrschaftskritik.
Die Nähe zum Antisemitismus illustrierte auch noch einmal ein Wohnmobil mit Heidelberger Kennzeichen samt Infostand nahe dem Taschenberg-Palais. An diesem lag u.a. Infomaterial der antisemitischen „Europäischen Aktion“ und sonstiger Neonazi-Gruppen aus. Hinter diesem Infosttand steckte Christian Bärthel, Jahrgang 1974. Dieser stammt aus Thüringen und soll derzeit in Franbkreich leben. Bärthel war bis 2002 DVU-Mitglied und enagierte sich danach als stellvertretender Landesvorsitzender und Pressesprecher der „Deutschen Partei“ (DP) in Thüringen.
Heute ist er vor allem als „Reichsbürger“ aktiv. Ein von ihm im Jahr 2011 geplanter ,,Gedenkgottesdienst“ für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im bayrischen Wunsiedel wurde verboten.