„Seid gegrüßt, Ihr Schönen …“

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10. Mai 1933, Bücherverbrennung durch die Deutsche Studentenschaft am Opernplatz in Berlin. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-14597 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0

Literarische Lesereihe des Freien Deutschen Autorenverband Brandenburg (FDA) erinnert an durch das Nazi-Regime verfolgte Autoren

Von Justyna Michniuk

Mascha Kaléko, Viktor Klemperer, Mina Witkojc und Bertolt Brecht sind Autor*innen und Dichter*innen, die aus verschiedenen Familien und Städten kamen. Was sie verbindet ist Verfolgung und Vertreibung durch das Nazi-Regime ins Exil, das gleichwertig mit dem Verlust von Heimat und Vaterland war. Der Brandenburgische Freie Deutsche Autorenverband erinnerte unter anderem an diese Personen am 03. Februar in Cottbus/Chóśebuz unter dem Motto „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“. Der literarische Abend, gefüllt mit Lesungen und ansprechender Klaviermusik, machte die Anwesenden auf Schreibende aufmerksam, die bisweilen in Vergessenheit geraten sind. Die Lesung war Teil der Reihe Literarische Wortmeldungen aus der Provinz“ und eröffnete die Veranstaltungen im neuen Kalenderjahr. 

Die Vorsitzende des FDA-Landesverbandes Brandenburg e.V., Hannelore Schmidt-Hoffmann, hat sich besonders mit Leben und Werk der deutschsprachigen, der Neuen Sachlichkeit zugerechneten Dichterin Mascha Kaléko beschäftigt. Mascha Kaléko wurde am 7. Juni 1907 in Chrzanów, damals Galizien, Österreich-Ungarn als Golda Malka Aufen geboren. Die Familie von Mascha floh vor Pogromen zunächst nach Deutschland. Die letzte Station war für sie Berlin. Sie hatte Kontakt mit der Berliner Avantgarde, publizierte zahlreiche Kabarett-Gedichte und Liedtexte. Nach der Machergreifung durch die Nazis wurden ihre Bücher als „schädliche und unerwünschte Schriften“ deklariert und verboten. Aus diesem Grund emigrierte sie mit ihrem Mann und dem Sohn 1938 in die Vereinigten Staaten. Ihre Lebensgeschichte würde für mehrere Filmscenarios reichen. Die Spuren von Mascha Kaléko kann man z.B. in Berlin-Kladow finden, wo im Jahre 1995 zu ihrem 88. Geburtstag die Straße 179 in Mascha-Kaléko-Weg umbenannt wurde[1].

Auch Mina Witkojc (deutsch: Wilhelmine Wittka), aus deren ins Deutsche übertragenen Gedichten Dr. Christiane Piniek vorlas, wurde ins Exil gezwungen, wenngleich es sich um Exil innerhalb von Deutschland handelte. Der 1893 in Burg (Spreewald) geborenen niedersorbischen Dichterin, Redakteurin und Publizistin wurde 1931 wegen ihrer demokratischen und antimilitaristischen Haltung die Leitung der Wochenzeitung Serbski Casnik entzogen. 1933 erhielt sie durch die nationalsozialistische Regierung Schreibverbot. Während des Zweiten Weltkrieges, im Jahr 1941, wurde Witkojc zuerst ein Aufenthaltsverbot für den Regierungsbezirk Dresden amtlich ausgesprochen, im 1942 dann auch für den Regierungsbezirk Frankfurt/Oder. Damit war sie gezwungen, ihre Heimat, die Lausitz, zu verlassen[2]. Heute sind zwei Straßen[3], eine Schule[4] und eine Bibliothek[5] nach ihr genannt. Ihre Werke wurden mehrmals verlegt, auch ins Deutsche übersetzt, und neu interpretiert. Seit 2018 verleiht das Land Brandenburg zweijährlich den Mina-Witkojc-Preis, dieser wird „einer Person, einer Personengruppe oder einer Institution zuerkannt, die bei der Anwendung, dem Gebrauch, der Vermittlung oder der Weiterentwicklung der sorbischen/wendischen Sprache – insbesondere des Niedersorbischen – Herausragendes leistet oder geleistet hat[6]“.

Trotz unterschiedlicher Lebensläufe kämpften diese beiden Autorinnen um das Gleiche: ihre Identität und Meinungsfreiheit. Beide wurden wegen ihren starken Verbundenheit jeweils zur jüdischen und zur sorbischen Kultur benachteiligt, ausgegrenzt und verfolgt, und trotzdem blieben sie stark. Sie hörten nie auf zu schreiben und haben der Nachwelt ungeachtet immenser Schwierigkeiten ein authentisches Zeugnis grausamer Zeiten unter Nazis, in Kriegszeiten und im Exil hinterlassen.

Umso wichtiger ist die von FDA Brandenburg ergriffene Initiative, die nicht nur an literarische Werke erinnert, sondern vor allem an komplizierte Lebensläufe und Zeiten brutaler Kriege, des Hasses und der Unsicherheit. Wir dürfen die Geschichte nicht vergessen und haben aus den Erfahrungen der Autor*innen zu lernen.

Nächste Termine, jeweils um 18 Uhr im Wendischen Haus (August-Bebel-Straße 82, Cottbus/Chóśebuz):

3. März 2023, »Seid gegrüßt, Ihr Schönen …« – Literatur von und über Frauen mit Erinnerungen an Brigitte Reimann.

5. Mai 2023, »… aber das Leben geht weiter.« – Literarische Zeitdokumente wider das Vergessen, Erinnerungen an Ingeborg Rapoport, Victor Klemperer, Anna Seghers und andere Autoren.

2. Juni 2023: »Hoffend auf bessere Zeiten …« – Lyrik & Prosa, Erinnerungen an Arno Schirokauer, (Cottbuser Schriftsteller, Radio-Pionier, KZ-Überlebender), Dietrich Garstka (»Das schweigende Klassenzimmer«) und andere Autoren.

Bild oben: 10. Mai 1933, Bücherverbrennung durch die Deutsche Studentenschaft am Opernplatz in Berlin. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-14597 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0

[1]Mascha Kaléko: Berlin in Gedichten, https://worteundorte.wordpress.com/2015/02/01/mascha-kaleko-berlin/.

[2]Vergleiche: Wilhelmine Wittka: Mädchens Lied. Jugendgedichte der späteren niedersorbischen Dichterin Mina Witkojc in deutscher Sprache. Nach einer Handschrift aus ihrem Nachlass im Sorbischen Kulturarchiv Bautzen. Herausgegeben von Klaus-Peter Jannasch. 2. Auflage, 2015.

[3]z.B. Mina-Witkojc-Straße in 03044 Cottbus/Chóśebuz (OT Neu-Schmellwitz) und in 03096 Burg/Bórkowy (Spreewald).

[4]Grund- und Oberschule „Mina Witkojc“ Burg (Spreewald), https://schule-burg-spreewald.de/Home/Mina-Witkojc/.

[5]Spreewaldbibliothek „Mina Witkojc“, https://spreewald-bibliothek.de/.

[6]MWFK Brandenburg,  Startschuss für ‘Mina Witkojc‘-Preis 2022, https://mwfk.brandenburg.de/mwfk/de/service/pressemitteilungen/ansicht/~06-05-2022-mina-witkojc-preis-2022.