„Ich möchte mein Kind nicht in einem Leichensack empfangen!“

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Foto: haGalil

Der landesweite Demonstrationstag, den die Familien der Geiseln für gestern anberaumt hatten, endete mit einer Großkundgebung, zu der über 350.000 Menschen kamen, um die  Regierung aufzufordern, ein Abkommen zu unterzeichnen, das die Geiseln nach Hause bringt.

Tagsüber versammelten sich die Familien am Platz der Entführten in Tel Aviv um einen leeren Tisch, auf dem für jede Geisel symbolisch eine Viertel Pita lag, die Essensration, mit der die Geiseln auskommen müssen.

Foto: haGalil

Arbel Yehoud und Sharon Cunio, die beide selbst als Geiseln in Gaza gefangen waren und deren Lebensgefährte und Ehemann, die Brüder Ariel und David Cunio weiter dort sind, saßen am frühen Abend in der Mitte des Platzes, während Aufnahmen von David und Ariel abgespielt und ihre Fotos gezeigt wurden.

Arbel und Sharon mit Sylvia Cunio, Ariel und Davids Mutter, Foto: The Hostages and Missing Families Forum

Unterstützung für die Familien kam auch aus Deutschland mit einer bemerkenswerten Aktion einer Gruppe von Aktivist*innen, die am Tag der Offen Tür des Außenministeriums dort einen stillen unangemeldeten Protest abgehalten haben, um auf die deutschen Geiseln aufmerksam zu machen. 

In Tel Aviv setzte sich um 19 Uhr ein riesiger Demonstrationszug vom Savidor Bahnhof bis zum Platz der Entführten in Bewegung, angeführt von den Familien der Geiseln. Mehr als 350.000 Menschen nahmen an der Kundgebung zum Abschluss des Solidaritätstages teil.

Foto: Aviv Atlas

Sharon Aloni Cunio sagte in ihrer Rede: „Als ich meine Töchter vor ein paar Tagen ins Bett brachte, fragten sie mich: ‚Mama, bist du sicher, dass Papa zurückkommt?‘ Hier sind die Fakten: Es liegt ein Vorschlag für ein Abkommen auf dem Tisch, dem die Hamas zugestimmt hat. Die Amerikaner wollen die Freilassung der Geiseln. Der Generalstabschef sagt, wir müssen den Deal jetzt annehmen. (…) Ich appelliere erneut, fast am Ende meiner Kräfte, an die Entscheidungsträger: Kehrt an den Verhandlungstisch zurück, akzeptiert den Deal, beendet den Krieg und bringt sie alle nach Hause.“

Der verzweifelte Schrei einer Mutter, deren beide Söhne seit 690 Tagen in Gaza sind. Sivlia Cunio mit Arbel Yehoud und Sharon Aloni Cunio, Foto: Uriel Even Sapir

Ofir Braslavsky, der Vater von Rom Braslavsky, sagte: „Ich habe ein Video von seinem Sterben gesehen – es gibt keine andere Möglichkeit, es zu beschreiben – Schrecken wie der Holocaust. Ein Monat ist vergangen, seit das Video veröffentlicht wurde, und nichts wird unternommen. Ich sage Euch die Wahrheit: Ihr gebt mir enorme Kraft, aber ich möchte mein Kind nicht in einem Leichensack empfangen! Ich spreche zu allen – ich möchte ihn nicht in einem Leichensack empfangen, wie die 42 vor ihm. Wir warten seit zwei Jahren, sehen ihm seit einem Monat beim Sterben zu, und nichts wird unternommen.“

Neben weiteren Angehörigen der Geiseln kam auch Alon Kaminer zu Wort. Alon wurde im Krieg schwer verletzt, verlor seine Hände, ein Bein und ein Auge. Für ihn ist ein Geiselabkommen keine politische Frage. Seine Worte fassten den Solidaritätstag in die richtigen Worte: „Es ist in erster Linie ein breiter Konsens in der Bevölkerung und das Richtige für die Juden – ein moralisches Gebot. Jetzt ist es an der Zeit, dies zu beweisen. Welche Geschichte werden wir unseren Kindern erzählen? Wer sind wir als Volk?“

Alon Kaminer, Foto: Paulina Patimer